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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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wie mußte sich dieses Streben nicht dem gegenüber vorzugsweise geltend
machen, von dessen Willen die Geschicke der deutschen Kleinfürsten so durchaus
abhängig waren? Bereits im Jahre 1809 als Napoleon nach den Schlachten
bei Jena und Halle in Dessau war, hatte er um eine Audienz bei dem Kaiser
nachgesucht, aber die schnöde Abfertigung erfahren: "ich habe nöthigere Ge¬
schäfte, der Fürst mag nur nach Hause gehen und sein Land regieren!"*)
Aber nach dem Beitritt zu der rheinischen Conföderation**) reiste der
neue souveräne Herzog mit verhältnißmäßig großem Pomp und vielen
Kosten nach Paris, um sich vorzustellen, zu danken, zu huldigen. Aber wie
kläglich war der Erfolg! Als ihn Napoleon im Audienzsaal erblickte, redete
er ihn mit leichtem Kopfnicken an: "too jour monsieur ä'^nlialt!" wandte
sich darauf nach seinem Gefolge um und ließ den Herzog verblüfft mitten im
Saale stehen, der dann auch, ohne ein einziges Wort weiter von dem Ungnädigsten
der Gnädiger Herren erlangt zu haben, den Rückweg nach Cöthen antreten mußte.
-- Die Cöthensche Staatszeitung bringt aber trotzdem in ihrer Nummer vom
3. April 1811 eine überschwängliche Correspondenz aus Paris vom 20. März
über die Tags zuvor erfolgte Entbindung der Kaiserin von einem Prinzen,
" dem König von Rom ". Daran schließt sich die Mittheilung 6s äato 31.
März: "auf Befehl Sr. Herzog!. Durchlaucht wurde heute wegen des für
die Völker des Continents so glücklichen Ereignisses, der Ent¬
bindung Jhro Kaiser!. Majestät von Frankreich von einem Prinzen, in allen
Kirchen der Residenz ein feierliches Dankfest gehalten." Der¬
selbe Jahrgang dieser Zeitung in der Nummer vom 17. August veröffentlicht
unter dem 15. August, dem Napoleonstage, die Stiftung eines Ordens
des Verdienstes, u. A. auch "zur Belohnung Unserer treuen Diener an
dem heutigen, für ganz Europa so festlichen Tage"***). Noch wei¬
tere, ganz ähnliche öffentliche Lobhudeleien in großer Anzahl würden sich an¬
führen lassen. Es bewerbe für jetzt bei den angegebenen. Zu gleicher Zeit hat
der Herzog Franz von Anhalt-Dessau bewiesen, daß es nicht unmöglich war,
dem Machthaber mit Würde und Selbstbewußtsein unter das Auge zu treten,
daß es, um Napoleon sich und dem Lande geneigt zu machen, nicht nöthig
war, ihm schmeichelnd die Hand zu küssen.

Im Grunde war es nichts Anderes als ein schmeichelnder Handkuß, wenn
der Herzog August Christian Friedrich von Cöthen plötzlich Napoleons gesetz-





") Würdig, Anhalt. Volkskalender für 1864, S. 17.
") Mittelst Vertrags d. d. Warschau 18. April 1807, ratificirt von Napoleon am 30.
April 1807 zu Finkenstein, seinem damaligen Hauptquartier. -
Der Orden scheint nicht längere Dauer gehabt zu haben, als des Herzogs sonstige
Werke. Die später veranstaltete cöthensche Gesetzsammlung hat in richtigem Verständniß der
Verhältnisse das Gesetz, welches den Orden stiftet, gar nicht aufgenommen.

wie mußte sich dieses Streben nicht dem gegenüber vorzugsweise geltend
machen, von dessen Willen die Geschicke der deutschen Kleinfürsten so durchaus
abhängig waren? Bereits im Jahre 1809 als Napoleon nach den Schlachten
bei Jena und Halle in Dessau war, hatte er um eine Audienz bei dem Kaiser
nachgesucht, aber die schnöde Abfertigung erfahren: „ich habe nöthigere Ge¬
schäfte, der Fürst mag nur nach Hause gehen und sein Land regieren!"*)
Aber nach dem Beitritt zu der rheinischen Conföderation**) reiste der
neue souveräne Herzog mit verhältnißmäßig großem Pomp und vielen
Kosten nach Paris, um sich vorzustellen, zu danken, zu huldigen. Aber wie
kläglich war der Erfolg! Als ihn Napoleon im Audienzsaal erblickte, redete
er ihn mit leichtem Kopfnicken an: „too jour monsieur ä'^nlialt!" wandte
sich darauf nach seinem Gefolge um und ließ den Herzog verblüfft mitten im
Saale stehen, der dann auch, ohne ein einziges Wort weiter von dem Ungnädigsten
der Gnädiger Herren erlangt zu haben, den Rückweg nach Cöthen antreten mußte.
— Die Cöthensche Staatszeitung bringt aber trotzdem in ihrer Nummer vom
3. April 1811 eine überschwängliche Correspondenz aus Paris vom 20. März
über die Tags zuvor erfolgte Entbindung der Kaiserin von einem Prinzen,
„ dem König von Rom ". Daran schließt sich die Mittheilung 6s äato 31.
März: „auf Befehl Sr. Herzog!. Durchlaucht wurde heute wegen des für
die Völker des Continents so glücklichen Ereignisses, der Ent¬
bindung Jhro Kaiser!. Majestät von Frankreich von einem Prinzen, in allen
Kirchen der Residenz ein feierliches Dankfest gehalten." Der¬
selbe Jahrgang dieser Zeitung in der Nummer vom 17. August veröffentlicht
unter dem 15. August, dem Napoleonstage, die Stiftung eines Ordens
des Verdienstes, u. A. auch „zur Belohnung Unserer treuen Diener an
dem heutigen, für ganz Europa so festlichen Tage"***). Noch wei¬
tere, ganz ähnliche öffentliche Lobhudeleien in großer Anzahl würden sich an¬
führen lassen. Es bewerbe für jetzt bei den angegebenen. Zu gleicher Zeit hat
der Herzog Franz von Anhalt-Dessau bewiesen, daß es nicht unmöglich war,
dem Machthaber mit Würde und Selbstbewußtsein unter das Auge zu treten,
daß es, um Napoleon sich und dem Lande geneigt zu machen, nicht nöthig
war, ihm schmeichelnd die Hand zu küssen.

Im Grunde war es nichts Anderes als ein schmeichelnder Handkuß, wenn
der Herzog August Christian Friedrich von Cöthen plötzlich Napoleons gesetz-





") Würdig, Anhalt. Volkskalender für 1864, S. 17.
") Mittelst Vertrags d. d. Warschau 18. April 1807, ratificirt von Napoleon am 30.
April 1807 zu Finkenstein, seinem damaligen Hauptquartier. -
Der Orden scheint nicht längere Dauer gehabt zu haben, als des Herzogs sonstige
Werke. Die später veranstaltete cöthensche Gesetzsammlung hat in richtigem Verständniß der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/296>, abgerufen am 02.10.2024.