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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Das letztere geschieht durch Frauen, von denen jede täglich 1200 Korke stem¬
pelt. Beim Hinausgehen aus der Fabrik werfen wir noch einen Blick in die
Schmiede, welche die "Agraffen" für die Flaschenköpfe anzufertigen hat. Wir
hören, daß die Firma im Ganzen 360 Arbeiter beiderlei Geschlechts beschäftigt.

Und nun noch ein Wort über die Champagner-Firmen von Reims und
Epernay, deren es einige dreißig giebt. Die älteste ist die von Ruinart Pere
et Fils, deren Hauptcompagnon der Mcomte von Brimont ist, von dessen
Ahnen einer zu derselben Benedictiner-Bruderschaft gehört haben soll, der
Dom Perignon, der Erfinder des Seeth, angehörte. Dieses uralte Haus ist
aber schon lange von jüngeren Bewerbern um die Gunst des Publikums über¬
holt worden und macht jetzt nur noch unbedeutende Geschäfte, die überdieß
noch von einer Abzweigung desselben geschmälert werden, die sich Ruinart et
Kurz nennt.

Die Zweitälteste Firma ist die von Most et Chandon, die ihre Existenz
fast ein Jahrhundert zurückdatiren kann, und die im Laufe dieser Zeit das
größte Champagnerhaus geworden ist. Der Jean Reni Most, welcher
dieses Geschäft gründete und später Napoleon I. am Vorabend der Schlacht
bei Montmirail als Gast bei sich sah, war von Geburt ein Deutscher, wie
die meisten Gründer der großen Firmen in Reims und Epernay.

Die Firma Clicquot, im Jahre 1798 durch den Gatten der vor ein paar
Jahren im hohen Alter verstorbenen Wittwe Clicquot-Ponsardin errichtet,
verdankte die Berühmtheit ihres Fabrikats dem glücklichen Zufall, daß die
Russen 1816 Reims besetzt hielten und fleißig den in den geräumigen Kellern
der Wittwe aufgespeicherten Wein requirirten. Bei ihrer Heimkehr sangen sie
das Lob des zuckerhaltigen Schaumweins über die ganze Länge und Breite
Moskoviens hin, und das Glück des Hauses war gemacht. Madame Clic¬
quot schlug, wie weltbekannt, einen kolossalen Reichthum zusammen und ver-
heirathete ihre Tochter sowie ihre Enkelin an Grafen vom aneisu rögime.
Das gegenwärtige Haupt der Firma ist ein Herr Werte, welcher als armer
Junge aus dem Herzogthum Nassau nach Frankreich kam und, nachdem er
in das große Geschäft eingetreten, im Laufe der Jahre zum reichsten Manne
von Paris wurde. Wie seine frühere Partnerin hat er seine Kinder glänzend
unterzubringen gewußt, indem sein Sohn die Tochter des Herzogs von Mon-
tebello und seine Tochter den Sohn des frühern Finanzministers Wagner
heirathete.

Die erfolgreiche Einführung der neuen Champagnermarke ist eine sichere
Vermögensquelle. Daher ein fortwährendes Werben um einen Antheil an
der Gunst, deren sich die Moses, die Clicquots, die Munus und die Roe-
derers erfreuen. Vor einigen Jahren prositirte ein strebsammer Maurergesell
in Reims, dessen einziges Erbtheil sein Name Clicquot war, von dem Aus-


Das letztere geschieht durch Frauen, von denen jede täglich 1200 Korke stem¬
pelt. Beim Hinausgehen aus der Fabrik werfen wir noch einen Blick in die
Schmiede, welche die „Agraffen" für die Flaschenköpfe anzufertigen hat. Wir
hören, daß die Firma im Ganzen 360 Arbeiter beiderlei Geschlechts beschäftigt.

Und nun noch ein Wort über die Champagner-Firmen von Reims und
Epernay, deren es einige dreißig giebt. Die älteste ist die von Ruinart Pere
et Fils, deren Hauptcompagnon der Mcomte von Brimont ist, von dessen
Ahnen einer zu derselben Benedictiner-Bruderschaft gehört haben soll, der
Dom Perignon, der Erfinder des Seeth, angehörte. Dieses uralte Haus ist
aber schon lange von jüngeren Bewerbern um die Gunst des Publikums über¬
holt worden und macht jetzt nur noch unbedeutende Geschäfte, die überdieß
noch von einer Abzweigung desselben geschmälert werden, die sich Ruinart et
Kurz nennt.

Die Zweitälteste Firma ist die von Most et Chandon, die ihre Existenz
fast ein Jahrhundert zurückdatiren kann, und die im Laufe dieser Zeit das
größte Champagnerhaus geworden ist. Der Jean Reni Most, welcher
dieses Geschäft gründete und später Napoleon I. am Vorabend der Schlacht
bei Montmirail als Gast bei sich sah, war von Geburt ein Deutscher, wie
die meisten Gründer der großen Firmen in Reims und Epernay.

Die Firma Clicquot, im Jahre 1798 durch den Gatten der vor ein paar
Jahren im hohen Alter verstorbenen Wittwe Clicquot-Ponsardin errichtet,
verdankte die Berühmtheit ihres Fabrikats dem glücklichen Zufall, daß die
Russen 1816 Reims besetzt hielten und fleißig den in den geräumigen Kellern
der Wittwe aufgespeicherten Wein requirirten. Bei ihrer Heimkehr sangen sie
das Lob des zuckerhaltigen Schaumweins über die ganze Länge und Breite
Moskoviens hin, und das Glück des Hauses war gemacht. Madame Clic¬
quot schlug, wie weltbekannt, einen kolossalen Reichthum zusammen und ver-
heirathete ihre Tochter sowie ihre Enkelin an Grafen vom aneisu rögime.
Das gegenwärtige Haupt der Firma ist ein Herr Werte, welcher als armer
Junge aus dem Herzogthum Nassau nach Frankreich kam und, nachdem er
in das große Geschäft eingetreten, im Laufe der Jahre zum reichsten Manne
von Paris wurde. Wie seine frühere Partnerin hat er seine Kinder glänzend
unterzubringen gewußt, indem sein Sohn die Tochter des Herzogs von Mon-
tebello und seine Tochter den Sohn des frühern Finanzministers Wagner
heirathete.

Die erfolgreiche Einführung der neuen Champagnermarke ist eine sichere
Vermögensquelle. Daher ein fortwährendes Werben um einen Antheil an
der Gunst, deren sich die Moses, die Clicquots, die Munus und die Roe-
derers erfreuen. Vor einigen Jahren prositirte ein strebsammer Maurergesell
in Reims, dessen einziges Erbtheil sein Name Clicquot war, von dem Aus-


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[0310] Das letztere geschieht durch Frauen, von denen jede täglich 1200 Korke stem¬ pelt. Beim Hinausgehen aus der Fabrik werfen wir noch einen Blick in die Schmiede, welche die „Agraffen" für die Flaschenköpfe anzufertigen hat. Wir hören, daß die Firma im Ganzen 360 Arbeiter beiderlei Geschlechts beschäftigt. Und nun noch ein Wort über die Champagner-Firmen von Reims und Epernay, deren es einige dreißig giebt. Die älteste ist die von Ruinart Pere et Fils, deren Hauptcompagnon der Mcomte von Brimont ist, von dessen Ahnen einer zu derselben Benedictiner-Bruderschaft gehört haben soll, der Dom Perignon, der Erfinder des Seeth, angehörte. Dieses uralte Haus ist aber schon lange von jüngeren Bewerbern um die Gunst des Publikums über¬ holt worden und macht jetzt nur noch unbedeutende Geschäfte, die überdieß noch von einer Abzweigung desselben geschmälert werden, die sich Ruinart et Kurz nennt. Die Zweitälteste Firma ist die von Most et Chandon, die ihre Existenz fast ein Jahrhundert zurückdatiren kann, und die im Laufe dieser Zeit das größte Champagnerhaus geworden ist. Der Jean Reni Most, welcher dieses Geschäft gründete und später Napoleon I. am Vorabend der Schlacht bei Montmirail als Gast bei sich sah, war von Geburt ein Deutscher, wie die meisten Gründer der großen Firmen in Reims und Epernay. Die Firma Clicquot, im Jahre 1798 durch den Gatten der vor ein paar Jahren im hohen Alter verstorbenen Wittwe Clicquot-Ponsardin errichtet, verdankte die Berühmtheit ihres Fabrikats dem glücklichen Zufall, daß die Russen 1816 Reims besetzt hielten und fleißig den in den geräumigen Kellern der Wittwe aufgespeicherten Wein requirirten. Bei ihrer Heimkehr sangen sie das Lob des zuckerhaltigen Schaumweins über die ganze Länge und Breite Moskoviens hin, und das Glück des Hauses war gemacht. Madame Clic¬ quot schlug, wie weltbekannt, einen kolossalen Reichthum zusammen und ver- heirathete ihre Tochter sowie ihre Enkelin an Grafen vom aneisu rögime. Das gegenwärtige Haupt der Firma ist ein Herr Werte, welcher als armer Junge aus dem Herzogthum Nassau nach Frankreich kam und, nachdem er in das große Geschäft eingetreten, im Laufe der Jahre zum reichsten Manne von Paris wurde. Wie seine frühere Partnerin hat er seine Kinder glänzend unterzubringen gewußt, indem sein Sohn die Tochter des Herzogs von Mon- tebello und seine Tochter den Sohn des frühern Finanzministers Wagner heirathete. Die erfolgreiche Einführung der neuen Champagnermarke ist eine sichere Vermögensquelle. Daher ein fortwährendes Werben um einen Antheil an der Gunst, deren sich die Moses, die Clicquots, die Munus und die Roe- derers erfreuen. Vor einigen Jahren prositirte ein strebsammer Maurergesell in Reims, dessen einziges Erbtheil sein Name Clicquot war, von dem Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/310>, abgerufen am 24.08.2024.