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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Die Actien werden auf die Börse geworfen. Speculant und Consortium gehen
davon. Das übermäßige Actiencapital kann sich nicht verzinsen, auch wenn
die Bahn an sich rentabel ist. Die unglücklichen Volleinzahler und die späteren
Käufer, welche bei einem noch zu hohen Cours, der im Anfang durch Börsen¬
manöver bewirkt wurde, Actien erworben, bleiben mit ihren Actien sitzen,
die niemals eine Dividende geben, obwohl es der Bahn nicht an Verkehr
mangelt. Aber die angeblichen Herstellungskosten sind viel zu groß gewesen,
und die schlechte Anlage erfordert gleich von Anfang überall Nachhülfe und
Reparaturen. Das ist das System, dessen Erfinder den Namen "Organisator
des Diebstahls" tragen sollte, wobei allerdings nicht feststeht, wem die Ehre
der Erfindung gebührt. Nach der Annahme des Herrn Laster wäre der
deutsche Haupt-Praktiker nur Plagiator an französischen Originalen gewesen.

Eine weitere Praxis des Systems ist die Benutzung hochadliger Namen
zu Patronen solcher speculativen Unternehmungen, um den Cours der Actien
an der Börse eine Zeit lang möglichst hoch zu halten. Daß die Träger solcher
Namen dieselben hergeben, um einen Antheil an dem Gewinn davonzutragen,
um den sie gelegentlich auch geprellt werden, ist eine sehr bedauerliche Er¬
scheinung. Es ist jedoch zu erwarten, daß die ehrenhaften Standesgenossen
mit solchen adligen Namen jetzt allgemein und ernsthaft brechen werden.

Wenn Herr Laster unter den Nachahmern dieses Systems auch einen
sehr bekannten jetzigen Staatsbeamten nannte, so müssen wir natürlich ab¬
warten, ob die keinesfalls ausbleibende gerichtliche und disciplinarische Unter¬
suchung die erhobene und mit gewichtigen Thatsachen unterstützte Anklage
bestätigt.

Herr Laster hatte früher den Antrag gestellt, das Abgeordnetenhaus
möge die Staatsregierung auffordern, ein Verzeichniß aller seit zehn Jahren
ertheilten und versagten Concessionen vorzulegen. Am 8. Februar hat er den
weiteren Antrag eingebracht, das Abgeordnetenhaus möge eine Commission
einsetzen, um zu untersuchen, in welchem Maße die Staatsverwaltung bei
Theilung von Eisenbahnconcessionen durch die ihrerseits den Unternehmern
auferlegten Nachweissummen und Bürgschaften den Zweck der Staatsaufsicht
gesichert hat. insbesondere den Zweck authentischer Feststellung des Herstellungs-
eapitals; ferner ob die Vorgänge bei der Ausführung der Bauprojecte mit
den Nachweisungen der Unternehmer thatsächlich übereingestimmt haben.

Ueber beide Anträge hat das Haus die Beschlußfassung ausgesetzt, wo¬
durch die Staatsregierung Zeit erhält, die nöthigen Entschließungen zu fassen.
Das Angemessenste wäre wohl, wenn die Staatsregierung ihrerseits eine Un¬
tersuchungscommission einsetzte und in dieselbe außer den geeigneten Beamten
eine Anzahl Mitglieder des Abgeordnetenhauses nach der Wahl des Hauses
beriefe.


Die Actien werden auf die Börse geworfen. Speculant und Consortium gehen
davon. Das übermäßige Actiencapital kann sich nicht verzinsen, auch wenn
die Bahn an sich rentabel ist. Die unglücklichen Volleinzahler und die späteren
Käufer, welche bei einem noch zu hohen Cours, der im Anfang durch Börsen¬
manöver bewirkt wurde, Actien erworben, bleiben mit ihren Actien sitzen,
die niemals eine Dividende geben, obwohl es der Bahn nicht an Verkehr
mangelt. Aber die angeblichen Herstellungskosten sind viel zu groß gewesen,
und die schlechte Anlage erfordert gleich von Anfang überall Nachhülfe und
Reparaturen. Das ist das System, dessen Erfinder den Namen „Organisator
des Diebstahls" tragen sollte, wobei allerdings nicht feststeht, wem die Ehre
der Erfindung gebührt. Nach der Annahme des Herrn Laster wäre der
deutsche Haupt-Praktiker nur Plagiator an französischen Originalen gewesen.

Eine weitere Praxis des Systems ist die Benutzung hochadliger Namen
zu Patronen solcher speculativen Unternehmungen, um den Cours der Actien
an der Börse eine Zeit lang möglichst hoch zu halten. Daß die Träger solcher
Namen dieselben hergeben, um einen Antheil an dem Gewinn davonzutragen,
um den sie gelegentlich auch geprellt werden, ist eine sehr bedauerliche Er¬
scheinung. Es ist jedoch zu erwarten, daß die ehrenhaften Standesgenossen
mit solchen adligen Namen jetzt allgemein und ernsthaft brechen werden.

Wenn Herr Laster unter den Nachahmern dieses Systems auch einen
sehr bekannten jetzigen Staatsbeamten nannte, so müssen wir natürlich ab¬
warten, ob die keinesfalls ausbleibende gerichtliche und disciplinarische Unter¬
suchung die erhobene und mit gewichtigen Thatsachen unterstützte Anklage
bestätigt.

Herr Laster hatte früher den Antrag gestellt, das Abgeordnetenhaus
möge die Staatsregierung auffordern, ein Verzeichniß aller seit zehn Jahren
ertheilten und versagten Concessionen vorzulegen. Am 8. Februar hat er den
weiteren Antrag eingebracht, das Abgeordnetenhaus möge eine Commission
einsetzen, um zu untersuchen, in welchem Maße die Staatsverwaltung bei
Theilung von Eisenbahnconcessionen durch die ihrerseits den Unternehmern
auferlegten Nachweissummen und Bürgschaften den Zweck der Staatsaufsicht
gesichert hat. insbesondere den Zweck authentischer Feststellung des Herstellungs-
eapitals; ferner ob die Vorgänge bei der Ausführung der Bauprojecte mit
den Nachweisungen der Unternehmer thatsächlich übereingestimmt haben.

Ueber beide Anträge hat das Haus die Beschlußfassung ausgesetzt, wo¬
durch die Staatsregierung Zeit erhält, die nöthigen Entschließungen zu fassen.
Das Angemessenste wäre wohl, wenn die Staatsregierung ihrerseits eine Un¬
tersuchungscommission einsetzte und in dieselbe außer den geeigneten Beamten
eine Anzahl Mitglieder des Abgeordnetenhauses nach der Wahl des Hauses
beriefe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/283>, abgerufen am 24.08.2024.