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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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und des vaticanischen Concils erschüttert, die Machtstellung der katholischen
Kirche schwer bedroht, ja ihre Religion selber aufs äußerste gefährdet sei.

Aber wenn wir auch von diesen Allen absehen und bloß denken wollen
an die weitaus überwiegende Mehrheit unseres Volkes, die sich des Krieges
und des Sieges von Herzen gefreut hat und dankbar die Erinnerung an die
Ruhmesthaten unserer Armeen und die Erfolge unserer Diplomatie festhalten
will: -- herrscht hier etwa über das "wann" und "wie" einer Nationalfeier
schon die volle Uebereinstimmung? Am 2. September vorigen Jahres brachte
ein großes, nationalliberales Blatt der Hauptstadt an seiner Spitze einen
Leitartikel, in welchem des Weiteren auseinander gesetzt war, daß eine Sedan-
Feier doch eigentlich nicht hinlänglich motivirt erscheine: auch die andern etwa
noch in Betracht kommenden Tage wurden besprochen und als gleichfalls un¬
geeignet verworfen; zum Schluß meinte das Blatt, das Beste würde es am
Ende sein, wenn die Regierung irgend einen beliebigen Tag in der schönen
Jahreszeit aufsuchte und von Obrigkeitswegen als Festtag ansetzte. -- Bei
dieser Lage der Dinge dürfte es also gestattet sein, die Frage, welcher Tag
auszuwählen, noch gleichsam als eine offene anzusehen.

Von den drei Daten, die meiner Meinung nach Allein hierbei ernstlich
in Frage kommen können, setze ich zuerst den 10. Mai, den Tag, an welchem
Fürst Bismarck zu Frankfurt a. M. den definitiven Frieden unterzeichnete.

Von einer kleinen Jnconvenienz könnte man ohne Weiteres absehen, daß
nämlich zwischen dem Abschluß der Friedenspräliminarien und dem 10. Mai
eine Reihe von Wochen lag, in denen der Friede durchaus nicht mehr zwei¬
felhaft und die Bedingungen allgemein bekannt waren, so daß also der Frie¬
densschluß selbst nichts Unerwartetes.und Ueberraschendes hatte, keinen irgend
überwältigenden Eindruck mehr machen konnte. Denn auch so erklang ja
Millionen unseres durchaus nicht kriegsbegierigen Volkes das Friedensgeläute
der Glocken schöner noch als der Kanonendonner, wenn man Victoria ge¬
schossen hatte. Für unser Heer, oder hier besser gesagt, für unser Volk in
Waffen, brachte der Friede endlich die Gewißheit, daß jetzt das ruhmreiche
Ziel erreicht, daß das Ende aller Mühen und Gefahren gekommen sei, daß
diejenigen, die der blutige Krieg verschont, auch nun in die Heimath, zu ihren
Lieben zurückkehren würden. Und für das übrige Volk, für alle die Millionen,
die nicht selber am Kampfe hatten Theil nehmen können, war der Friede erst
recht das freudigste Ereigniß. Denn sicher nicht viele Familien hatte es in
unserm Vaterlande gegeben, die nicht irgend einen nahen Angehörigen in den
heiligen Streit für König und Vaterland hatten ausziehen sehen, in denen
nicht Vater und Mutter, oder Weib und Kind, oder Bruder und Schwester,
oder eine Braut mit ängstlicher Sorge jedem kommenden Tage entgegensahen,
an dem sie vielleicht die Trauerbotschaft von dem Tode oder der schmerzlichen


und des vaticanischen Concils erschüttert, die Machtstellung der katholischen
Kirche schwer bedroht, ja ihre Religion selber aufs äußerste gefährdet sei.

Aber wenn wir auch von diesen Allen absehen und bloß denken wollen
an die weitaus überwiegende Mehrheit unseres Volkes, die sich des Krieges
und des Sieges von Herzen gefreut hat und dankbar die Erinnerung an die
Ruhmesthaten unserer Armeen und die Erfolge unserer Diplomatie festhalten
will: — herrscht hier etwa über das „wann" und „wie" einer Nationalfeier
schon die volle Uebereinstimmung? Am 2. September vorigen Jahres brachte
ein großes, nationalliberales Blatt der Hauptstadt an seiner Spitze einen
Leitartikel, in welchem des Weiteren auseinander gesetzt war, daß eine Sedan-
Feier doch eigentlich nicht hinlänglich motivirt erscheine: auch die andern etwa
noch in Betracht kommenden Tage wurden besprochen und als gleichfalls un¬
geeignet verworfen; zum Schluß meinte das Blatt, das Beste würde es am
Ende sein, wenn die Regierung irgend einen beliebigen Tag in der schönen
Jahreszeit aufsuchte und von Obrigkeitswegen als Festtag ansetzte. — Bei
dieser Lage der Dinge dürfte es also gestattet sein, die Frage, welcher Tag
auszuwählen, noch gleichsam als eine offene anzusehen.

Von den drei Daten, die meiner Meinung nach Allein hierbei ernstlich
in Frage kommen können, setze ich zuerst den 10. Mai, den Tag, an welchem
Fürst Bismarck zu Frankfurt a. M. den definitiven Frieden unterzeichnete.

Von einer kleinen Jnconvenienz könnte man ohne Weiteres absehen, daß
nämlich zwischen dem Abschluß der Friedenspräliminarien und dem 10. Mai
eine Reihe von Wochen lag, in denen der Friede durchaus nicht mehr zwei¬
felhaft und die Bedingungen allgemein bekannt waren, so daß also der Frie¬
densschluß selbst nichts Unerwartetes.und Ueberraschendes hatte, keinen irgend
überwältigenden Eindruck mehr machen konnte. Denn auch so erklang ja
Millionen unseres durchaus nicht kriegsbegierigen Volkes das Friedensgeläute
der Glocken schöner noch als der Kanonendonner, wenn man Victoria ge¬
schossen hatte. Für unser Heer, oder hier besser gesagt, für unser Volk in
Waffen, brachte der Friede endlich die Gewißheit, daß jetzt das ruhmreiche
Ziel erreicht, daß das Ende aller Mühen und Gefahren gekommen sei, daß
diejenigen, die der blutige Krieg verschont, auch nun in die Heimath, zu ihren
Lieben zurückkehren würden. Und für das übrige Volk, für alle die Millionen,
die nicht selber am Kampfe hatten Theil nehmen können, war der Friede erst
recht das freudigste Ereigniß. Denn sicher nicht viele Familien hatte es in
unserm Vaterlande gegeben, die nicht irgend einen nahen Angehörigen in den
heiligen Streit für König und Vaterland hatten ausziehen sehen, in denen
nicht Vater und Mutter, oder Weib und Kind, oder Bruder und Schwester,
oder eine Braut mit ängstlicher Sorge jedem kommenden Tage entgegensahen,
an dem sie vielleicht die Trauerbotschaft von dem Tode oder der schmerzlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/330>, abgerufen am 24.08.2024.