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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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quis den Herzog in einer wohlgesetzten Rede begrüßte, benachrichtigte er ihn,
daß in jedem dieser Körbe voll Blumen eine neugeborene Gottheit verborgen
sei, der zu Ehren die Alten Altäre errichtet haben würden. Er gab dann ein
Zeichen, auf welches ein Dutzend Flaschen Champagner von seinen Kellern in
Sillery von den Mädchen hervorgezogen und mit Blumen bekränzt auf den
Tisch gestellt wurden. Man fand den darin perlenden Rebensaft köstlich, und
fortan wurde der Champagner der Lieblingswein bei Hofe.

Der Vicomte von Brimont, das Haupt der alten Champagnersirma Rui¬
nart et Fils, und ein Herr Forkel aus Reims, welcher letztere circa 40 Acker
mit Trauben bepflanzt, sind die einzigen Weinbauer in der Gegend von Sillery.
Von Monsieur Forkel erfuhren wir, daß die Lese nur den dritten Theil einer
mittelmäßigen ergeben, und daß seine eignen Nebgärten ihm dieses Jahr
statt wie gewöhnlich dreihundert nur einhundert Stück geliefert. Die Quali¬
tät indeß muß auch hier ganz vorzüglich gewesen sein, da er im Hause Clic-
auot einen bereitwilligen Abnehmer zu 900 Francs das Stück gefunden hatte.
Ehe Herr Forkel seine Trauben preßt, läßt er sie in einen Trog werfen, auf
dessen Boden zwei Cylinder von der Form cannelirter Säulen und etwa 8
Zoll Durchmesser sich befinden, die sich in entgegengesetzter Richtung drehen,
wodurch sie die Beeren theilweise von ihren Stielen losreißen. Beeren und
Stiele werden dann unter die Presse gebracht, die auch hier nach dem alten
Aepfelweinpressen-Prinzip eingerichtet ist, und der Most läuft in ein Reservoir
unten, von wo er in große Bütten gepumpt wird, die jede 230 bis 800 Gal¬
lonen halten. Hier verbleibt er sechs bis acht Stunden, nach welcher Zeit er
auf Fässer gefüllt wird, die nur einen ganz leichten Verschluß der Spundlöcher
haben, und nach zwölf Tagen fängt der Wein an zu gähren. So bleibt er
bis zu Ende des Jahres, wo er wieder auf neue Fässer kommt und den Käu¬
fern übergeben wird. Die zweite und dritte Pressung der Trauben geben einen
geringeren Wein, und von den Trestern und Stielen, die nun in eine Bütte
gelegt und mit einer dichten Lage von Häcksel bedeckt werden, wird ein Brannt¬
wein destillirt, der Dgg,u as vis as Nare heißt und recht gut ist. Die Trau¬
ben wurden zu Sillery in diesem Jahr mit 120 Francs die eaizmo bezahlt.

Die Mittelweine des Bezirks "^isanes äiz Ldampagne" genannt, werden
ganz in derselben Weise bereitet wie der vin true, welcher die Grundlage des
Champagners bildet, und im folgenden Jahre auf Flaschen gefüllt. Sie un¬
terliegen nicht der weiteren künstlichen Behandlung, welcher jener unterworfen
wird, und schäumen nur mäßig. Diese Tisanen werden auch aus dem abflie¬
ßenden Wein gemacht, welcher der Champagnerflasche entflieht, wenn der Satz
bei Entkorkung derselben, nachdem sie einige Zeit mit der Oeffnung nach
unten gekehrt gelegen, entfernt und durch den Liqueur ersetzt wird, der dem
Champagner mehr oder weniger seinen Wohlgeschmack giebt. Sie besitzen nicht


quis den Herzog in einer wohlgesetzten Rede begrüßte, benachrichtigte er ihn,
daß in jedem dieser Körbe voll Blumen eine neugeborene Gottheit verborgen
sei, der zu Ehren die Alten Altäre errichtet haben würden. Er gab dann ein
Zeichen, auf welches ein Dutzend Flaschen Champagner von seinen Kellern in
Sillery von den Mädchen hervorgezogen und mit Blumen bekränzt auf den
Tisch gestellt wurden. Man fand den darin perlenden Rebensaft köstlich, und
fortan wurde der Champagner der Lieblingswein bei Hofe.

Der Vicomte von Brimont, das Haupt der alten Champagnersirma Rui¬
nart et Fils, und ein Herr Forkel aus Reims, welcher letztere circa 40 Acker
mit Trauben bepflanzt, sind die einzigen Weinbauer in der Gegend von Sillery.
Von Monsieur Forkel erfuhren wir, daß die Lese nur den dritten Theil einer
mittelmäßigen ergeben, und daß seine eignen Nebgärten ihm dieses Jahr
statt wie gewöhnlich dreihundert nur einhundert Stück geliefert. Die Quali¬
tät indeß muß auch hier ganz vorzüglich gewesen sein, da er im Hause Clic-
auot einen bereitwilligen Abnehmer zu 900 Francs das Stück gefunden hatte.
Ehe Herr Forkel seine Trauben preßt, läßt er sie in einen Trog werfen, auf
dessen Boden zwei Cylinder von der Form cannelirter Säulen und etwa 8
Zoll Durchmesser sich befinden, die sich in entgegengesetzter Richtung drehen,
wodurch sie die Beeren theilweise von ihren Stielen losreißen. Beeren und
Stiele werden dann unter die Presse gebracht, die auch hier nach dem alten
Aepfelweinpressen-Prinzip eingerichtet ist, und der Most läuft in ein Reservoir
unten, von wo er in große Bütten gepumpt wird, die jede 230 bis 800 Gal¬
lonen halten. Hier verbleibt er sechs bis acht Stunden, nach welcher Zeit er
auf Fässer gefüllt wird, die nur einen ganz leichten Verschluß der Spundlöcher
haben, und nach zwölf Tagen fängt der Wein an zu gähren. So bleibt er
bis zu Ende des Jahres, wo er wieder auf neue Fässer kommt und den Käu¬
fern übergeben wird. Die zweite und dritte Pressung der Trauben geben einen
geringeren Wein, und von den Trestern und Stielen, die nun in eine Bütte
gelegt und mit einer dichten Lage von Häcksel bedeckt werden, wird ein Brannt¬
wein destillirt, der Dgg,u as vis as Nare heißt und recht gut ist. Die Trau¬
ben wurden zu Sillery in diesem Jahr mit 120 Francs die eaizmo bezahlt.

Die Mittelweine des Bezirks „^isanes äiz Ldampagne" genannt, werden
ganz in derselben Weise bereitet wie der vin true, welcher die Grundlage des
Champagners bildet, und im folgenden Jahre auf Flaschen gefüllt. Sie un¬
terliegen nicht der weiteren künstlichen Behandlung, welcher jener unterworfen
wird, und schäumen nur mäßig. Diese Tisanen werden auch aus dem abflie¬
ßenden Wein gemacht, welcher der Champagnerflasche entflieht, wenn der Satz
bei Entkorkung derselben, nachdem sie einige Zeit mit der Oeffnung nach
unten gekehrt gelegen, entfernt und durch den Liqueur ersetzt wird, der dem
Champagner mehr oder weniger seinen Wohlgeschmack giebt. Sie besitzen nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/271>, abgerufen am 24.08.2024.