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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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brachte; nur hat Hannibal vorher keine besonderen strategischen Operationen
nöthig gehabt, sondern das thörichte Ungestüm des Gegners verschaffte ihm
die Gelegenheit zu seiner Vernichtung.

Was mir aber an der Schlacht bei Sedan noch so ganz besonders er¬
freulich und ich möchte sagen, für künftige Eventualitäten so recht tröstlich er¬
scheint, ist die durch nimmer rastendes Studium und Selbstprüfen gewonnene
und hier wieder bewährte Sicherheit der preußischen Heeresleitung, die uns
mit der Zuversicht erfüllt, daß vorkommenden Falls Alles, wenn möglich, noch
besser gemacht werden wird.

Preußen hat im letzten Decennium drei Kriege geführt; die Höhepunkte
derselben geben die drei Namen Düppel, Königgrätz und Sedan.

Der Sturm auf die Düppeler Schanzen war durch die Belagerun gs-Ar-
tillerie mit methodischer Gründlichkeit, die an den alten Dessauer erinnern
könnte, vorbereitet worden, so daß man mit der Infanterie fast zu spät ge¬
kommen wäre, da die Dänen schon an eine Räumung ihrer Werke dachten.
Der Sturm selbst auf die Schanzen Ur. I--VI erfolgte dann mit unübertreff¬
licher Eractheit; mehr hatte man aber den Truppen nicht zutrauen zu dürfen
geglaubt. Doch der eigne Elan, von dem man in Preußen nicht viel spricht,
ihn aber in genügendem Maaße besitzt, riß alsbald die Sturmkolonnen und
dann auch die Oberleitung mit fort, so daß man in demselben Zuge noch
gleich die andern 4 Schanzen, das Retranchement hinter denselben und end¬
lich die 3. Linie der Dänen, den Brückenkops, wegnahm. Die wirklichen
Leistungen der Truppen übertrafen hier also weit das, was man sich selbst
zugetraut hatte.

Zwei Jahre später, am 3. Juli 1866, war die Schlacht bei Königgrätz.
-- Hätte man 1866 die preußische Kavallerie schon so wie im französischen
Feldzuge zu verwenden, und durch sie über die Marschbewegungen, die Stel¬
lungen und Särkeverhältnisse des Gegners zuverlässige Meldungen einzuholen
verstanden, so würde man schon zeitig genug am 2. Juli im preußischen
Hauptquartiere gewußt haben, daß Benedek am 3. nicht über die Elbe ab¬
ziehen, sondern in seinen vorbereiteten Stellungen eine Entscheidungsschlacht
annehmen wollte; dann konnte so disponirt werden, daß alle drei preußischen
Armeen am Morgen des 3. Juli, d. h. für den Schlachttag, zur unmittelbaren
Verfügung des Ober-Kommandos standen. Denn die Annahme des preußi¬
schen Hauptquartiers, daß Benedek zwischen Königgrätz und Josephstadt, mit
der Elbe in der Front, sich aufstellen werde -- woran übrigens der Feldzeug-
Meister nie gedacht zu haben scheint -- war dann erledigt; ebenso stand ja
dann fest, daß er nicht auf Pardubitz abziehen und hier die Elbe überschreiten
werde, was allerdings eine Zeit lang seine Absicht gewesen war. Man hätte
also ganz ausschließlich seine Aufmerksamkeit auf die nunmehr gewisse Schlacht


brachte; nur hat Hannibal vorher keine besonderen strategischen Operationen
nöthig gehabt, sondern das thörichte Ungestüm des Gegners verschaffte ihm
die Gelegenheit zu seiner Vernichtung.

Was mir aber an der Schlacht bei Sedan noch so ganz besonders er¬
freulich und ich möchte sagen, für künftige Eventualitäten so recht tröstlich er¬
scheint, ist die durch nimmer rastendes Studium und Selbstprüfen gewonnene
und hier wieder bewährte Sicherheit der preußischen Heeresleitung, die uns
mit der Zuversicht erfüllt, daß vorkommenden Falls Alles, wenn möglich, noch
besser gemacht werden wird.

Preußen hat im letzten Decennium drei Kriege geführt; die Höhepunkte
derselben geben die drei Namen Düppel, Königgrätz und Sedan.

Der Sturm auf die Düppeler Schanzen war durch die Belagerun gs-Ar-
tillerie mit methodischer Gründlichkeit, die an den alten Dessauer erinnern
könnte, vorbereitet worden, so daß man mit der Infanterie fast zu spät ge¬
kommen wäre, da die Dänen schon an eine Räumung ihrer Werke dachten.
Der Sturm selbst auf die Schanzen Ur. I—VI erfolgte dann mit unübertreff¬
licher Eractheit; mehr hatte man aber den Truppen nicht zutrauen zu dürfen
geglaubt. Doch der eigne Elan, von dem man in Preußen nicht viel spricht,
ihn aber in genügendem Maaße besitzt, riß alsbald die Sturmkolonnen und
dann auch die Oberleitung mit fort, so daß man in demselben Zuge noch
gleich die andern 4 Schanzen, das Retranchement hinter denselben und end¬
lich die 3. Linie der Dänen, den Brückenkops, wegnahm. Die wirklichen
Leistungen der Truppen übertrafen hier also weit das, was man sich selbst
zugetraut hatte.

Zwei Jahre später, am 3. Juli 1866, war die Schlacht bei Königgrätz.
— Hätte man 1866 die preußische Kavallerie schon so wie im französischen
Feldzuge zu verwenden, und durch sie über die Marschbewegungen, die Stel¬
lungen und Särkeverhältnisse des Gegners zuverlässige Meldungen einzuholen
verstanden, so würde man schon zeitig genug am 2. Juli im preußischen
Hauptquartiere gewußt haben, daß Benedek am 3. nicht über die Elbe ab¬
ziehen, sondern in seinen vorbereiteten Stellungen eine Entscheidungsschlacht
annehmen wollte; dann konnte so disponirt werden, daß alle drei preußischen
Armeen am Morgen des 3. Juli, d. h. für den Schlachttag, zur unmittelbaren
Verfügung des Ober-Kommandos standen. Denn die Annahme des preußi¬
schen Hauptquartiers, daß Benedek zwischen Königgrätz und Josephstadt, mit
der Elbe in der Front, sich aufstellen werde — woran übrigens der Feldzeug-
Meister nie gedacht zu haben scheint — war dann erledigt; ebenso stand ja
dann fest, daß er nicht auf Pardubitz abziehen und hier die Elbe überschreiten
werde, was allerdings eine Zeit lang seine Absicht gewesen war. Man hätte
also ganz ausschließlich seine Aufmerksamkeit auf die nunmehr gewisse Schlacht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/339>, abgerufen am 24.08.2024.