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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Pferde (Is bis 20 Mann), und es lag nicht an ihm, daß seine Absicht, ein
eigenes Bataillon zu errichten, zum Glück unausgeführt blieb.*) Zu den
Haustruppen nahm er mit Gewalt gebildete Leute aus ihrer Laufbahn und
trug u. A. gar kein Bedenken, einen jungen Chirurgen (G.), der eben die
Universität Berlin beziehen wollte, zum Trommelschläger bei der Garde ein¬
kleiden und einen Candidaten der Theologie (P.) als Gemeinen in die edas-
seurs Z. elevat einreihen zu lassen.**)

Hand in Hand mit dieser Liebhaberei ging eine unbegrenzte Leidenschaft
für die Jagd, welche bei der Vergrößerung des Ländchens um den dritten
Theil des Fürstenthums Zerbst (28. Decbr. 1797) in den wildreichen Wäldern
jenseits der Elbe neue, willkommene Nahrung erhielt. Mit unglaublicher
Schwere lastete diese Leidenschaft auf dem damals ohnehin schwer bedrückten
Lande, namentlich auf dem nicht wohlhabenden Landestheil jenseits der Elbe.
Der Herzog war bis an sein Lebensende nicht zu bewegen, nur den geringsten
Theil seiner zahlreichen Jagden zu verpachten. Als später die Finanzen, wie
nachher ausführlicher mitgetheilt werden wird, gänzlich zerrüttet waren und
alle denkbaren Hülfsmittel versucht werden mußten, blieb diese verhältnißmäßig
bedeutende Einnahme-Quelle unbenutzt, obgleich sie dem Lande, ohne dem Her¬
zoge ein Opfer aufzulegen, jährlich 2000 Thlr,, (eine damals wohl in das
Gewicht fallende Summe!) gebracht hätte. Alle Vorstellungen der Stände,
diese Rente flüssig zu machen, hatten den Bescheid zur Folge, die Jagd gehöre
zu den liebsten und wichtigsten Regalien des Herzogs (!) und er wolle diese nicht
aus den Händen geben, ein Bescheid, der zuletzt nach Form und Inhalt durch¬
aus einem Verweise wegen unbefugter Einmischung der Stände glich. Und
doch wirkten noch andere Rücksichten als die Rente auf die Stände, auf das
ganze Land ein. Das im Uebermaß gehaltene Wild richtete unendlichen
Schaden auf den Feldern an. Es war zwar jenseits der Elbe zum Theil in
einen großen, freilich durch seine Erhaltung auch kostbaren, Thiergarten einge¬
hegt, aber an den offenen Stellen, besonders im Ober- und Unterlug bei
Roßlau, und in der Behrensdorfer Haide, hatte es desto freieres Walten.
Ein Wildschadengesetz existirte nicht, der Herzog ersetzte wohl, zuerst aus Lan¬
desmitteln, später von seiner Civilliste, Wildschaden; aber das geschah nur,
wo und wie er es für nöthig erachtete, und kam der großen Mehrzahl der
armen Leute bei ihrer, von der Aussaat bis zur Erndte ängstlich bewachten
und in einem sorglosen Augenblick verwüsteten Kartoffelkabel nicht zu Gute.
Stenzel hat noch im Anhange*") die Behauptung aufrecht erhalten, daß bei¬
nahe die völligen Einkünfte des Amtes Roßlau zur Erhaltung des Wildes
aufgewendet seien. Den großen Jagden entsprach ein großes Jagdgefolge,





"") S. 17, 12 ff.
") Edda. S. 45.
") Stenzel Anhang S. 23 ff.

Pferde (Is bis 20 Mann), und es lag nicht an ihm, daß seine Absicht, ein
eigenes Bataillon zu errichten, zum Glück unausgeführt blieb.*) Zu den
Haustruppen nahm er mit Gewalt gebildete Leute aus ihrer Laufbahn und
trug u. A. gar kein Bedenken, einen jungen Chirurgen (G.), der eben die
Universität Berlin beziehen wollte, zum Trommelschläger bei der Garde ein¬
kleiden und einen Candidaten der Theologie (P.) als Gemeinen in die edas-
seurs Z. elevat einreihen zu lassen.**)

Hand in Hand mit dieser Liebhaberei ging eine unbegrenzte Leidenschaft
für die Jagd, welche bei der Vergrößerung des Ländchens um den dritten
Theil des Fürstenthums Zerbst (28. Decbr. 1797) in den wildreichen Wäldern
jenseits der Elbe neue, willkommene Nahrung erhielt. Mit unglaublicher
Schwere lastete diese Leidenschaft auf dem damals ohnehin schwer bedrückten
Lande, namentlich auf dem nicht wohlhabenden Landestheil jenseits der Elbe.
Der Herzog war bis an sein Lebensende nicht zu bewegen, nur den geringsten
Theil seiner zahlreichen Jagden zu verpachten. Als später die Finanzen, wie
nachher ausführlicher mitgetheilt werden wird, gänzlich zerrüttet waren und
alle denkbaren Hülfsmittel versucht werden mußten, blieb diese verhältnißmäßig
bedeutende Einnahme-Quelle unbenutzt, obgleich sie dem Lande, ohne dem Her¬
zoge ein Opfer aufzulegen, jährlich 2000 Thlr,, (eine damals wohl in das
Gewicht fallende Summe!) gebracht hätte. Alle Vorstellungen der Stände,
diese Rente flüssig zu machen, hatten den Bescheid zur Folge, die Jagd gehöre
zu den liebsten und wichtigsten Regalien des Herzogs (!) und er wolle diese nicht
aus den Händen geben, ein Bescheid, der zuletzt nach Form und Inhalt durch¬
aus einem Verweise wegen unbefugter Einmischung der Stände glich. Und
doch wirkten noch andere Rücksichten als die Rente auf die Stände, auf das
ganze Land ein. Das im Uebermaß gehaltene Wild richtete unendlichen
Schaden auf den Feldern an. Es war zwar jenseits der Elbe zum Theil in
einen großen, freilich durch seine Erhaltung auch kostbaren, Thiergarten einge¬
hegt, aber an den offenen Stellen, besonders im Ober- und Unterlug bei
Roßlau, und in der Behrensdorfer Haide, hatte es desto freieres Walten.
Ein Wildschadengesetz existirte nicht, der Herzog ersetzte wohl, zuerst aus Lan¬
desmitteln, später von seiner Civilliste, Wildschaden; aber das geschah nur,
wo und wie er es für nöthig erachtete, und kam der großen Mehrzahl der
armen Leute bei ihrer, von der Aussaat bis zur Erndte ängstlich bewachten
und in einem sorglosen Augenblick verwüsteten Kartoffelkabel nicht zu Gute.
Stenzel hat noch im Anhange*") die Behauptung aufrecht erhalten, daß bei¬
nahe die völligen Einkünfte des Amtes Roßlau zur Erhaltung des Wildes
aufgewendet seien. Den großen Jagden entsprach ein großes Jagdgefolge,





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[0291] Pferde (Is bis 20 Mann), und es lag nicht an ihm, daß seine Absicht, ein eigenes Bataillon zu errichten, zum Glück unausgeführt blieb.*) Zu den Haustruppen nahm er mit Gewalt gebildete Leute aus ihrer Laufbahn und trug u. A. gar kein Bedenken, einen jungen Chirurgen (G.), der eben die Universität Berlin beziehen wollte, zum Trommelschläger bei der Garde ein¬ kleiden und einen Candidaten der Theologie (P.) als Gemeinen in die edas- seurs Z. elevat einreihen zu lassen.**) Hand in Hand mit dieser Liebhaberei ging eine unbegrenzte Leidenschaft für die Jagd, welche bei der Vergrößerung des Ländchens um den dritten Theil des Fürstenthums Zerbst (28. Decbr. 1797) in den wildreichen Wäldern jenseits der Elbe neue, willkommene Nahrung erhielt. Mit unglaublicher Schwere lastete diese Leidenschaft auf dem damals ohnehin schwer bedrückten Lande, namentlich auf dem nicht wohlhabenden Landestheil jenseits der Elbe. Der Herzog war bis an sein Lebensende nicht zu bewegen, nur den geringsten Theil seiner zahlreichen Jagden zu verpachten. Als später die Finanzen, wie nachher ausführlicher mitgetheilt werden wird, gänzlich zerrüttet waren und alle denkbaren Hülfsmittel versucht werden mußten, blieb diese verhältnißmäßig bedeutende Einnahme-Quelle unbenutzt, obgleich sie dem Lande, ohne dem Her¬ zoge ein Opfer aufzulegen, jährlich 2000 Thlr,, (eine damals wohl in das Gewicht fallende Summe!) gebracht hätte. Alle Vorstellungen der Stände, diese Rente flüssig zu machen, hatten den Bescheid zur Folge, die Jagd gehöre zu den liebsten und wichtigsten Regalien des Herzogs (!) und er wolle diese nicht aus den Händen geben, ein Bescheid, der zuletzt nach Form und Inhalt durch¬ aus einem Verweise wegen unbefugter Einmischung der Stände glich. Und doch wirkten noch andere Rücksichten als die Rente auf die Stände, auf das ganze Land ein. Das im Uebermaß gehaltene Wild richtete unendlichen Schaden auf den Feldern an. Es war zwar jenseits der Elbe zum Theil in einen großen, freilich durch seine Erhaltung auch kostbaren, Thiergarten einge¬ hegt, aber an den offenen Stellen, besonders im Ober- und Unterlug bei Roßlau, und in der Behrensdorfer Haide, hatte es desto freieres Walten. Ein Wildschadengesetz existirte nicht, der Herzog ersetzte wohl, zuerst aus Lan¬ desmitteln, später von seiner Civilliste, Wildschaden; aber das geschah nur, wo und wie er es für nöthig erachtete, und kam der großen Mehrzahl der armen Leute bei ihrer, von der Aussaat bis zur Erndte ängstlich bewachten und in einem sorglosen Augenblick verwüsteten Kartoffelkabel nicht zu Gute. Stenzel hat noch im Anhange*") die Behauptung aufrecht erhalten, daß bei¬ nahe die völligen Einkünfte des Amtes Roßlau zur Erhaltung des Wildes aufgewendet seien. Den großen Jagden entsprach ein großes Jagdgefolge, »") S. 17, 12 ff. ") Edda. S. 45. ") Stenzel Anhang S. 23 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/291>, abgerufen am 24.08.2024.