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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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sichert und durch sein amtliches Wirken bestätigt wird, ') kein bedeutender
Mann, kenntnißreich, aber ohne Tiefe und ohne schöpferische Kraft, namentlich
ohne alles organisatorische Talent. Dabei war er eitel, ehrgeizig und merigard,
gegen die Untergebenen herrisch, dem Herzoge gegenüber allzu nachgiebig
und versteckt. Wie viele seiner napoleonischen Vorbilder verstand er nur eine
Kunst, die des Geldmachens. allein für das Land hat er. wie die Folge
zeigen wird, auch diese Kunst nur in einem bestimmten, nicht eben hohen
Grade zur Anwendung bringen können, und in der Durchführung und Er¬
haltung der Verfassung blieb sein Bemühen, wie ebenfalls die Folge zeigen
wird, in den Grenzen dilettantischer Versuche. Nach dem Zusammenbruch
der französischen'Verfassung in Cöthen ist Dabelow, wie gleich hier erwähnt
werden mag, sehr bald wieder aus Anhalt verschwunden, als Wandervorleser
von einer deutschen Universität zur andern gezogen, und hat als Professor
der Rechte in Dorpat und kaiserlich russischer Collegienrath, sowie als Vater
einer großen Anzahl juristischer Werke des verschiedensten Inhalts seine Lauf¬
bahn beschlossen.

Am 14. März 1811 trat Dabelow, bald darnach in den Freiherrnstand
erhoben, in seine Function als Mitglied des Staatsraths für das Departe¬
ment des Innern, der Justiz und der Polizei wie auch des Cultus ein, neben
dem Staatsrath Berghauer, welcher seit dem vielfach bedauerten Abgange
des Staatsraths Salmuth (October 1810) alleiniges Mitglied des Staats¬
raths gewesen war. Es mußte ihm einleuchten, daß vor Allem die vorhan¬
denen Verfassungsbruchstücke zu verschmelzen, zu sichten und zu säubern seien,
und er begann dieß durch Organisation des Staatsraths, welche mittelst
eines Edicts vom 15. Mai 1811 unternommen wurde. Man erkennt in
diesem Edict sogleich den aus dem Vollen wirthschaftenden, zu großem Ruhme
emporstrebenden Gesetzgeber.

Der Staatsrath soll darnach bestehen: aus den Prinzen des herzoglichen
Hauses, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht haben, als geborenen Mitgliedern
des Staatsraths. Da der einzige vorhandene Prinz, Ludwig, damals erst 8 Jahr mit
ivar, so hätte man mit dieser Bestimmung wohl noch einige Jahre warten können!
Sodann ans ordentlichen Staats rathen, die zugleich die herzoglichen Minister
sind, nach den bereits angegebenen einzelnen Zweigen der Staatsverwaltung, endlich
aus zeitweise für besondere Fälle einberufenen Personen. Die Ge¬
schäftszweige des Staatsraths sind die Vorschläge zur Abänderung und Verbesserung
der Constitution und der allgemeinen Landesverwaltung**), die Entwerfung und Dis-
cussion der Gesetze, die Geschäfte des Cassationshofs, zu denen er durch den Staats-




*) Erinnerungen Seite 8, 6.
") Als die Constitution, wenn es erlaubt ist, so zu sagen, fertig war, bekam der Staats¬
rath in dieser Eigenschaft den Namen: "Erhaltungssenat im Staatsrathe", in harm¬
loser Erinnerung an den forat, eoussrvittom- Napoleons, welcher bekanntlich Alles dasjenige
nicht conserviren sollte, was in der Verfassung an die Revolution erinnerte.

sichert und durch sein amtliches Wirken bestätigt wird, ') kein bedeutender
Mann, kenntnißreich, aber ohne Tiefe und ohne schöpferische Kraft, namentlich
ohne alles organisatorische Talent. Dabei war er eitel, ehrgeizig und merigard,
gegen die Untergebenen herrisch, dem Herzoge gegenüber allzu nachgiebig
und versteckt. Wie viele seiner napoleonischen Vorbilder verstand er nur eine
Kunst, die des Geldmachens. allein für das Land hat er. wie die Folge
zeigen wird, auch diese Kunst nur in einem bestimmten, nicht eben hohen
Grade zur Anwendung bringen können, und in der Durchführung und Er¬
haltung der Verfassung blieb sein Bemühen, wie ebenfalls die Folge zeigen
wird, in den Grenzen dilettantischer Versuche. Nach dem Zusammenbruch
der französischen'Verfassung in Cöthen ist Dabelow, wie gleich hier erwähnt
werden mag, sehr bald wieder aus Anhalt verschwunden, als Wandervorleser
von einer deutschen Universität zur andern gezogen, und hat als Professor
der Rechte in Dorpat und kaiserlich russischer Collegienrath, sowie als Vater
einer großen Anzahl juristischer Werke des verschiedensten Inhalts seine Lauf¬
bahn beschlossen.

Am 14. März 1811 trat Dabelow, bald darnach in den Freiherrnstand
erhoben, in seine Function als Mitglied des Staatsraths für das Departe¬
ment des Innern, der Justiz und der Polizei wie auch des Cultus ein, neben
dem Staatsrath Berghauer, welcher seit dem vielfach bedauerten Abgange
des Staatsraths Salmuth (October 1810) alleiniges Mitglied des Staats¬
raths gewesen war. Es mußte ihm einleuchten, daß vor Allem die vorhan¬
denen Verfassungsbruchstücke zu verschmelzen, zu sichten und zu säubern seien,
und er begann dieß durch Organisation des Staatsraths, welche mittelst
eines Edicts vom 15. Mai 1811 unternommen wurde. Man erkennt in
diesem Edict sogleich den aus dem Vollen wirthschaftenden, zu großem Ruhme
emporstrebenden Gesetzgeber.

Der Staatsrath soll darnach bestehen: aus den Prinzen des herzoglichen
Hauses, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht haben, als geborenen Mitgliedern
des Staatsraths. Da der einzige vorhandene Prinz, Ludwig, damals erst 8 Jahr mit
ivar, so hätte man mit dieser Bestimmung wohl noch einige Jahre warten können!
Sodann ans ordentlichen Staats rathen, die zugleich die herzoglichen Minister
sind, nach den bereits angegebenen einzelnen Zweigen der Staatsverwaltung, endlich
aus zeitweise für besondere Fälle einberufenen Personen. Die Ge¬
schäftszweige des Staatsraths sind die Vorschläge zur Abänderung und Verbesserung
der Constitution und der allgemeinen Landesverwaltung**), die Entwerfung und Dis-
cussion der Gesetze, die Geschäfte des Cassationshofs, zu denen er durch den Staats-




*) Erinnerungen Seite 8, 6.
") Als die Constitution, wenn es erlaubt ist, so zu sagen, fertig war, bekam der Staats¬
rath in dieser Eigenschaft den Namen: „Erhaltungssenat im Staatsrathe", in harm¬
loser Erinnerung an den forat, eoussrvittom- Napoleons, welcher bekanntlich Alles dasjenige
nicht conserviren sollte, was in der Verfassung an die Revolution erinnerte.
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[0349] sichert und durch sein amtliches Wirken bestätigt wird, ') kein bedeutender Mann, kenntnißreich, aber ohne Tiefe und ohne schöpferische Kraft, namentlich ohne alles organisatorische Talent. Dabei war er eitel, ehrgeizig und merigard, gegen die Untergebenen herrisch, dem Herzoge gegenüber allzu nachgiebig und versteckt. Wie viele seiner napoleonischen Vorbilder verstand er nur eine Kunst, die des Geldmachens. allein für das Land hat er. wie die Folge zeigen wird, auch diese Kunst nur in einem bestimmten, nicht eben hohen Grade zur Anwendung bringen können, und in der Durchführung und Er¬ haltung der Verfassung blieb sein Bemühen, wie ebenfalls die Folge zeigen wird, in den Grenzen dilettantischer Versuche. Nach dem Zusammenbruch der französischen'Verfassung in Cöthen ist Dabelow, wie gleich hier erwähnt werden mag, sehr bald wieder aus Anhalt verschwunden, als Wandervorleser von einer deutschen Universität zur andern gezogen, und hat als Professor der Rechte in Dorpat und kaiserlich russischer Collegienrath, sowie als Vater einer großen Anzahl juristischer Werke des verschiedensten Inhalts seine Lauf¬ bahn beschlossen. Am 14. März 1811 trat Dabelow, bald darnach in den Freiherrnstand erhoben, in seine Function als Mitglied des Staatsraths für das Departe¬ ment des Innern, der Justiz und der Polizei wie auch des Cultus ein, neben dem Staatsrath Berghauer, welcher seit dem vielfach bedauerten Abgange des Staatsraths Salmuth (October 1810) alleiniges Mitglied des Staats¬ raths gewesen war. Es mußte ihm einleuchten, daß vor Allem die vorhan¬ denen Verfassungsbruchstücke zu verschmelzen, zu sichten und zu säubern seien, und er begann dieß durch Organisation des Staatsraths, welche mittelst eines Edicts vom 15. Mai 1811 unternommen wurde. Man erkennt in diesem Edict sogleich den aus dem Vollen wirthschaftenden, zu großem Ruhme emporstrebenden Gesetzgeber. Der Staatsrath soll darnach bestehen: aus den Prinzen des herzoglichen Hauses, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht haben, als geborenen Mitgliedern des Staatsraths. Da der einzige vorhandene Prinz, Ludwig, damals erst 8 Jahr mit ivar, so hätte man mit dieser Bestimmung wohl noch einige Jahre warten können! Sodann ans ordentlichen Staats rathen, die zugleich die herzoglichen Minister sind, nach den bereits angegebenen einzelnen Zweigen der Staatsverwaltung, endlich aus zeitweise für besondere Fälle einberufenen Personen. Die Ge¬ schäftszweige des Staatsraths sind die Vorschläge zur Abänderung und Verbesserung der Constitution und der allgemeinen Landesverwaltung**), die Entwerfung und Dis- cussion der Gesetze, die Geschäfte des Cassationshofs, zu denen er durch den Staats- *) Erinnerungen Seite 8, 6. ") Als die Constitution, wenn es erlaubt ist, so zu sagen, fertig war, bekam der Staats¬ rath in dieser Eigenschaft den Namen: „Erhaltungssenat im Staatsrathe", in harm¬ loser Erinnerung an den forat, eoussrvittom- Napoleons, welcher bekanntlich Alles dasjenige nicht conserviren sollte, was in der Verfassung an die Revolution erinnerte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/349>, abgerufen am 24.08.2024.