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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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der auf das Verhältniß zwischen Staat und Kirche bezüglichen Gesetzgebung
Frankreichs ist:

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt, sondern gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist." Daraus ergiebt sich dann Folgendes:

In weltlichen Dingen hat die Kirche keine Autorität, kann nament¬
lich weder direct noch indirect die Unterthanen ihrer Pflicht entbinden oder
ihre Eide lösen. -- Auch in geistlichen Dingen ist die Autorität der "Stell¬
vertreter Christi" beschränkt durch die Beschlüsse des Concils von Constanz.
Ebenso sind die Gewohnheiten und Konstitutionen der französischen Kirche zu
respectiren. Obwohl der Papst den Hauptantheil an Fragen des Glaubens
hat, so ist sein Urtheil gleichwohl nicht iri-ekormMo, wenn nicht die Zustim¬
mung der Kirche hinzutritt.

Jede Versammlung von Bürgern zu Zwecken des Gottesdienstes ist
der Ueberwachung durch die Obrigkeit unterworfen, welche letztere sich jedoch
auf Zwecke der Sicherheits-Polizei beschränkt. Es ist allen Behörden und
Privatpersonen verboten, die Heiligung des Feiertages zu erzwin¬
gen. Die Kommunen oder Sectionen derselben dürfen im Collectio-Namen
keine Lokale für irgend einen Cultus kaufen oder miethen. Keine dauernde
oder lebenslängliche Dotation darf ausgeworfen, keine Steuer auferlegt
werden behufs Bestreitung der Kosten irgend eines Cultus oder für die
Wohnung des Geistlichen. Alle den obigen Bestimmungen zuwiderlaufende
Kontrakte, Abkommen :c. sind Null. Beamte, die dabei concurriren, werden
strafbar. Verboten ist, die Zeichen irgend eines Cultus anderswo aufzu¬
stellen, als in den für den Cultus bestimmten Häusern, in Privathäusern,
Läden und Museen. Religiöse Ceremonien dürfen nur in den dafür
b'estima ten Gebäuden abgehalten werden. Auch in Privathäusern, wenn
außer den Bewohnern nicht mehr als 10 Personen gegenwärtig sind.

Verboten ist, in Civil Stands-Registern irgendwelche von Geistlichen
ausgehende Bescheinigung zu Grunde zu legen oder nur zu erwähnen.

Schon nach dem Gesetz vom 8. April 1802 (Konkordat) werden Erz-
bischöfe und Bischöfe durch den Ersten Consul ernannt; zuvor sind die
Grenzen sämmtlicher Erzbisthümer und Bisthümer zu verändern. Die Bi¬
schöfe schwören dem Ersten Consul Gehorsam und Treue der Regierung,
schwören auch, kein Einverständniß zu unterhalten, bei keiner Berathung gegen¬
wärtig zu sein und zu keinem Bunde, weder im Innern noch nach Außen,
zu gehören, der gegen die öffentliche Ruhe gerichtet ist. -- Die Geistlichen
zweiten Ranges leisten denselben Eid an Regierungs-Beamte. Auch die Bi¬
schöfe haben eine neue Abgrenzung der Parochien vorzunehmen, die erst nach
Genehmigung der Regierung Giltigkeit haben. Die Pfarrgeistlichen werden
durch die Bischöfe ernannt, müssen jedoch der Regierung personae graw"


der auf das Verhältniß zwischen Staat und Kirche bezüglichen Gesetzgebung
Frankreichs ist:

„Mein Reich ist nicht von dieser Welt, sondern gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist." Daraus ergiebt sich dann Folgendes:

In weltlichen Dingen hat die Kirche keine Autorität, kann nament¬
lich weder direct noch indirect die Unterthanen ihrer Pflicht entbinden oder
ihre Eide lösen. — Auch in geistlichen Dingen ist die Autorität der „Stell¬
vertreter Christi" beschränkt durch die Beschlüsse des Concils von Constanz.
Ebenso sind die Gewohnheiten und Konstitutionen der französischen Kirche zu
respectiren. Obwohl der Papst den Hauptantheil an Fragen des Glaubens
hat, so ist sein Urtheil gleichwohl nicht iri-ekormMo, wenn nicht die Zustim¬
mung der Kirche hinzutritt.

Jede Versammlung von Bürgern zu Zwecken des Gottesdienstes ist
der Ueberwachung durch die Obrigkeit unterworfen, welche letztere sich jedoch
auf Zwecke der Sicherheits-Polizei beschränkt. Es ist allen Behörden und
Privatpersonen verboten, die Heiligung des Feiertages zu erzwin¬
gen. Die Kommunen oder Sectionen derselben dürfen im Collectio-Namen
keine Lokale für irgend einen Cultus kaufen oder miethen. Keine dauernde
oder lebenslängliche Dotation darf ausgeworfen, keine Steuer auferlegt
werden behufs Bestreitung der Kosten irgend eines Cultus oder für die
Wohnung des Geistlichen. Alle den obigen Bestimmungen zuwiderlaufende
Kontrakte, Abkommen :c. sind Null. Beamte, die dabei concurriren, werden
strafbar. Verboten ist, die Zeichen irgend eines Cultus anderswo aufzu¬
stellen, als in den für den Cultus bestimmten Häusern, in Privathäusern,
Läden und Museen. Religiöse Ceremonien dürfen nur in den dafür
b'estima ten Gebäuden abgehalten werden. Auch in Privathäusern, wenn
außer den Bewohnern nicht mehr als 10 Personen gegenwärtig sind.

Verboten ist, in Civil Stands-Registern irgendwelche von Geistlichen
ausgehende Bescheinigung zu Grunde zu legen oder nur zu erwähnen.

Schon nach dem Gesetz vom 8. April 1802 (Konkordat) werden Erz-
bischöfe und Bischöfe durch den Ersten Consul ernannt; zuvor sind die
Grenzen sämmtlicher Erzbisthümer und Bisthümer zu verändern. Die Bi¬
schöfe schwören dem Ersten Consul Gehorsam und Treue der Regierung,
schwören auch, kein Einverständniß zu unterhalten, bei keiner Berathung gegen¬
wärtig zu sein und zu keinem Bunde, weder im Innern noch nach Außen,
zu gehören, der gegen die öffentliche Ruhe gerichtet ist. — Die Geistlichen
zweiten Ranges leisten denselben Eid an Regierungs-Beamte. Auch die Bi¬
schöfe haben eine neue Abgrenzung der Parochien vorzunehmen, die erst nach
Genehmigung der Regierung Giltigkeit haben. Die Pfarrgeistlichen werden
durch die Bischöfe ernannt, müssen jedoch der Regierung personae graw«


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[0357] der auf das Verhältniß zwischen Staat und Kirche bezüglichen Gesetzgebung Frankreichs ist: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt, sondern gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." Daraus ergiebt sich dann Folgendes: In weltlichen Dingen hat die Kirche keine Autorität, kann nament¬ lich weder direct noch indirect die Unterthanen ihrer Pflicht entbinden oder ihre Eide lösen. — Auch in geistlichen Dingen ist die Autorität der „Stell¬ vertreter Christi" beschränkt durch die Beschlüsse des Concils von Constanz. Ebenso sind die Gewohnheiten und Konstitutionen der französischen Kirche zu respectiren. Obwohl der Papst den Hauptantheil an Fragen des Glaubens hat, so ist sein Urtheil gleichwohl nicht iri-ekormMo, wenn nicht die Zustim¬ mung der Kirche hinzutritt. Jede Versammlung von Bürgern zu Zwecken des Gottesdienstes ist der Ueberwachung durch die Obrigkeit unterworfen, welche letztere sich jedoch auf Zwecke der Sicherheits-Polizei beschränkt. Es ist allen Behörden und Privatpersonen verboten, die Heiligung des Feiertages zu erzwin¬ gen. Die Kommunen oder Sectionen derselben dürfen im Collectio-Namen keine Lokale für irgend einen Cultus kaufen oder miethen. Keine dauernde oder lebenslängliche Dotation darf ausgeworfen, keine Steuer auferlegt werden behufs Bestreitung der Kosten irgend eines Cultus oder für die Wohnung des Geistlichen. Alle den obigen Bestimmungen zuwiderlaufende Kontrakte, Abkommen :c. sind Null. Beamte, die dabei concurriren, werden strafbar. Verboten ist, die Zeichen irgend eines Cultus anderswo aufzu¬ stellen, als in den für den Cultus bestimmten Häusern, in Privathäusern, Läden und Museen. Religiöse Ceremonien dürfen nur in den dafür b'estima ten Gebäuden abgehalten werden. Auch in Privathäusern, wenn außer den Bewohnern nicht mehr als 10 Personen gegenwärtig sind. Verboten ist, in Civil Stands-Registern irgendwelche von Geistlichen ausgehende Bescheinigung zu Grunde zu legen oder nur zu erwähnen. Schon nach dem Gesetz vom 8. April 1802 (Konkordat) werden Erz- bischöfe und Bischöfe durch den Ersten Consul ernannt; zuvor sind die Grenzen sämmtlicher Erzbisthümer und Bisthümer zu verändern. Die Bi¬ schöfe schwören dem Ersten Consul Gehorsam und Treue der Regierung, schwören auch, kein Einverständniß zu unterhalten, bei keiner Berathung gegen¬ wärtig zu sein und zu keinem Bunde, weder im Innern noch nach Außen, zu gehören, der gegen die öffentliche Ruhe gerichtet ist. — Die Geistlichen zweiten Ranges leisten denselben Eid an Regierungs-Beamte. Auch die Bi¬ schöfe haben eine neue Abgrenzung der Parochien vorzunehmen, die erst nach Genehmigung der Regierung Giltigkeit haben. Die Pfarrgeistlichen werden durch die Bischöfe ernannt, müssen jedoch der Regierung personae graw«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/357>, abgerufen am 24.08.2024.