Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schließungssystem, nach welchem die hoch konservative Firma Veuve-Clicquot-
Ponsardin ihre Geschäfte betreibt, warf sein Schurzfell und seine Kelle bei
Seite, wurde Champagnerfabrikant und hatte guten Erfolg, indem er der
alten Firma ein tüchtig Stück ihrer Lieferungen für Paris abknöpfte. Durch
sein Beispiel ermuthigt, rückte ein paar Jahre später ein dritter von den
Clicquots, deren es in Reims in Menge zu geben scheint, ins Feld und bat
um die Gönnerschaft der Liebhaber von Champagner. Etwas früher schon
waren den moskovitischen Verbindungen jenes Hauses von der Firma Louis
Roederer, die einem süßen Wein ähnlich dem, welcher den Namen Clicquot
in Rußland berühmt gemacht, mit großen Kosten Bahn zu brechen suchte,
mit Glück Fallen gestellt worden. Aber die Rache ließ nicht auf sich warten.
Roederer mußte sehen, wie ein speculativer Champagnerfabrikant in Reims sich
mit einem Kellner alliirte, der ein gesetzliches Recht auf einen in Frankreich
ungewöhnlichen Namen besaß und seinen Wein unter der Marke The'ophile
Roederer et Comp. verkaufte.

Das deutsche Element spielt im Champagnergeschäft eine sehr bedeutende
Rolle. Außer den Haupttheilhabern in den Häusern Clicquot und Roederer
und dem Begründer der Firma Most et Chandon sind auch die Mitglieder
der wohlbekannten Firmen G. H. Mumm, Jules Mumm et Comp. und
Gichter und Comp. Deutsche; desgleichen Kunklemann, der Nachfolger von
Piper et Comp. und alle Heidsiecks,. die sich von der letztgenannten Firma
abgezweigt haben, und die wie die beiden vorhergehenden Häuser vorzüglich
mit den Vereinigten Staaten Geschäfte machen und diesen einen von euro¬
päischen Kennern wenig geschätzten Wein zuführen. Die wenigen weithin
bekannten Geschäfte rein französischer Abkunft in Paris und Epernay sind
die von Ruinart et Fils, von de Samt Marceau, welches nach dem Urtheil
competenter Richter den besten Champagner liefert, der sich erzeugen läßt,
von Veuve Pommery et Fils, eine Firma, die gleichfalls in bestem Rufe
steht, und Rousstllon et Comp., einem Hause, welches sich wachsenden An¬
sehens erfreut. Aber in der That, die Deutschen beherrschen theils als Prin¬
zipale, theils als Fabrikleiter das Champagnergeschäft in dem Grade, daß
man, als vor einigen Jahren ein ausschließlich französisches Haus zu Falle
kam, allgemein die scherzhafte Bemerkung hörte, es sei aus Mangel an
Deutschthum bankerott geworden.

Eine bekannte Marke ist eine unzweifelhafte Bürgschaft für die Güte des
Champagners, doch bekommt man gleich guten Wein zu sehr viel niedrigerem
Preise von Fabrikanten, deren Ruf erst noch gewonnen werden muß. Sodann
aber will es scheinen, als ob genau derselbe Wein unter verschiedenen Marken
in den Handel käme, indem die Fabrikanten, wie aus den letzten Berichten
ersichtlich, in sehr ausgedehntem Maße mit einander Geschäfte machen. Im


schließungssystem, nach welchem die hoch konservative Firma Veuve-Clicquot-
Ponsardin ihre Geschäfte betreibt, warf sein Schurzfell und seine Kelle bei
Seite, wurde Champagnerfabrikant und hatte guten Erfolg, indem er der
alten Firma ein tüchtig Stück ihrer Lieferungen für Paris abknöpfte. Durch
sein Beispiel ermuthigt, rückte ein paar Jahre später ein dritter von den
Clicquots, deren es in Reims in Menge zu geben scheint, ins Feld und bat
um die Gönnerschaft der Liebhaber von Champagner. Etwas früher schon
waren den moskovitischen Verbindungen jenes Hauses von der Firma Louis
Roederer, die einem süßen Wein ähnlich dem, welcher den Namen Clicquot
in Rußland berühmt gemacht, mit großen Kosten Bahn zu brechen suchte,
mit Glück Fallen gestellt worden. Aber die Rache ließ nicht auf sich warten.
Roederer mußte sehen, wie ein speculativer Champagnerfabrikant in Reims sich
mit einem Kellner alliirte, der ein gesetzliches Recht auf einen in Frankreich
ungewöhnlichen Namen besaß und seinen Wein unter der Marke The'ophile
Roederer et Comp. verkaufte.

Das deutsche Element spielt im Champagnergeschäft eine sehr bedeutende
Rolle. Außer den Haupttheilhabern in den Häusern Clicquot und Roederer
und dem Begründer der Firma Most et Chandon sind auch die Mitglieder
der wohlbekannten Firmen G. H. Mumm, Jules Mumm et Comp. und
Gichter und Comp. Deutsche; desgleichen Kunklemann, der Nachfolger von
Piper et Comp. und alle Heidsiecks,. die sich von der letztgenannten Firma
abgezweigt haben, und die wie die beiden vorhergehenden Häuser vorzüglich
mit den Vereinigten Staaten Geschäfte machen und diesen einen von euro¬
päischen Kennern wenig geschätzten Wein zuführen. Die wenigen weithin
bekannten Geschäfte rein französischer Abkunft in Paris und Epernay sind
die von Ruinart et Fils, von de Samt Marceau, welches nach dem Urtheil
competenter Richter den besten Champagner liefert, der sich erzeugen läßt,
von Veuve Pommery et Fils, eine Firma, die gleichfalls in bestem Rufe
steht, und Rousstllon et Comp., einem Hause, welches sich wachsenden An¬
sehens erfreut. Aber in der That, die Deutschen beherrschen theils als Prin¬
zipale, theils als Fabrikleiter das Champagnergeschäft in dem Grade, daß
man, als vor einigen Jahren ein ausschließlich französisches Haus zu Falle
kam, allgemein die scherzhafte Bemerkung hörte, es sei aus Mangel an
Deutschthum bankerott geworden.

Eine bekannte Marke ist eine unzweifelhafte Bürgschaft für die Güte des
Champagners, doch bekommt man gleich guten Wein zu sehr viel niedrigerem
Preise von Fabrikanten, deren Ruf erst noch gewonnen werden muß. Sodann
aber will es scheinen, als ob genau derselbe Wein unter verschiedenen Marken
in den Handel käme, indem die Fabrikanten, wie aus den letzten Berichten
ersichtlich, in sehr ausgedehntem Maße mit einander Geschäfte machen. Im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129303"/>
            <p xml:id="ID_984" prev="#ID_983"> schließungssystem, nach welchem die hoch konservative Firma Veuve-Clicquot-<lb/>
Ponsardin ihre Geschäfte betreibt, warf sein Schurzfell und seine Kelle bei<lb/>
Seite, wurde Champagnerfabrikant und hatte guten Erfolg, indem er der<lb/>
alten Firma ein tüchtig Stück ihrer Lieferungen für Paris abknöpfte. Durch<lb/>
sein Beispiel ermuthigt, rückte ein paar Jahre später ein dritter von den<lb/>
Clicquots, deren es in Reims in Menge zu geben scheint, ins Feld und bat<lb/>
um die Gönnerschaft der Liebhaber von Champagner. Etwas früher schon<lb/>
waren den moskovitischen Verbindungen jenes Hauses von der Firma Louis<lb/>
Roederer, die einem süßen Wein ähnlich dem, welcher den Namen Clicquot<lb/>
in Rußland berühmt gemacht, mit großen Kosten Bahn zu brechen suchte,<lb/>
mit Glück Fallen gestellt worden. Aber die Rache ließ nicht auf sich warten.<lb/>
Roederer mußte sehen, wie ein speculativer Champagnerfabrikant in Reims sich<lb/>
mit einem Kellner alliirte, der ein gesetzliches Recht auf einen in Frankreich<lb/>
ungewöhnlichen Namen besaß und seinen Wein unter der Marke The'ophile<lb/>
Roederer et Comp. verkaufte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_985"> Das deutsche Element spielt im Champagnergeschäft eine sehr bedeutende<lb/>
Rolle. Außer den Haupttheilhabern in den Häusern Clicquot und Roederer<lb/>
und dem Begründer der Firma Most et Chandon sind auch die Mitglieder<lb/>
der wohlbekannten Firmen G. H. Mumm, Jules Mumm et Comp. und<lb/>
Gichter und Comp. Deutsche; desgleichen Kunklemann, der Nachfolger von<lb/>
Piper et Comp. und alle Heidsiecks,. die sich von der letztgenannten Firma<lb/>
abgezweigt haben, und die wie die beiden vorhergehenden Häuser vorzüglich<lb/>
mit den Vereinigten Staaten Geschäfte machen und diesen einen von euro¬<lb/>
päischen Kennern wenig geschätzten Wein zuführen. Die wenigen weithin<lb/>
bekannten Geschäfte rein französischer Abkunft in Paris und Epernay sind<lb/>
die von Ruinart et Fils, von de Samt Marceau, welches nach dem Urtheil<lb/>
competenter Richter den besten Champagner liefert, der sich erzeugen läßt,<lb/>
von Veuve Pommery et Fils, eine Firma, die gleichfalls in bestem Rufe<lb/>
steht, und Rousstllon et Comp., einem Hause, welches sich wachsenden An¬<lb/>
sehens erfreut. Aber in der That, die Deutschen beherrschen theils als Prin¬<lb/>
zipale, theils als Fabrikleiter das Champagnergeschäft in dem Grade, daß<lb/>
man, als vor einigen Jahren ein ausschließlich französisches Haus zu Falle<lb/>
kam, allgemein die scherzhafte Bemerkung hörte, es sei aus Mangel an<lb/>
Deutschthum bankerott geworden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_986" next="#ID_987"> Eine bekannte Marke ist eine unzweifelhafte Bürgschaft für die Güte des<lb/>
Champagners, doch bekommt man gleich guten Wein zu sehr viel niedrigerem<lb/>
Preise von Fabrikanten, deren Ruf erst noch gewonnen werden muß. Sodann<lb/>
aber will es scheinen, als ob genau derselbe Wein unter verschiedenen Marken<lb/>
in den Handel käme, indem die Fabrikanten, wie aus den letzten Berichten<lb/>
ersichtlich, in sehr ausgedehntem Maße mit einander Geschäfte machen. Im</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0311] schließungssystem, nach welchem die hoch konservative Firma Veuve-Clicquot- Ponsardin ihre Geschäfte betreibt, warf sein Schurzfell und seine Kelle bei Seite, wurde Champagnerfabrikant und hatte guten Erfolg, indem er der alten Firma ein tüchtig Stück ihrer Lieferungen für Paris abknöpfte. Durch sein Beispiel ermuthigt, rückte ein paar Jahre später ein dritter von den Clicquots, deren es in Reims in Menge zu geben scheint, ins Feld und bat um die Gönnerschaft der Liebhaber von Champagner. Etwas früher schon waren den moskovitischen Verbindungen jenes Hauses von der Firma Louis Roederer, die einem süßen Wein ähnlich dem, welcher den Namen Clicquot in Rußland berühmt gemacht, mit großen Kosten Bahn zu brechen suchte, mit Glück Fallen gestellt worden. Aber die Rache ließ nicht auf sich warten. Roederer mußte sehen, wie ein speculativer Champagnerfabrikant in Reims sich mit einem Kellner alliirte, der ein gesetzliches Recht auf einen in Frankreich ungewöhnlichen Namen besaß und seinen Wein unter der Marke The'ophile Roederer et Comp. verkaufte. Das deutsche Element spielt im Champagnergeschäft eine sehr bedeutende Rolle. Außer den Haupttheilhabern in den Häusern Clicquot und Roederer und dem Begründer der Firma Most et Chandon sind auch die Mitglieder der wohlbekannten Firmen G. H. Mumm, Jules Mumm et Comp. und Gichter und Comp. Deutsche; desgleichen Kunklemann, der Nachfolger von Piper et Comp. und alle Heidsiecks,. die sich von der letztgenannten Firma abgezweigt haben, und die wie die beiden vorhergehenden Häuser vorzüglich mit den Vereinigten Staaten Geschäfte machen und diesen einen von euro¬ päischen Kennern wenig geschätzten Wein zuführen. Die wenigen weithin bekannten Geschäfte rein französischer Abkunft in Paris und Epernay sind die von Ruinart et Fils, von de Samt Marceau, welches nach dem Urtheil competenter Richter den besten Champagner liefert, der sich erzeugen läßt, von Veuve Pommery et Fils, eine Firma, die gleichfalls in bestem Rufe steht, und Rousstllon et Comp., einem Hause, welches sich wachsenden An¬ sehens erfreut. Aber in der That, die Deutschen beherrschen theils als Prin¬ zipale, theils als Fabrikleiter das Champagnergeschäft in dem Grade, daß man, als vor einigen Jahren ein ausschließlich französisches Haus zu Falle kam, allgemein die scherzhafte Bemerkung hörte, es sei aus Mangel an Deutschthum bankerott geworden. Eine bekannte Marke ist eine unzweifelhafte Bürgschaft für die Güte des Champagners, doch bekommt man gleich guten Wein zu sehr viel niedrigerem Preise von Fabrikanten, deren Ruf erst noch gewonnen werden muß. Sodann aber will es scheinen, als ob genau derselbe Wein unter verschiedenen Marken in den Handel käme, indem die Fabrikanten, wie aus den letzten Berichten ersichtlich, in sehr ausgedehntem Maße mit einander Geschäfte machen. Im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/311
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/311>, abgerufen am 24.08.2024.