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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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leitete, gegen die trefflichen, weisen Männer, die ihm dabei rathend und för¬
dernd zur Seite standen, gegen alle die Hunderttausende endlich, die, ein jeder
an seiner Stelle, dazu mitgewirkt haben, daß das große Werk glücklich hinaus¬
geführt wurde. Sie tragen schon jetzt das erhebende Bewußtsein treuester und
reich gesegneter Pflichterfüllung in sich; die Mitwelt preist sie, und die Ge¬
schichte wird ihr Andenken zusammen mit den Helden unseres großen Friedrich
und unsrer Freiheitskriege den spätesten Geschlechtern noch zu leuchtendem
Vorbilde überliefern.

Wir wollen endlich den Tag feiern mit innigem Danke gegen Gott da¬
für, daß er uns beschieden hat, in einer Zeit zu leben, in der Deutschland
unter den Völkern Europas wieder diejenige Machtstellung einnimmt, die es
in den Zeiten seiner politischen Zersplitterung eingebüßt hatte, die ihm aber
von Rechts wegen gebührt. -- Ja, es sind vor unsern Augen in den glor¬
reichen Jahren 1870/71 die Zeichen geschehen, die den Anbruch eines neuen
Welttages der Geschichte verkünden, der den Niedergang Frankreichs, den
Aufgang Deutschlands zu erhöhter politischer Macht und Bedeutung bringt,
zum deutlichsten Beweise dafür, daß wir nicht ein alterndes, fondern ein in
vollster Manneskraft dastehendes Volk sind, dem. so Gott will, unter der
Hohenzollern ruhmreichen Königs- und Kaiser-Scepter noch eine lange, große
geschichtliche Zukunft beschieden sein wird. --




Kulturbilder aus einem verflossenen deutschen
Kleinstaat.
2. Cöthen als Kleinfrankreich.

Verschwenderisch hatte der Herzog August Christian Friedrich von An-
halt- Cöthen durch' sein neues Staatsgrundgesetz seinem Reiche Schätze ausge¬
theilt, deren das nichtfranzösische Deutschland erst vier Jahrzehnte später
theilhaftig wurde. Ja, manches deutsche Land hat bis vor Kurzem noch
vergeblich sich gesehnt nach der hier ausgestreuten Fülle moderner Reformen:
Gleichheit vor dem Gesetz, Trennung der Justiz von der Verwaltung. Eman¬
cipation der Juden, allgemeine Wehrpflicht, gewerbliche Freiheit! Noch war
freilich eine nähere Ausführung des Ediets, welches doch eigentlich nur als
ein Programm betrachtet werden konnte, zu erwarten. Diese erfolgte denn
auch durch ein zweites Edict, vom 19. Februar 1811, freilich auch noch
keineswegs vollständig, sogar schon mit Abänderungen des Programms und


Grenzboten 1873. I. 4Z

leitete, gegen die trefflichen, weisen Männer, die ihm dabei rathend und för¬
dernd zur Seite standen, gegen alle die Hunderttausende endlich, die, ein jeder
an seiner Stelle, dazu mitgewirkt haben, daß das große Werk glücklich hinaus¬
geführt wurde. Sie tragen schon jetzt das erhebende Bewußtsein treuester und
reich gesegneter Pflichterfüllung in sich; die Mitwelt preist sie, und die Ge¬
schichte wird ihr Andenken zusammen mit den Helden unseres großen Friedrich
und unsrer Freiheitskriege den spätesten Geschlechtern noch zu leuchtendem
Vorbilde überliefern.

Wir wollen endlich den Tag feiern mit innigem Danke gegen Gott da¬
für, daß er uns beschieden hat, in einer Zeit zu leben, in der Deutschland
unter den Völkern Europas wieder diejenige Machtstellung einnimmt, die es
in den Zeiten seiner politischen Zersplitterung eingebüßt hatte, die ihm aber
von Rechts wegen gebührt. — Ja, es sind vor unsern Augen in den glor¬
reichen Jahren 1870/71 die Zeichen geschehen, die den Anbruch eines neuen
Welttages der Geschichte verkünden, der den Niedergang Frankreichs, den
Aufgang Deutschlands zu erhöhter politischer Macht und Bedeutung bringt,
zum deutlichsten Beweise dafür, daß wir nicht ein alterndes, fondern ein in
vollster Manneskraft dastehendes Volk sind, dem. so Gott will, unter der
Hohenzollern ruhmreichen Königs- und Kaiser-Scepter noch eine lange, große
geschichtliche Zukunft beschieden sein wird. —




Kulturbilder aus einem verflossenen deutschen
Kleinstaat.
2. Cöthen als Kleinfrankreich.

Verschwenderisch hatte der Herzog August Christian Friedrich von An-
halt- Cöthen durch' sein neues Staatsgrundgesetz seinem Reiche Schätze ausge¬
theilt, deren das nichtfranzösische Deutschland erst vier Jahrzehnte später
theilhaftig wurde. Ja, manches deutsche Land hat bis vor Kurzem noch
vergeblich sich gesehnt nach der hier ausgestreuten Fülle moderner Reformen:
Gleichheit vor dem Gesetz, Trennung der Justiz von der Verwaltung. Eman¬
cipation der Juden, allgemeine Wehrpflicht, gewerbliche Freiheit! Noch war
freilich eine nähere Ausführung des Ediets, welches doch eigentlich nur als
ein Programm betrachtet werden konnte, zu erwarten. Diese erfolgte denn
auch durch ein zweites Edict, vom 19. Februar 1811, freilich auch noch
keineswegs vollständig, sogar schon mit Abänderungen des Programms und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/345>, abgerufen am 24.08.2024.