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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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lassen haben. Die "Zofe" wird dem Weine hier mittelst einer Maschine bei¬
gebracht, die im Centrum eine Art Cylinder hat. Ein paar Flaschen mit
dem Liqueur stehen mit den Hälsen nach unten geneigt auf dem oberen Theile,
während sich unten zwei Flaschen mit Wein befinden, welche die "böse" er¬
halten sollen, die ihnen so mit der größten Genauigkeit zugetheilt wird, wäh¬
rend sie bei der gewöhnlichen Weise stark dem Zufall überlassen bleibt. Nach¬
dem die Flaschen gefüllt, gestöpselt und mit Draht umwunden sind, faßt der
Arbeiter, der die Mischung von Wein und Syrup gründlich zusammenzu-
schütteln hat, mit jeder Hand eine Flasche und schwingt sie in der tollsten
Weise wie ein paar Keulen über seinem Kopfe, wie wenn er irgend einem
seiner Kameraden den Schädel einzuschlagen vor hätte.

Nachdem man uns mit einer langen Kerze versehen hat, die in einer
Tülle von Draht und Holz auf einem Stock befestigt ist, passiren wir einen
der ungeheuren Keller nach dem andern, wobei wir von Zeit zu Zeit auf
neue Gruppen von Arbeitern stoßen, die mit demselben einförmigen Verfahren
beschäftigt sind, wie das beschriebene. Hier wird unsere Aufmerksamkeit von
Reihen riesiger Tonnen in Anspruch genommen, von denen jede vier bis fünf¬
tausend Kannen feinsten alten Weines enthält, bestimmt, den jüngeren Ge¬
wächsen Wohlgeschmack zu verleihen. Dann tappen wir durch scheinbar end¬
lose Reihen von Fässern, die mit dem Ertrag dieses letzten Jahres gefüllt sind.
Weiterhin kommen wir an kleineren Gebinden vorüber, die den Liqueur ent¬
halten, mit dem der vin xreMrö versüßt wird. Hier und da zeigt der Boden
eine viereckige Oeffnung, durch welche Körbe voll Weinflaschen aus dem un¬
tersten Keller emporsteigen, um ihre Bearbeitung durch den Degorgeur zu
empfangen.

Nachdem wir die Runde durch die "eslliers" gemacht, steigen wir hinab
in die ,,cap"Z5", deren dumpfige Atmossphäre von einem gewaltigen Weinduft
geschwängert ist. An den dunkeln Wänden tropft die Feuchtigkeit hörbar
herab, und außerhalb des kleinen Kreises, den unsere Kerzen erhellen, und
einigen in gespaltne Stöcke gesteckten Lichtern, bei denen gearbeitet wird, ist
alles ringsum dichte Finsterniß. Auf allen Seiten lagern Flaschen in ver¬
schiedenen Stellungen, die meisten in gewaltigen viereckigen Schichten auf ihren
Seiten, andere auf sanft geneigten Gestellen, wieder andere fast auf den Kopf
gestellt, während einige, durch Ueberfüllung des Bauches mit Gas zu Schaden
gekommen, in Scherben am Boden liegen und unter unsern Füßen knirschen.
Bei jeder Flaschenschicht sind Täfelchen aufgehangen, welche das Alter und die
Beschaffenheit des in ihnen enthaltenen Weines angeben. Bisweilen hält unser
Führer eine Flasche gegen das Licht, um uns zu zeigen, wie der Niederschlag
sich bildet, wie es sich langsam nach dem Halse der Flasche hinzieht und sich
schließlich an den Kork ansetzt. Plötzlich fahren wir vor einem lauten Knall


lassen haben. Die „Zofe" wird dem Weine hier mittelst einer Maschine bei¬
gebracht, die im Centrum eine Art Cylinder hat. Ein paar Flaschen mit
dem Liqueur stehen mit den Hälsen nach unten geneigt auf dem oberen Theile,
während sich unten zwei Flaschen mit Wein befinden, welche die „böse" er¬
halten sollen, die ihnen so mit der größten Genauigkeit zugetheilt wird, wäh¬
rend sie bei der gewöhnlichen Weise stark dem Zufall überlassen bleibt. Nach¬
dem die Flaschen gefüllt, gestöpselt und mit Draht umwunden sind, faßt der
Arbeiter, der die Mischung von Wein und Syrup gründlich zusammenzu-
schütteln hat, mit jeder Hand eine Flasche und schwingt sie in der tollsten
Weise wie ein paar Keulen über seinem Kopfe, wie wenn er irgend einem
seiner Kameraden den Schädel einzuschlagen vor hätte.

Nachdem man uns mit einer langen Kerze versehen hat, die in einer
Tülle von Draht und Holz auf einem Stock befestigt ist, passiren wir einen
der ungeheuren Keller nach dem andern, wobei wir von Zeit zu Zeit auf
neue Gruppen von Arbeitern stoßen, die mit demselben einförmigen Verfahren
beschäftigt sind, wie das beschriebene. Hier wird unsere Aufmerksamkeit von
Reihen riesiger Tonnen in Anspruch genommen, von denen jede vier bis fünf¬
tausend Kannen feinsten alten Weines enthält, bestimmt, den jüngeren Ge¬
wächsen Wohlgeschmack zu verleihen. Dann tappen wir durch scheinbar end¬
lose Reihen von Fässern, die mit dem Ertrag dieses letzten Jahres gefüllt sind.
Weiterhin kommen wir an kleineren Gebinden vorüber, die den Liqueur ent¬
halten, mit dem der vin xreMrö versüßt wird. Hier und da zeigt der Boden
eine viereckige Oeffnung, durch welche Körbe voll Weinflaschen aus dem un¬
tersten Keller emporsteigen, um ihre Bearbeitung durch den Degorgeur zu
empfangen.

Nachdem wir die Runde durch die „eslliers" gemacht, steigen wir hinab
in die ,,cap«Z5", deren dumpfige Atmossphäre von einem gewaltigen Weinduft
geschwängert ist. An den dunkeln Wänden tropft die Feuchtigkeit hörbar
herab, und außerhalb des kleinen Kreises, den unsere Kerzen erhellen, und
einigen in gespaltne Stöcke gesteckten Lichtern, bei denen gearbeitet wird, ist
alles ringsum dichte Finsterniß. Auf allen Seiten lagern Flaschen in ver¬
schiedenen Stellungen, die meisten in gewaltigen viereckigen Schichten auf ihren
Seiten, andere auf sanft geneigten Gestellen, wieder andere fast auf den Kopf
gestellt, während einige, durch Ueberfüllung des Bauches mit Gas zu Schaden
gekommen, in Scherben am Boden liegen und unter unsern Füßen knirschen.
Bei jeder Flaschenschicht sind Täfelchen aufgehangen, welche das Alter und die
Beschaffenheit des in ihnen enthaltenen Weines angeben. Bisweilen hält unser
Führer eine Flasche gegen das Licht, um uns zu zeigen, wie der Niederschlag
sich bildet, wie es sich langsam nach dem Halse der Flasche hinzieht und sich
schließlich an den Kork ansetzt. Plötzlich fahren wir vor einem lauten Knall


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[0306] lassen haben. Die „Zofe" wird dem Weine hier mittelst einer Maschine bei¬ gebracht, die im Centrum eine Art Cylinder hat. Ein paar Flaschen mit dem Liqueur stehen mit den Hälsen nach unten geneigt auf dem oberen Theile, während sich unten zwei Flaschen mit Wein befinden, welche die „böse" er¬ halten sollen, die ihnen so mit der größten Genauigkeit zugetheilt wird, wäh¬ rend sie bei der gewöhnlichen Weise stark dem Zufall überlassen bleibt. Nach¬ dem die Flaschen gefüllt, gestöpselt und mit Draht umwunden sind, faßt der Arbeiter, der die Mischung von Wein und Syrup gründlich zusammenzu- schütteln hat, mit jeder Hand eine Flasche und schwingt sie in der tollsten Weise wie ein paar Keulen über seinem Kopfe, wie wenn er irgend einem seiner Kameraden den Schädel einzuschlagen vor hätte. Nachdem man uns mit einer langen Kerze versehen hat, die in einer Tülle von Draht und Holz auf einem Stock befestigt ist, passiren wir einen der ungeheuren Keller nach dem andern, wobei wir von Zeit zu Zeit auf neue Gruppen von Arbeitern stoßen, die mit demselben einförmigen Verfahren beschäftigt sind, wie das beschriebene. Hier wird unsere Aufmerksamkeit von Reihen riesiger Tonnen in Anspruch genommen, von denen jede vier bis fünf¬ tausend Kannen feinsten alten Weines enthält, bestimmt, den jüngeren Ge¬ wächsen Wohlgeschmack zu verleihen. Dann tappen wir durch scheinbar end¬ lose Reihen von Fässern, die mit dem Ertrag dieses letzten Jahres gefüllt sind. Weiterhin kommen wir an kleineren Gebinden vorüber, die den Liqueur ent¬ halten, mit dem der vin xreMrö versüßt wird. Hier und da zeigt der Boden eine viereckige Oeffnung, durch welche Körbe voll Weinflaschen aus dem un¬ tersten Keller emporsteigen, um ihre Bearbeitung durch den Degorgeur zu empfangen. Nachdem wir die Runde durch die „eslliers" gemacht, steigen wir hinab in die ,,cap«Z5", deren dumpfige Atmossphäre von einem gewaltigen Weinduft geschwängert ist. An den dunkeln Wänden tropft die Feuchtigkeit hörbar herab, und außerhalb des kleinen Kreises, den unsere Kerzen erhellen, und einigen in gespaltne Stöcke gesteckten Lichtern, bei denen gearbeitet wird, ist alles ringsum dichte Finsterniß. Auf allen Seiten lagern Flaschen in ver¬ schiedenen Stellungen, die meisten in gewaltigen viereckigen Schichten auf ihren Seiten, andere auf sanft geneigten Gestellen, wieder andere fast auf den Kopf gestellt, während einige, durch Ueberfüllung des Bauches mit Gas zu Schaden gekommen, in Scherben am Boden liegen und unter unsern Füßen knirschen. Bei jeder Flaschenschicht sind Täfelchen aufgehangen, welche das Alter und die Beschaffenheit des in ihnen enthaltenen Weines angeben. Bisweilen hält unser Führer eine Flasche gegen das Licht, um uns zu zeigen, wie der Niederschlag sich bildet, wie es sich langsam nach dem Halse der Flasche hinzieht und sich schließlich an den Kork ansetzt. Plötzlich fahren wir vor einem lauten Knall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/306>, abgerufen am 24.08.2024.