Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen unter Dabelow's fruchtbarer Feder nicht geruht. Fast jede Nummer der
Staatszeitung hatte neue Gesetze gebracht. Unter' dem 18. April war mit
einem Gesetzartikel zu dem seit dem 1. März in Kraft getretenen eocle M>
IwI6on (civil) und dem ooäs <le xi've66ure civile, der unfehlbar vom 1. Juli
an Kraft erhalten solle, der noae de commerce und der noae criminel,
sowohl der eigentliche Strafcodex als der noae ä'instruction, mit Gesetzeskraft
vom 1. Juli eingeführt und auf erläuternde und applicirende Gesetze sowie auf
transitorische Gesetze Hoffnung gemacht, welche niemals erfüllt worden ist!
Unter dem 3. Mai war ferner zur Ausführung der decretirten allgemeinen
Wehrpflicht ein für die kleinlichen Verhältnisse des Herzogthums unnöthig
hartes, vielfache Willkürlichkeiten enthaltendes Conscriptionsgesetz mit
einer Wehrpflicht in drei Losungsklassen vom 18. bis 29. Jahre, mit einem
conseil as recruteinent für das Recrutirungsgeschäft und einem con-
seil militaire permanent als Strafbehörde der Deserteurs und Refrac-
tairs sowie mit enormen Strafen (der Strafe "für alle Fälle") für Desertion
und ansehnlichen Strafen (Geldstrafen von 1500 bis 4000 Francs) für Ver¬
fehlungen des Präfecten und der maires bei Desertionen :c.*) veröffentlicht**)
Sodann war unter dem 11. April -- mit Bezugnahme auf "die decretirte
Gleichheit vor dem Gesetz" -- ein neues, drückendes Stempeledict erlassen,
welches höchst bedeutende Werthstempel bei Acten der freiwilligen Gerichts¬
barkeit und einen Erbschaftsstempel einführt, der selbst Descendenten, Ascendenten
und Ehegatten nicht verschont. Auch war unter dem 18. April das Accise-,
Zoll- und Chausseewesen unter 4 Jnspectionen, einen Directeur und
einen höhern Controleur (den Staatsrathsauditor Bayer) gebracht worden, um
später, gerade nach einem Monat, mit den directen Steuern und zugleich den Ein¬
künften der Domänen und Regalien, welche je einen direeteur aus dem
Personal der factisch aufgelösten Rentkammer erhielten, noch einem unter Con-
trole der 3 Direeteurs stehenden General-Receveur, und etwa nach
einem Vierteljahre wiederum einer neuen, collegialisch eingerichteten, aus




^ Es heißt z. V.: "derjenige wairo, welcher nicht auf das genaueste nachweisen kann,
wo sich ein vermißter Conscribirter befindet, und der nicht augenblicklich bei Austretung eines
Conseribirten hierüber an den commandirenden Officier des Rcerutirungsgeschäfts berichtet, wird
mit einer Geldstrafe von 1S00 Francs belegt (Art. 17). Der mairs, in dessen Canton sich
ein ausgetretener Conscribirter oder Deserteur wieder eingefunden hat, und er solchen nicht
gleich hat aufgreifen und abliefern lassen, wird cassirt und mit einer Geldstrafe von Is00
Francs belegt (Art. 18)." Dasselbe gilt auch in den beiden vorhergehenden Fällen von den
Commune-wairos (Art. 19).
Kurze Zeit nach diesem Gesetz erschien eine andere Verordnung, welche die ernste Voll¬
ziehung desselben befiehlt. Am Schlüsse enthält diese Verordnung folgende Bestimmung, die
als Beweis einer unerhörten Vielregiererei angeführt zu werden verdient- Art. 12: "vom 6.
Mai d. I. an darf kein junger Mann sich auf eine Universität ohne Unsere
ausdrückliche Bewilligung begeben."

gen unter Dabelow's fruchtbarer Feder nicht geruht. Fast jede Nummer der
Staatszeitung hatte neue Gesetze gebracht. Unter' dem 18. April war mit
einem Gesetzartikel zu dem seit dem 1. März in Kraft getretenen eocle M>
IwI6on (civil) und dem ooäs <le xi've66ure civile, der unfehlbar vom 1. Juli
an Kraft erhalten solle, der noae de commerce und der noae criminel,
sowohl der eigentliche Strafcodex als der noae ä'instruction, mit Gesetzeskraft
vom 1. Juli eingeführt und auf erläuternde und applicirende Gesetze sowie auf
transitorische Gesetze Hoffnung gemacht, welche niemals erfüllt worden ist!
Unter dem 3. Mai war ferner zur Ausführung der decretirten allgemeinen
Wehrpflicht ein für die kleinlichen Verhältnisse des Herzogthums unnöthig
hartes, vielfache Willkürlichkeiten enthaltendes Conscriptionsgesetz mit
einer Wehrpflicht in drei Losungsklassen vom 18. bis 29. Jahre, mit einem
conseil as recruteinent für das Recrutirungsgeschäft und einem con-
seil militaire permanent als Strafbehörde der Deserteurs und Refrac-
tairs sowie mit enormen Strafen (der Strafe „für alle Fälle") für Desertion
und ansehnlichen Strafen (Geldstrafen von 1500 bis 4000 Francs) für Ver¬
fehlungen des Präfecten und der maires bei Desertionen :c.*) veröffentlicht**)
Sodann war unter dem 11. April — mit Bezugnahme auf „die decretirte
Gleichheit vor dem Gesetz" — ein neues, drückendes Stempeledict erlassen,
welches höchst bedeutende Werthstempel bei Acten der freiwilligen Gerichts¬
barkeit und einen Erbschaftsstempel einführt, der selbst Descendenten, Ascendenten
und Ehegatten nicht verschont. Auch war unter dem 18. April das Accise-,
Zoll- und Chausseewesen unter 4 Jnspectionen, einen Directeur und
einen höhern Controleur (den Staatsrathsauditor Bayer) gebracht worden, um
später, gerade nach einem Monat, mit den directen Steuern und zugleich den Ein¬
künften der Domänen und Regalien, welche je einen direeteur aus dem
Personal der factisch aufgelösten Rentkammer erhielten, noch einem unter Con-
trole der 3 Direeteurs stehenden General-Receveur, und etwa nach
einem Vierteljahre wiederum einer neuen, collegialisch eingerichteten, aus




^ Es heißt z. V.: „derjenige wairo, welcher nicht auf das genaueste nachweisen kann,
wo sich ein vermißter Conscribirter befindet, und der nicht augenblicklich bei Austretung eines
Conseribirten hierüber an den commandirenden Officier des Rcerutirungsgeschäfts berichtet, wird
mit einer Geldstrafe von 1S00 Francs belegt (Art. 17). Der mairs, in dessen Canton sich
ein ausgetretener Conscribirter oder Deserteur wieder eingefunden hat, und er solchen nicht
gleich hat aufgreifen und abliefern lassen, wird cassirt und mit einer Geldstrafe von Is00
Francs belegt (Art. 18)." Dasselbe gilt auch in den beiden vorhergehenden Fällen von den
Commune-wairos (Art. 19).
Kurze Zeit nach diesem Gesetz erschien eine andere Verordnung, welche die ernste Voll¬
ziehung desselben befiehlt. Am Schlüsse enthält diese Verordnung folgende Bestimmung, die
als Beweis einer unerhörten Vielregiererei angeführt zu werden verdient- Art. 12: „vom 6.
Mai d. I. an darf kein junger Mann sich auf eine Universität ohne Unsere
ausdrückliche Bewilligung begeben."
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129344"/>
            <p xml:id="ID_1149" prev="#ID_1148" next="#ID_1150"> gen unter Dabelow's fruchtbarer Feder nicht geruht. Fast jede Nummer der<lb/>
Staatszeitung hatte neue Gesetze gebracht. Unter' dem 18. April war mit<lb/>
einem Gesetzartikel zu dem seit dem 1. März in Kraft getretenen eocle M&gt;<lb/>
IwI6on (civil) und dem ooäs &lt;le xi've66ure civile, der unfehlbar vom 1. Juli<lb/>
an Kraft erhalten solle, der noae de commerce und der noae criminel,<lb/>
sowohl der eigentliche Strafcodex als der noae ä'instruction, mit Gesetzeskraft<lb/>
vom 1. Juli eingeführt und auf erläuternde und applicirende Gesetze sowie auf<lb/>
transitorische Gesetze Hoffnung gemacht, welche niemals erfüllt worden ist!<lb/>
Unter dem 3. Mai war ferner zur Ausführung der decretirten allgemeinen<lb/>
Wehrpflicht ein für die kleinlichen Verhältnisse des Herzogthums unnöthig<lb/>
hartes, vielfache Willkürlichkeiten enthaltendes Conscriptionsgesetz mit<lb/>
einer Wehrpflicht in drei Losungsklassen vom 18. bis 29. Jahre, mit einem<lb/>
conseil as recruteinent für das Recrutirungsgeschäft und einem con-<lb/>
seil militaire permanent als Strafbehörde der Deserteurs und Refrac-<lb/>
tairs sowie mit enormen Strafen (der Strafe &#x201E;für alle Fälle") für Desertion<lb/>
und ansehnlichen Strafen (Geldstrafen von 1500 bis 4000 Francs) für Ver¬<lb/>
fehlungen des Präfecten und der maires bei Desertionen :c.*) veröffentlicht**)<lb/>
Sodann war unter dem 11. April &#x2014; mit Bezugnahme auf &#x201E;die decretirte<lb/>
Gleichheit vor dem Gesetz" &#x2014; ein neues, drückendes Stempeledict erlassen,<lb/>
welches höchst bedeutende Werthstempel bei Acten der freiwilligen Gerichts¬<lb/>
barkeit und einen Erbschaftsstempel einführt, der selbst Descendenten, Ascendenten<lb/>
und Ehegatten nicht verschont. Auch war unter dem 18. April das Accise-,<lb/>
Zoll- und Chausseewesen unter 4 Jnspectionen, einen Directeur und<lb/>
einen höhern Controleur (den Staatsrathsauditor Bayer) gebracht worden, um<lb/>
später, gerade nach einem Monat, mit den directen Steuern und zugleich den Ein¬<lb/>
künften der Domänen und Regalien, welche je einen direeteur aus dem<lb/>
Personal der factisch aufgelösten Rentkammer erhielten, noch einem unter Con-<lb/>
trole der 3 Direeteurs stehenden General-Receveur, und etwa nach<lb/>
einem Vierteljahre wiederum einer neuen, collegialisch eingerichteten, aus</p><lb/>
            <note xml:id="FID_87" place="foot"> ^ Es heißt z. V.: &#x201E;derjenige wairo, welcher nicht auf das genaueste nachweisen kann,<lb/>
wo sich ein vermißter Conscribirter befindet, und der nicht augenblicklich bei Austretung eines<lb/>
Conseribirten hierüber an den commandirenden Officier des Rcerutirungsgeschäfts berichtet, wird<lb/>
mit einer Geldstrafe von 1S00 Francs belegt (Art. 17). Der mairs, in dessen Canton sich<lb/>
ein ausgetretener Conscribirter oder Deserteur wieder eingefunden hat, und er solchen nicht<lb/>
gleich hat aufgreifen und abliefern lassen, wird cassirt und mit einer Geldstrafe von Is00<lb/>
Francs belegt (Art. 18)." Dasselbe gilt auch in den beiden vorhergehenden Fällen von den<lb/>
Commune-wairos (Art. 19).</note><lb/>
            <note xml:id="FID_88" place="foot"> Kurze Zeit nach diesem Gesetz erschien eine andere Verordnung, welche die ernste Voll¬<lb/>
ziehung desselben befiehlt. Am Schlüsse enthält diese Verordnung folgende Bestimmung, die<lb/>
als Beweis einer unerhörten Vielregiererei angeführt zu werden verdient- Art. 12: &#x201E;vom 6.<lb/>
Mai d. I. an darf kein junger Mann sich auf eine Universität ohne Unsere<lb/>
ausdrückliche Bewilligung begeben."</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0352] gen unter Dabelow's fruchtbarer Feder nicht geruht. Fast jede Nummer der Staatszeitung hatte neue Gesetze gebracht. Unter' dem 18. April war mit einem Gesetzartikel zu dem seit dem 1. März in Kraft getretenen eocle M> IwI6on (civil) und dem ooäs <le xi've66ure civile, der unfehlbar vom 1. Juli an Kraft erhalten solle, der noae de commerce und der noae criminel, sowohl der eigentliche Strafcodex als der noae ä'instruction, mit Gesetzeskraft vom 1. Juli eingeführt und auf erläuternde und applicirende Gesetze sowie auf transitorische Gesetze Hoffnung gemacht, welche niemals erfüllt worden ist! Unter dem 3. Mai war ferner zur Ausführung der decretirten allgemeinen Wehrpflicht ein für die kleinlichen Verhältnisse des Herzogthums unnöthig hartes, vielfache Willkürlichkeiten enthaltendes Conscriptionsgesetz mit einer Wehrpflicht in drei Losungsklassen vom 18. bis 29. Jahre, mit einem conseil as recruteinent für das Recrutirungsgeschäft und einem con- seil militaire permanent als Strafbehörde der Deserteurs und Refrac- tairs sowie mit enormen Strafen (der Strafe „für alle Fälle") für Desertion und ansehnlichen Strafen (Geldstrafen von 1500 bis 4000 Francs) für Ver¬ fehlungen des Präfecten und der maires bei Desertionen :c.*) veröffentlicht**) Sodann war unter dem 11. April — mit Bezugnahme auf „die decretirte Gleichheit vor dem Gesetz" — ein neues, drückendes Stempeledict erlassen, welches höchst bedeutende Werthstempel bei Acten der freiwilligen Gerichts¬ barkeit und einen Erbschaftsstempel einführt, der selbst Descendenten, Ascendenten und Ehegatten nicht verschont. Auch war unter dem 18. April das Accise-, Zoll- und Chausseewesen unter 4 Jnspectionen, einen Directeur und einen höhern Controleur (den Staatsrathsauditor Bayer) gebracht worden, um später, gerade nach einem Monat, mit den directen Steuern und zugleich den Ein¬ künften der Domänen und Regalien, welche je einen direeteur aus dem Personal der factisch aufgelösten Rentkammer erhielten, noch einem unter Con- trole der 3 Direeteurs stehenden General-Receveur, und etwa nach einem Vierteljahre wiederum einer neuen, collegialisch eingerichteten, aus ^ Es heißt z. V.: „derjenige wairo, welcher nicht auf das genaueste nachweisen kann, wo sich ein vermißter Conscribirter befindet, und der nicht augenblicklich bei Austretung eines Conseribirten hierüber an den commandirenden Officier des Rcerutirungsgeschäfts berichtet, wird mit einer Geldstrafe von 1S00 Francs belegt (Art. 17). Der mairs, in dessen Canton sich ein ausgetretener Conscribirter oder Deserteur wieder eingefunden hat, und er solchen nicht gleich hat aufgreifen und abliefern lassen, wird cassirt und mit einer Geldstrafe von Is00 Francs belegt (Art. 18)." Dasselbe gilt auch in den beiden vorhergehenden Fällen von den Commune-wairos (Art. 19). Kurze Zeit nach diesem Gesetz erschien eine andere Verordnung, welche die ernste Voll¬ ziehung desselben befiehlt. Am Schlüsse enthält diese Verordnung folgende Bestimmung, die als Beweis einer unerhörten Vielregiererei angeführt zu werden verdient- Art. 12: „vom 6. Mai d. I. an darf kein junger Mann sich auf eine Universität ohne Unsere ausdrückliche Bewilligung begeben."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/352
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/352>, abgerufen am 24.08.2024.