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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Politik hat! Kaum hat es einen Tag das Gefühl seiner Einheit und Un¬
abhängigkeit gewonnen, so stürzt es sich mit einem Eifer ohne Gleichen in
die Aufgaben der innern Fortbildung. Es vergißt nur allzu leicht, welch
schwere Kunst es ist, die europäische Situation so zu stellen, daß Deutschland
ungestört sich seiner inneren Entwickelung hingeben kann. Man werfe in die
deutschen Zeitungen einen Blick. Da ist die Rede von Staat und Kirche, von
Idealismus und Materialismus, von Symbolglauben und freier Schrift¬
forschung, von Schwurgericht und Schöffengericht, von Rechtseinheit und
partikularistischer Gesetzgebung, von Abgrenzung des Reichs und der Einzel¬
staaten, von Verbesserung des Schulwesens, von Sorge für die Künste, von
Kathedersocialisten und Freihändlern, von Steuerreform und Selbstverwaltung,
von Richard Wagner und classischer Musik, kurz von allem Möglichen auf
Himmel und Erden -- nur nicht von auswärtiger Politik.




Mine Besprechungen.

Zwei neue Ausgaben von des Knaben Wunderhorn haben wir
heut anzuzeigen. Noch immer gilt von dieser unvergänglichen Sammlung das
Wort Goethe's: "Von Rechtswegen sollte dieses Büchlein in jedem Hause,
wo frische Menschen wohnen, zu finden sein, um aufgeschlagen zu werden in
jedem Augenblicke der Stimmung oder Umstimmung, wo man denn immer
etwas Gleichtönendes oder Anregendes fände". Die Zeit allerdings hat sich
seit dem ersten Erscheinen dieser Volksliedersammlung von Grund aus ver¬
wandelt. Wir brauchen nicht mehr, wie einst Arnim und Brentano in den
verklungenen Sänger alter Volksweisen zu suchen, um den Stolz und die
Freude unseres Volkes zu beleben. Aber auch aus längst vergangenen Jahr¬
hunderten grüßt der verwandte Geist unserer Altvordern in diesen Liedern auf
uns herunter. -- Die erste der neuen Ausgaben erscheint bei Grote in Berlin,
in 8--10 Lieferungen zu 7^/2 Gr., mit guten Illustrationen und geschmack¬
vollen Initialen, in klein Octav, Eine literarische Einleitung von Gustav
Wendt soll beigegeben werden. Das Werk ist "in derjenigen Form veröffent¬
licht, welches ihm Arnim und Brentano selbst gegeben haben." -- Die andere
Ausgabe ist schon durch ihr Großoctav stattlicher, von Anton Birlinger be-
vorwortet, und enthält den Text der Charlottenburger Ausgabe (1845) mit
Begleichung der früheren. Sie erscheint bei H. Killinger Comp. in Wies¬
baden in 16 Lieferungen zu 12 Sgr. Die Illustrationen sind von Heinrich
Merle gezeichnet, von Specht geschnitten. --




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hiithcl K Legler in Leipzig.

Politik hat! Kaum hat es einen Tag das Gefühl seiner Einheit und Un¬
abhängigkeit gewonnen, so stürzt es sich mit einem Eifer ohne Gleichen in
die Aufgaben der innern Fortbildung. Es vergißt nur allzu leicht, welch
schwere Kunst es ist, die europäische Situation so zu stellen, daß Deutschland
ungestört sich seiner inneren Entwickelung hingeben kann. Man werfe in die
deutschen Zeitungen einen Blick. Da ist die Rede von Staat und Kirche, von
Idealismus und Materialismus, von Symbolglauben und freier Schrift¬
forschung, von Schwurgericht und Schöffengericht, von Rechtseinheit und
partikularistischer Gesetzgebung, von Abgrenzung des Reichs und der Einzel¬
staaten, von Verbesserung des Schulwesens, von Sorge für die Künste, von
Kathedersocialisten und Freihändlern, von Steuerreform und Selbstverwaltung,
von Richard Wagner und classischer Musik, kurz von allem Möglichen auf
Himmel und Erden — nur nicht von auswärtiger Politik.




Mine Besprechungen.

Zwei neue Ausgaben von des Knaben Wunderhorn haben wir
heut anzuzeigen. Noch immer gilt von dieser unvergänglichen Sammlung das
Wort Goethe's: „Von Rechtswegen sollte dieses Büchlein in jedem Hause,
wo frische Menschen wohnen, zu finden sein, um aufgeschlagen zu werden in
jedem Augenblicke der Stimmung oder Umstimmung, wo man denn immer
etwas Gleichtönendes oder Anregendes fände". Die Zeit allerdings hat sich
seit dem ersten Erscheinen dieser Volksliedersammlung von Grund aus ver¬
wandelt. Wir brauchen nicht mehr, wie einst Arnim und Brentano in den
verklungenen Sänger alter Volksweisen zu suchen, um den Stolz und die
Freude unseres Volkes zu beleben. Aber auch aus längst vergangenen Jahr¬
hunderten grüßt der verwandte Geist unserer Altvordern in diesen Liedern auf
uns herunter. — Die erste der neuen Ausgaben erscheint bei Grote in Berlin,
in 8—10 Lieferungen zu 7^/2 Gr., mit guten Illustrationen und geschmack¬
vollen Initialen, in klein Octav, Eine literarische Einleitung von Gustav
Wendt soll beigegeben werden. Das Werk ist „in derjenigen Form veröffent¬
licht, welches ihm Arnim und Brentano selbst gegeben haben." — Die andere
Ausgabe ist schon durch ihr Großoctav stattlicher, von Anton Birlinger be-
vorwortet, und enthält den Text der Charlottenburger Ausgabe (1845) mit
Begleichung der früheren. Sie erscheint bei H. Killinger Comp. in Wies¬
baden in 16 Lieferungen zu 12 Sgr. Die Illustrationen sind von Heinrich
Merle gezeichnet, von Specht geschnitten. —




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hiithcl K Legler in Leipzig.
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[0288] Politik hat! Kaum hat es einen Tag das Gefühl seiner Einheit und Un¬ abhängigkeit gewonnen, so stürzt es sich mit einem Eifer ohne Gleichen in die Aufgaben der innern Fortbildung. Es vergißt nur allzu leicht, welch schwere Kunst es ist, die europäische Situation so zu stellen, daß Deutschland ungestört sich seiner inneren Entwickelung hingeben kann. Man werfe in die deutschen Zeitungen einen Blick. Da ist die Rede von Staat und Kirche, von Idealismus und Materialismus, von Symbolglauben und freier Schrift¬ forschung, von Schwurgericht und Schöffengericht, von Rechtseinheit und partikularistischer Gesetzgebung, von Abgrenzung des Reichs und der Einzel¬ staaten, von Verbesserung des Schulwesens, von Sorge für die Künste, von Kathedersocialisten und Freihändlern, von Steuerreform und Selbstverwaltung, von Richard Wagner und classischer Musik, kurz von allem Möglichen auf Himmel und Erden — nur nicht von auswärtiger Politik. Mine Besprechungen. Zwei neue Ausgaben von des Knaben Wunderhorn haben wir heut anzuzeigen. Noch immer gilt von dieser unvergänglichen Sammlung das Wort Goethe's: „Von Rechtswegen sollte dieses Büchlein in jedem Hause, wo frische Menschen wohnen, zu finden sein, um aufgeschlagen zu werden in jedem Augenblicke der Stimmung oder Umstimmung, wo man denn immer etwas Gleichtönendes oder Anregendes fände". Die Zeit allerdings hat sich seit dem ersten Erscheinen dieser Volksliedersammlung von Grund aus ver¬ wandelt. Wir brauchen nicht mehr, wie einst Arnim und Brentano in den verklungenen Sänger alter Volksweisen zu suchen, um den Stolz und die Freude unseres Volkes zu beleben. Aber auch aus längst vergangenen Jahr¬ hunderten grüßt der verwandte Geist unserer Altvordern in diesen Liedern auf uns herunter. — Die erste der neuen Ausgaben erscheint bei Grote in Berlin, in 8—10 Lieferungen zu 7^/2 Gr., mit guten Illustrationen und geschmack¬ vollen Initialen, in klein Octav, Eine literarische Einleitung von Gustav Wendt soll beigegeben werden. Das Werk ist „in derjenigen Form veröffent¬ licht, welches ihm Arnim und Brentano selbst gegeben haben." — Die andere Ausgabe ist schon durch ihr Großoctav stattlicher, von Anton Birlinger be- vorwortet, und enthält den Text der Charlottenburger Ausgabe (1845) mit Begleichung der früheren. Sie erscheint bei H. Killinger Comp. in Wies¬ baden in 16 Lieferungen zu 12 Sgr. Die Illustrationen sind von Heinrich Merle gezeichnet, von Specht geschnitten. — Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hiithcl K Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/288>, abgerufen am 28.09.2024.