Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

endlich jedes über diese Uebereinkünfte ausgestellte Actenstück. -- Den oben ange¬
führten Bedenken, welche die deutschen Gewerkvereine einer staatlichen Anerkennung
bieten, hat die Commission des letzten Reichstags scharf ins Auge gesehen, und
sie durch ihre von Bamberger mitgetheilten Abänderungsvorschläge zum Schulze'-
schen Vereinsgesetzentwurf im wesentlichen beseitigt. Diese Abänderungen lassen
sich kurz dahin zusammenfassen: die staatliche Anerkennung soll versagt bleiben
vereinen mit politischen oder religiösen Zwecken und reinen Strike- oder Aus¬
sperrevereinen, welche die Anrufung von Einigungs- und Schiedsämtern statu¬
tarisch nicht anerkennen; für alle Kranken-, Invaliden-, Begräbniß- und Un¬
terstützungskassen muß Kassen- und Buchführungstrennung eingeführt werden;
ihre Verwendung zu andern Zwecken ist verboten; es muß öffentlich darüber
Rechnung gelegt werden; die ausscheidenden Verbandsmitglieder müssen nach
dem Verhältniß ihrer Einzahlungen entschädigt werden; mindestens ein Mit¬
glied des Vorstandes muß im Gerichtssprengel des Vereins wohnen; die Auf¬
lösung des Vereins muß erfolgen bei Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz.
Mit diesen Abänderungen kann das Gesetz als erfreuliche Ergänzung der
social-politischen Reichsgesetze bezeichnet werden.


H. B.


Mturbil'ver aus einem verflossenen deutschen
Kleinstaat.
3- Serenissimi Händel mit Dero Ständen und gottseliger Ausgang. (Schluß.)

Die Stände von Anhalt-Cöthen, deren Zusammensetzung bereits in den
früheren Artikeln geschildert worden ist, wurden am 26. Mai 1811 zusammen¬
rufen. Als ein unbequemer, namentlich dem Freiherrn von Dabelow ent¬
schieden unwillkommener Negierungsfactor wären sie vielleicht niemals oder
doch erst geraume Zeit später, ins Leben getreten, wenn nicht die entsetzliche
Finanznoth ihre Thätigkeit dringend verlangt hätte. Denn durch eine namen-
los schlechte Finanzwirthschaft waren die Finanzen in eine vollendete Ver¬
wirrung gerathen, ohne daß man bis zum Jahre 1807 dieß bedenklich gefunden
hätte. Bei der Theilung des anhaltischen Gesammtlandes im Jahre 1603
War von den theilenden fürstlichen Brüdern festgesetzt worden, "keine, weder
heimliche noch öffentliche Schulden mehr zu machen, noch Etwas, jetzt oder
Zünftig aufzunehmen, sondern sich für dem allen ganz getreulich und fleißig
!u hüten und dahin einzig zu trachten, wie, neben der göttlichen Wahrheit
gemeine Nutz befördert und die armen Unterthanen in Gedeihen und


endlich jedes über diese Uebereinkünfte ausgestellte Actenstück. — Den oben ange¬
führten Bedenken, welche die deutschen Gewerkvereine einer staatlichen Anerkennung
bieten, hat die Commission des letzten Reichstags scharf ins Auge gesehen, und
sie durch ihre von Bamberger mitgetheilten Abänderungsvorschläge zum Schulze'-
schen Vereinsgesetzentwurf im wesentlichen beseitigt. Diese Abänderungen lassen
sich kurz dahin zusammenfassen: die staatliche Anerkennung soll versagt bleiben
vereinen mit politischen oder religiösen Zwecken und reinen Strike- oder Aus¬
sperrevereinen, welche die Anrufung von Einigungs- und Schiedsämtern statu¬
tarisch nicht anerkennen; für alle Kranken-, Invaliden-, Begräbniß- und Un¬
terstützungskassen muß Kassen- und Buchführungstrennung eingeführt werden;
ihre Verwendung zu andern Zwecken ist verboten; es muß öffentlich darüber
Rechnung gelegt werden; die ausscheidenden Verbandsmitglieder müssen nach
dem Verhältniß ihrer Einzahlungen entschädigt werden; mindestens ein Mit¬
glied des Vorstandes muß im Gerichtssprengel des Vereins wohnen; die Auf¬
lösung des Vereins muß erfolgen bei Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz.
Mit diesen Abänderungen kann das Gesetz als erfreuliche Ergänzung der
social-politischen Reichsgesetze bezeichnet werden.


H. B.


Mturbil'ver aus einem verflossenen deutschen
Kleinstaat.
3- Serenissimi Händel mit Dero Ständen und gottseliger Ausgang. (Schluß.)

Die Stände von Anhalt-Cöthen, deren Zusammensetzung bereits in den
früheren Artikeln geschildert worden ist, wurden am 26. Mai 1811 zusammen¬
rufen. Als ein unbequemer, namentlich dem Freiherrn von Dabelow ent¬
schieden unwillkommener Negierungsfactor wären sie vielleicht niemals oder
doch erst geraume Zeit später, ins Leben getreten, wenn nicht die entsetzliche
Finanznoth ihre Thätigkeit dringend verlangt hätte. Denn durch eine namen-
los schlechte Finanzwirthschaft waren die Finanzen in eine vollendete Ver¬
wirrung gerathen, ohne daß man bis zum Jahre 1807 dieß bedenklich gefunden
hätte. Bei der Theilung des anhaltischen Gesammtlandes im Jahre 1603
War von den theilenden fürstlichen Brüdern festgesetzt worden, „keine, weder
heimliche noch öffentliche Schulden mehr zu machen, noch Etwas, jetzt oder
Zünftig aufzunehmen, sondern sich für dem allen ganz getreulich und fleißig
!u hüten und dahin einzig zu trachten, wie, neben der göttlichen Wahrheit
gemeine Nutz befördert und die armen Unterthanen in Gedeihen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129375"/>
          <p xml:id="ID_1247" prev="#ID_1246"> endlich jedes über diese Uebereinkünfte ausgestellte Actenstück. &#x2014; Den oben ange¬<lb/>
führten Bedenken, welche die deutschen Gewerkvereine einer staatlichen Anerkennung<lb/>
bieten, hat die Commission des letzten Reichstags scharf ins Auge gesehen, und<lb/>
sie durch ihre von Bamberger mitgetheilten Abänderungsvorschläge zum Schulze'-<lb/>
schen Vereinsgesetzentwurf im wesentlichen beseitigt. Diese Abänderungen lassen<lb/>
sich kurz dahin zusammenfassen: die staatliche Anerkennung soll versagt bleiben<lb/>
vereinen mit politischen oder religiösen Zwecken und reinen Strike- oder Aus¬<lb/>
sperrevereinen, welche die Anrufung von Einigungs- und Schiedsämtern statu¬<lb/>
tarisch nicht anerkennen; für alle Kranken-, Invaliden-, Begräbniß- und Un¬<lb/>
terstützungskassen muß Kassen- und Buchführungstrennung eingeführt werden;<lb/>
ihre Verwendung zu andern Zwecken ist verboten; es muß öffentlich darüber<lb/>
Rechnung gelegt werden; die ausscheidenden Verbandsmitglieder müssen nach<lb/>
dem Verhältniß ihrer Einzahlungen entschädigt werden; mindestens ein Mit¬<lb/>
glied des Vorstandes muß im Gerichtssprengel des Vereins wohnen; die Auf¬<lb/>
lösung des Vereins muß erfolgen bei Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz.<lb/>
Mit diesen Abänderungen kann das Gesetz als erfreuliche Ergänzung der<lb/>
social-politischen Reichsgesetze bezeichnet werden.</p><lb/>
          <note type="byline"> H. B.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mturbil'ver aus einem verflossenen deutschen<lb/>
Kleinstaat.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 3- Serenissimi Händel mit Dero Ständen und gottseliger Ausgang. (Schluß.)</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1248" next="#ID_1249"> Die Stände von Anhalt-Cöthen, deren Zusammensetzung bereits in den<lb/>
früheren Artikeln geschildert worden ist, wurden am 26. Mai 1811 zusammen¬<lb/>
rufen. Als ein unbequemer, namentlich dem Freiherrn von Dabelow ent¬<lb/>
schieden unwillkommener Negierungsfactor wären sie vielleicht niemals oder<lb/>
doch erst geraume Zeit später, ins Leben getreten, wenn nicht die entsetzliche<lb/>
Finanznoth ihre Thätigkeit dringend verlangt hätte. Denn durch eine namen-<lb/>
los schlechte Finanzwirthschaft waren die Finanzen in eine vollendete Ver¬<lb/>
wirrung gerathen, ohne daß man bis zum Jahre 1807 dieß bedenklich gefunden<lb/>
hätte. Bei der Theilung des anhaltischen Gesammtlandes im Jahre 1603<lb/>
War von den theilenden fürstlichen Brüdern festgesetzt worden, &#x201E;keine, weder<lb/>
heimliche noch öffentliche Schulden mehr zu machen, noch Etwas, jetzt oder<lb/>
Zünftig aufzunehmen, sondern sich für dem allen ganz getreulich und fleißig<lb/>
!u hüten und dahin einzig zu trachten, wie, neben der göttlichen Wahrheit<lb/>
gemeine Nutz befördert und die armen Unterthanen in Gedeihen und</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] endlich jedes über diese Uebereinkünfte ausgestellte Actenstück. — Den oben ange¬ führten Bedenken, welche die deutschen Gewerkvereine einer staatlichen Anerkennung bieten, hat die Commission des letzten Reichstags scharf ins Auge gesehen, und sie durch ihre von Bamberger mitgetheilten Abänderungsvorschläge zum Schulze'- schen Vereinsgesetzentwurf im wesentlichen beseitigt. Diese Abänderungen lassen sich kurz dahin zusammenfassen: die staatliche Anerkennung soll versagt bleiben vereinen mit politischen oder religiösen Zwecken und reinen Strike- oder Aus¬ sperrevereinen, welche die Anrufung von Einigungs- und Schiedsämtern statu¬ tarisch nicht anerkennen; für alle Kranken-, Invaliden-, Begräbniß- und Un¬ terstützungskassen muß Kassen- und Buchführungstrennung eingeführt werden; ihre Verwendung zu andern Zwecken ist verboten; es muß öffentlich darüber Rechnung gelegt werden; die ausscheidenden Verbandsmitglieder müssen nach dem Verhältniß ihrer Einzahlungen entschädigt werden; mindestens ein Mit¬ glied des Vorstandes muß im Gerichtssprengel des Vereins wohnen; die Auf¬ lösung des Vereins muß erfolgen bei Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz. Mit diesen Abänderungen kann das Gesetz als erfreuliche Ergänzung der social-politischen Reichsgesetze bezeichnet werden. H. B. Mturbil'ver aus einem verflossenen deutschen Kleinstaat. 3- Serenissimi Händel mit Dero Ständen und gottseliger Ausgang. (Schluß.) Die Stände von Anhalt-Cöthen, deren Zusammensetzung bereits in den früheren Artikeln geschildert worden ist, wurden am 26. Mai 1811 zusammen¬ rufen. Als ein unbequemer, namentlich dem Freiherrn von Dabelow ent¬ schieden unwillkommener Negierungsfactor wären sie vielleicht niemals oder doch erst geraume Zeit später, ins Leben getreten, wenn nicht die entsetzliche Finanznoth ihre Thätigkeit dringend verlangt hätte. Denn durch eine namen- los schlechte Finanzwirthschaft waren die Finanzen in eine vollendete Ver¬ wirrung gerathen, ohne daß man bis zum Jahre 1807 dieß bedenklich gefunden hätte. Bei der Theilung des anhaltischen Gesammtlandes im Jahre 1603 War von den theilenden fürstlichen Brüdern festgesetzt worden, „keine, weder heimliche noch öffentliche Schulden mehr zu machen, noch Etwas, jetzt oder Zünftig aufzunehmen, sondern sich für dem allen ganz getreulich und fleißig !u hüten und dahin einzig zu trachten, wie, neben der göttlichen Wahrheit gemeine Nutz befördert und die armen Unterthanen in Gedeihen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/383>, abgerufen am 24.08.2024.