Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rathsauditor und zwei oder vier einberufene Juristen verstärkt werden soll, die Geschäfte
eines Juristenhofs für Competenzconflicte und Verwaltungsstreitigkeiten, bei ähnlicher
Verstärkung, und endlich die Geschäfte eines Nechnungshofs, zu denen er, außer der
Verstärkung durch zwei Deputirte der Stände, Unterbeamte unter dem Titel eines
Nechnungsraths und eines inaitrs äos oomxtizg erhielt. Zu diesen Ge¬
schäften kamen mittelst späterer Verordnungen noch die Geschäfte eines Lehnhofs, einer
Commission für die Angelegenheiten der Erlauchten Personen, sowie unter Verstärkung
durch drei auswärtige renommirte Juristen die Function eines Gerichtshofs für die Ver¬
zeihungen der Mitglieder des herzoglichen Hauses und für die Dienstvergehen der Staats¬
rathsmitglieder, des Ministers und des Präfecten hinzu. -- In der Wirksamkeit als Cassations-
und Justizhof soll der Staatsrath von dem Staatsrath-Justizminister zusammenberufen wer¬
den und unter seinem Vorsitz berathen, während er sich in allen seinen übrigen Func-
tionen nur auf landesherrlichen Befehl und unter dem Vorsitz des Landesherrn, eines
Prinzen oder eines besonders dazu ernannten hohen Staatsbeamten versammeln darf.
Das alni störe xudlio (Staatsanwaltschaft) bei dem Staats rath soll in ge¬
wissen Fällen der General-Procureur, in gewissen anderen der Staatsraths-Auditor
verwalten.

Von allen nun bereits mitgetheilten Organisationsgesetzen zeigt wohl
keins so sehr wie dieses gegenwärtige die Unmöglichkeit, die Institute des da¬
maligen ungeheuren Frankreich aus das winzige Cöthen zu übertragen.
Welche Fülle von Funktionen der verschiedensten Art häuft sich hier auf eine
kleine Behörde; und mag dadurch unter den kleinlichen Verhältnissen die Ar¬
beitslast derselben auch nicht so bedeutend geworden sein, so ist doch für ge¬
wisse Functionen, z. B. für den Cassationshof. die Zahl von 2 Mitgliedern,
selbst in dem kleinsten Ländchen, eine lächerliche. Mit unverhohlener Sehn¬
sucht weist daher Dabelow in einem mir vorliegenden, dem Edict vorausge¬
henden Bericht auf die 45 Richter des französischen Cassationshofs hin im
Gegensatz zu den zwei in Cöthen vorhandenen, da doch weder der Landesherr
selbst, noch ein Prinz einem Gerichtshof Präsidiren könne, und es blieb kein
Ausweg übrig, als die vorhandene Anzahl Richter durch eine überwiegende
Anzahl herzugerufener Hülfsrichter zu ergänzen, deren Herbeischaffung übrigens
bei der enormen Verschwendung der Arbeitskräfte zur Besetzung der neuen
Aemter gleichfalls die größten Schwierigkeiten verursachte. -- Aus diesem Be¬
richt Dabelow's an den Herzog ist übrigens noch eine Stelle hervor zu heben,
welche auf den Standpunkt Dabelow's zum Herzog und der neuen Institu¬
tion, ein eigenthümliches Licht wirft. Es heißt da wörtlich: "Ueberall, glaube
ich, muß man sich sehr in Acht nehmen, nicht gegen die Lieblingsideen des
französischen Kaisers anzustoßen, der die Regierung von sich allein abhängig,
die Justiz dagegen -- wenigstens^dem äußern Scheine nach -- ganz
unabhängig von sich wissen will, und in diese Ideen so verliebt ist, daß er
Alles haßt, was sich davon entfernt." An einer andern Stelle wird dann
nochmals erwähnt, daß nach dem Grundsatz Napoleons die Justiz in den


rathsauditor und zwei oder vier einberufene Juristen verstärkt werden soll, die Geschäfte
eines Juristenhofs für Competenzconflicte und Verwaltungsstreitigkeiten, bei ähnlicher
Verstärkung, und endlich die Geschäfte eines Nechnungshofs, zu denen er, außer der
Verstärkung durch zwei Deputirte der Stände, Unterbeamte unter dem Titel eines
Nechnungsraths und eines inaitrs äos oomxtizg erhielt. Zu diesen Ge¬
schäften kamen mittelst späterer Verordnungen noch die Geschäfte eines Lehnhofs, einer
Commission für die Angelegenheiten der Erlauchten Personen, sowie unter Verstärkung
durch drei auswärtige renommirte Juristen die Function eines Gerichtshofs für die Ver¬
zeihungen der Mitglieder des herzoglichen Hauses und für die Dienstvergehen der Staats¬
rathsmitglieder, des Ministers und des Präfecten hinzu. — In der Wirksamkeit als Cassations-
und Justizhof soll der Staatsrath von dem Staatsrath-Justizminister zusammenberufen wer¬
den und unter seinem Vorsitz berathen, während er sich in allen seinen übrigen Func-
tionen nur auf landesherrlichen Befehl und unter dem Vorsitz des Landesherrn, eines
Prinzen oder eines besonders dazu ernannten hohen Staatsbeamten versammeln darf.
Das alni störe xudlio (Staatsanwaltschaft) bei dem Staats rath soll in ge¬
wissen Fällen der General-Procureur, in gewissen anderen der Staatsraths-Auditor
verwalten.

Von allen nun bereits mitgetheilten Organisationsgesetzen zeigt wohl
keins so sehr wie dieses gegenwärtige die Unmöglichkeit, die Institute des da¬
maligen ungeheuren Frankreich aus das winzige Cöthen zu übertragen.
Welche Fülle von Funktionen der verschiedensten Art häuft sich hier auf eine
kleine Behörde; und mag dadurch unter den kleinlichen Verhältnissen die Ar¬
beitslast derselben auch nicht so bedeutend geworden sein, so ist doch für ge¬
wisse Functionen, z. B. für den Cassationshof. die Zahl von 2 Mitgliedern,
selbst in dem kleinsten Ländchen, eine lächerliche. Mit unverhohlener Sehn¬
sucht weist daher Dabelow in einem mir vorliegenden, dem Edict vorausge¬
henden Bericht auf die 45 Richter des französischen Cassationshofs hin im
Gegensatz zu den zwei in Cöthen vorhandenen, da doch weder der Landesherr
selbst, noch ein Prinz einem Gerichtshof Präsidiren könne, und es blieb kein
Ausweg übrig, als die vorhandene Anzahl Richter durch eine überwiegende
Anzahl herzugerufener Hülfsrichter zu ergänzen, deren Herbeischaffung übrigens
bei der enormen Verschwendung der Arbeitskräfte zur Besetzung der neuen
Aemter gleichfalls die größten Schwierigkeiten verursachte. — Aus diesem Be¬
richt Dabelow's an den Herzog ist übrigens noch eine Stelle hervor zu heben,
welche auf den Standpunkt Dabelow's zum Herzog und der neuen Institu¬
tion, ein eigenthümliches Licht wirft. Es heißt da wörtlich: „Ueberall, glaube
ich, muß man sich sehr in Acht nehmen, nicht gegen die Lieblingsideen des
französischen Kaisers anzustoßen, der die Regierung von sich allein abhängig,
die Justiz dagegen — wenigstens^dem äußern Scheine nach — ganz
unabhängig von sich wissen will, und in diese Ideen so verliebt ist, daß er
Alles haßt, was sich davon entfernt." An einer andern Stelle wird dann
nochmals erwähnt, daß nach dem Grundsatz Napoleons die Justiz in den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129342"/>
            <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> rathsauditor und zwei oder vier einberufene Juristen verstärkt werden soll, die Geschäfte<lb/>
eines Juristenhofs für Competenzconflicte und Verwaltungsstreitigkeiten, bei ähnlicher<lb/>
Verstärkung, und endlich die Geschäfte eines Nechnungshofs, zu denen er, außer der<lb/>
Verstärkung durch zwei Deputirte der Stände, Unterbeamte unter dem Titel eines<lb/>
Nechnungsraths und eines inaitrs äos oomxtizg erhielt. Zu diesen Ge¬<lb/>
schäften kamen mittelst späterer Verordnungen noch die Geschäfte eines Lehnhofs, einer<lb/>
Commission für die Angelegenheiten der Erlauchten Personen, sowie unter Verstärkung<lb/>
durch drei auswärtige renommirte Juristen die Function eines Gerichtshofs für die Ver¬<lb/>
zeihungen der Mitglieder des herzoglichen Hauses und für die Dienstvergehen der Staats¬<lb/>
rathsmitglieder, des Ministers und des Präfecten hinzu. &#x2014; In der Wirksamkeit als Cassations-<lb/>
und Justizhof soll der Staatsrath von dem Staatsrath-Justizminister zusammenberufen wer¬<lb/>
den und unter seinem Vorsitz berathen, während er sich in allen seinen übrigen Func-<lb/>
tionen nur auf landesherrlichen Befehl und unter dem Vorsitz des Landesherrn, eines<lb/>
Prinzen oder eines besonders dazu ernannten hohen Staatsbeamten versammeln darf.<lb/>
Das alni störe xudlio (Staatsanwaltschaft) bei dem Staats rath soll in ge¬<lb/>
wissen Fällen der General-Procureur, in gewissen anderen der Staatsraths-Auditor<lb/>
verwalten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1144" next="#ID_1145"> Von allen nun bereits mitgetheilten Organisationsgesetzen zeigt wohl<lb/>
keins so sehr wie dieses gegenwärtige die Unmöglichkeit, die Institute des da¬<lb/>
maligen ungeheuren Frankreich aus das winzige Cöthen zu übertragen.<lb/>
Welche Fülle von Funktionen der verschiedensten Art häuft sich hier auf eine<lb/>
kleine Behörde; und mag dadurch unter den kleinlichen Verhältnissen die Ar¬<lb/>
beitslast derselben auch nicht so bedeutend geworden sein, so ist doch für ge¬<lb/>
wisse Functionen, z. B. für den Cassationshof. die Zahl von 2 Mitgliedern,<lb/>
selbst in dem kleinsten Ländchen, eine lächerliche. Mit unverhohlener Sehn¬<lb/>
sucht weist daher Dabelow in einem mir vorliegenden, dem Edict vorausge¬<lb/>
henden Bericht auf die 45 Richter des französischen Cassationshofs hin im<lb/>
Gegensatz zu den zwei in Cöthen vorhandenen, da doch weder der Landesherr<lb/>
selbst, noch ein Prinz einem Gerichtshof Präsidiren könne, und es blieb kein<lb/>
Ausweg übrig, als die vorhandene Anzahl Richter durch eine überwiegende<lb/>
Anzahl herzugerufener Hülfsrichter zu ergänzen, deren Herbeischaffung übrigens<lb/>
bei der enormen Verschwendung der Arbeitskräfte zur Besetzung der neuen<lb/>
Aemter gleichfalls die größten Schwierigkeiten verursachte. &#x2014; Aus diesem Be¬<lb/>
richt Dabelow's an den Herzog ist übrigens noch eine Stelle hervor zu heben,<lb/>
welche auf den Standpunkt Dabelow's zum Herzog und der neuen Institu¬<lb/>
tion, ein eigenthümliches Licht wirft. Es heißt da wörtlich: &#x201E;Ueberall, glaube<lb/>
ich, muß man sich sehr in Acht nehmen, nicht gegen die Lieblingsideen des<lb/>
französischen Kaisers anzustoßen, der die Regierung von sich allein abhängig,<lb/>
die Justiz dagegen &#x2014; wenigstens^dem äußern Scheine nach &#x2014; ganz<lb/>
unabhängig von sich wissen will, und in diese Ideen so verliebt ist, daß er<lb/>
Alles haßt, was sich davon entfernt." An einer andern Stelle wird dann<lb/>
nochmals erwähnt, daß nach dem Grundsatz Napoleons die Justiz in den</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] rathsauditor und zwei oder vier einberufene Juristen verstärkt werden soll, die Geschäfte eines Juristenhofs für Competenzconflicte und Verwaltungsstreitigkeiten, bei ähnlicher Verstärkung, und endlich die Geschäfte eines Nechnungshofs, zu denen er, außer der Verstärkung durch zwei Deputirte der Stände, Unterbeamte unter dem Titel eines Nechnungsraths und eines inaitrs äos oomxtizg erhielt. Zu diesen Ge¬ schäften kamen mittelst späterer Verordnungen noch die Geschäfte eines Lehnhofs, einer Commission für die Angelegenheiten der Erlauchten Personen, sowie unter Verstärkung durch drei auswärtige renommirte Juristen die Function eines Gerichtshofs für die Ver¬ zeihungen der Mitglieder des herzoglichen Hauses und für die Dienstvergehen der Staats¬ rathsmitglieder, des Ministers und des Präfecten hinzu. — In der Wirksamkeit als Cassations- und Justizhof soll der Staatsrath von dem Staatsrath-Justizminister zusammenberufen wer¬ den und unter seinem Vorsitz berathen, während er sich in allen seinen übrigen Func- tionen nur auf landesherrlichen Befehl und unter dem Vorsitz des Landesherrn, eines Prinzen oder eines besonders dazu ernannten hohen Staatsbeamten versammeln darf. Das alni störe xudlio (Staatsanwaltschaft) bei dem Staats rath soll in ge¬ wissen Fällen der General-Procureur, in gewissen anderen der Staatsraths-Auditor verwalten. Von allen nun bereits mitgetheilten Organisationsgesetzen zeigt wohl keins so sehr wie dieses gegenwärtige die Unmöglichkeit, die Institute des da¬ maligen ungeheuren Frankreich aus das winzige Cöthen zu übertragen. Welche Fülle von Funktionen der verschiedensten Art häuft sich hier auf eine kleine Behörde; und mag dadurch unter den kleinlichen Verhältnissen die Ar¬ beitslast derselben auch nicht so bedeutend geworden sein, so ist doch für ge¬ wisse Functionen, z. B. für den Cassationshof. die Zahl von 2 Mitgliedern, selbst in dem kleinsten Ländchen, eine lächerliche. Mit unverhohlener Sehn¬ sucht weist daher Dabelow in einem mir vorliegenden, dem Edict vorausge¬ henden Bericht auf die 45 Richter des französischen Cassationshofs hin im Gegensatz zu den zwei in Cöthen vorhandenen, da doch weder der Landesherr selbst, noch ein Prinz einem Gerichtshof Präsidiren könne, und es blieb kein Ausweg übrig, als die vorhandene Anzahl Richter durch eine überwiegende Anzahl herzugerufener Hülfsrichter zu ergänzen, deren Herbeischaffung übrigens bei der enormen Verschwendung der Arbeitskräfte zur Besetzung der neuen Aemter gleichfalls die größten Schwierigkeiten verursachte. — Aus diesem Be¬ richt Dabelow's an den Herzog ist übrigens noch eine Stelle hervor zu heben, welche auf den Standpunkt Dabelow's zum Herzog und der neuen Institu¬ tion, ein eigenthümliches Licht wirft. Es heißt da wörtlich: „Ueberall, glaube ich, muß man sich sehr in Acht nehmen, nicht gegen die Lieblingsideen des französischen Kaisers anzustoßen, der die Regierung von sich allein abhängig, die Justiz dagegen — wenigstens^dem äußern Scheine nach — ganz unabhängig von sich wissen will, und in diese Ideen so verliebt ist, daß er Alles haßt, was sich davon entfernt." An einer andern Stelle wird dann nochmals erwähnt, daß nach dem Grundsatz Napoleons die Justiz in den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/350>, abgerufen am 24.08.2024.