Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

man 30 Sons. Herr Oury sagte uns ferner, daß jedes Jahr Reblaub zum
Verkauf kommt und leicht Käufer zum Preise von fünfzehn bis zwanzigtausend
Francs die Hectare findet, was einen Durchschnittswert!) von zweitausend
Thaler für den Acker giebt. Da das Grundeigenthum in solche unendlich
kleine Fleckchen zersplittert ist, so wurden sie nur selten von den großen Cham¬
pagnerhäusern aufgekauft, da diese keine Lust hatten, sich mit dem Betrieb
solcher winziger Beete zu beschäftigen, sondern es vorzogen, das Erzeugniß von
deren Bedauern auszulaufen.

Um die Weinberge an den nördlichen Abhängen zu erreichen, kehren wir
nach Bouzy zurück und steigen über den Berg, wo Hasen beinahe so zahlreich
wie unten auf der Ebene die Rebhühner mit dem Spazierstock erlegt werden
könnten. Drunten tief in der Mulde, jenseits der bewaldeten Kuppen, die uns
auf allen Seiten umgeben, und wo gelegentlich eine alte gebrechliche Wind¬
mühle sich dreht, breiten sich die weiten Gefilde der Champagne vor uns aus,
bedeckt in Zwischenräumen mit weißen Dörfern und zerstreuten Gehöften-
Hier windet sich zwischen Pappel- und Lindengruppen, im Sonnenschein glän¬
zend, die vielgekrümmte Veste durch das Land. Dort erhebt sich der Doppel¬
thüren der Kathedrale von Reims, durch dessen durchbrochnes dunkles Mauer¬
werk der blaßblaue Himmel hindurchblickt, in majestätischer Schönheit
vor uns.

Als wir den Hügelzug auf der andern Seite hinabstiegen, übersahen wir
eine wogende See von Neben und erblickten in der Ferne im Kranze von
Bäumen das Dorf Manis. Hier hatte die Lese noch weniger als in Bouzy
und Ambonnay ergeben, es war nur ein Drittel der Durchschnittsernte ge¬
wonnen worden. Auch hier schrieb man diesen geringen Ertrag dem harten
Winter zu. Bei der einen Presse sahen wir zu, wie man arbeitete. Man
hatte zwischen 350 und 400 Stück Wein fertig, indem die Leute täglich zwan¬
zig Stunden thätig gewesen waren und in dieser Zeit ungefähr dreißig Stück
Most ausgepreßt hatten. Die Presse war ein altmodisches Ding, welches
große Ähnlichkeit mit einer Aepfelweinpresse hatte. Der Most wurde in große
Kufen entleert, von denen jede etwa 6000 Flaschen faßte, und verblieb darin
drei Tage, worauf er auf Fässer gefüllt wurde. Von den obigen dreißig Stück
waren zwanzig das Ergebniß der ersten Pressung und deshalb von feinster
Qualität, die 800 Francs das Stück kostete. Vier, aus der zweiten Pressung
hervorgegangen, wurden zur Ersetzung des Verlustes aufgehoben, den jene
durch die Fermentation erleiden mußten, die übrigen waren Nachlauf, der das
Stück 300 Francs werth war und zur Anfertigung eines Champagners ver¬
wendet werden sollte, welcher 6 Francs die Flasche kostete. Sechs Stücke, die
man beiseite gestellt, waren das Resultat einer nochmaligen Ausquetschung
und sollten mit etwas gewöhnlichem Landwein vermischt zur Fabrikation


man 30 Sons. Herr Oury sagte uns ferner, daß jedes Jahr Reblaub zum
Verkauf kommt und leicht Käufer zum Preise von fünfzehn bis zwanzigtausend
Francs die Hectare findet, was einen Durchschnittswert!) von zweitausend
Thaler für den Acker giebt. Da das Grundeigenthum in solche unendlich
kleine Fleckchen zersplittert ist, so wurden sie nur selten von den großen Cham¬
pagnerhäusern aufgekauft, da diese keine Lust hatten, sich mit dem Betrieb
solcher winziger Beete zu beschäftigen, sondern es vorzogen, das Erzeugniß von
deren Bedauern auszulaufen.

Um die Weinberge an den nördlichen Abhängen zu erreichen, kehren wir
nach Bouzy zurück und steigen über den Berg, wo Hasen beinahe so zahlreich
wie unten auf der Ebene die Rebhühner mit dem Spazierstock erlegt werden
könnten. Drunten tief in der Mulde, jenseits der bewaldeten Kuppen, die uns
auf allen Seiten umgeben, und wo gelegentlich eine alte gebrechliche Wind¬
mühle sich dreht, breiten sich die weiten Gefilde der Champagne vor uns aus,
bedeckt in Zwischenräumen mit weißen Dörfern und zerstreuten Gehöften-
Hier windet sich zwischen Pappel- und Lindengruppen, im Sonnenschein glän¬
zend, die vielgekrümmte Veste durch das Land. Dort erhebt sich der Doppel¬
thüren der Kathedrale von Reims, durch dessen durchbrochnes dunkles Mauer¬
werk der blaßblaue Himmel hindurchblickt, in majestätischer Schönheit
vor uns.

Als wir den Hügelzug auf der andern Seite hinabstiegen, übersahen wir
eine wogende See von Neben und erblickten in der Ferne im Kranze von
Bäumen das Dorf Manis. Hier hatte die Lese noch weniger als in Bouzy
und Ambonnay ergeben, es war nur ein Drittel der Durchschnittsernte ge¬
wonnen worden. Auch hier schrieb man diesen geringen Ertrag dem harten
Winter zu. Bei der einen Presse sahen wir zu, wie man arbeitete. Man
hatte zwischen 350 und 400 Stück Wein fertig, indem die Leute täglich zwan¬
zig Stunden thätig gewesen waren und in dieser Zeit ungefähr dreißig Stück
Most ausgepreßt hatten. Die Presse war ein altmodisches Ding, welches
große Ähnlichkeit mit einer Aepfelweinpresse hatte. Der Most wurde in große
Kufen entleert, von denen jede etwa 6000 Flaschen faßte, und verblieb darin
drei Tage, worauf er auf Fässer gefüllt wurde. Von den obigen dreißig Stück
waren zwanzig das Ergebniß der ersten Pressung und deshalb von feinster
Qualität, die 800 Francs das Stück kostete. Vier, aus der zweiten Pressung
hervorgegangen, wurden zur Ersetzung des Verlustes aufgehoben, den jene
durch die Fermentation erleiden mußten, die übrigen waren Nachlauf, der das
Stück 300 Francs werth war und zur Anfertigung eines Champagners ver¬
wendet werden sollte, welcher 6 Francs die Flasche kostete. Sechs Stücke, die
man beiseite gestellt, waren das Resultat einer nochmaligen Ausquetschung
und sollten mit etwas gewöhnlichem Landwein vermischt zur Fabrikation


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129260"/>
            <p xml:id="ID_843" prev="#ID_842"> man 30 Sons. Herr Oury sagte uns ferner, daß jedes Jahr Reblaub zum<lb/>
Verkauf kommt und leicht Käufer zum Preise von fünfzehn bis zwanzigtausend<lb/>
Francs die Hectare findet, was einen Durchschnittswert!) von zweitausend<lb/>
Thaler für den Acker giebt. Da das Grundeigenthum in solche unendlich<lb/>
kleine Fleckchen zersplittert ist, so wurden sie nur selten von den großen Cham¬<lb/>
pagnerhäusern aufgekauft, da diese keine Lust hatten, sich mit dem Betrieb<lb/>
solcher winziger Beete zu beschäftigen, sondern es vorzogen, das Erzeugniß von<lb/>
deren Bedauern auszulaufen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_844"> Um die Weinberge an den nördlichen Abhängen zu erreichen, kehren wir<lb/>
nach Bouzy zurück und steigen über den Berg, wo Hasen beinahe so zahlreich<lb/>
wie unten auf der Ebene die Rebhühner mit dem Spazierstock erlegt werden<lb/>
könnten. Drunten tief in der Mulde, jenseits der bewaldeten Kuppen, die uns<lb/>
auf allen Seiten umgeben, und wo gelegentlich eine alte gebrechliche Wind¬<lb/>
mühle sich dreht, breiten sich die weiten Gefilde der Champagne vor uns aus,<lb/>
bedeckt in Zwischenräumen mit weißen Dörfern und zerstreuten Gehöften-<lb/>
Hier windet sich zwischen Pappel- und Lindengruppen, im Sonnenschein glän¬<lb/>
zend, die vielgekrümmte Veste durch das Land. Dort erhebt sich der Doppel¬<lb/>
thüren der Kathedrale von Reims, durch dessen durchbrochnes dunkles Mauer¬<lb/>
werk der blaßblaue Himmel hindurchblickt, in majestätischer Schönheit<lb/>
vor uns.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_845" next="#ID_846"> Als wir den Hügelzug auf der andern Seite hinabstiegen, übersahen wir<lb/>
eine wogende See von Neben und erblickten in der Ferne im Kranze von<lb/>
Bäumen das Dorf Manis. Hier hatte die Lese noch weniger als in Bouzy<lb/>
und Ambonnay ergeben, es war nur ein Drittel der Durchschnittsernte ge¬<lb/>
wonnen worden. Auch hier schrieb man diesen geringen Ertrag dem harten<lb/>
Winter zu. Bei der einen Presse sahen wir zu, wie man arbeitete. Man<lb/>
hatte zwischen 350 und 400 Stück Wein fertig, indem die Leute täglich zwan¬<lb/>
zig Stunden thätig gewesen waren und in dieser Zeit ungefähr dreißig Stück<lb/>
Most ausgepreßt hatten. Die Presse war ein altmodisches Ding, welches<lb/>
große Ähnlichkeit mit einer Aepfelweinpresse hatte. Der Most wurde in große<lb/>
Kufen entleert, von denen jede etwa 6000 Flaschen faßte, und verblieb darin<lb/>
drei Tage, worauf er auf Fässer gefüllt wurde. Von den obigen dreißig Stück<lb/>
waren zwanzig das Ergebniß der ersten Pressung und deshalb von feinster<lb/>
Qualität, die 800 Francs das Stück kostete. Vier, aus der zweiten Pressung<lb/>
hervorgegangen, wurden zur Ersetzung des Verlustes aufgehoben, den jene<lb/>
durch die Fermentation erleiden mußten, die übrigen waren Nachlauf, der das<lb/>
Stück 300 Francs werth war und zur Anfertigung eines Champagners ver¬<lb/>
wendet werden sollte, welcher 6 Francs die Flasche kostete. Sechs Stücke, die<lb/>
man beiseite gestellt, waren das Resultat einer nochmaligen Ausquetschung<lb/>
und sollten mit etwas gewöhnlichem Landwein vermischt zur Fabrikation</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0268] man 30 Sons. Herr Oury sagte uns ferner, daß jedes Jahr Reblaub zum Verkauf kommt und leicht Käufer zum Preise von fünfzehn bis zwanzigtausend Francs die Hectare findet, was einen Durchschnittswert!) von zweitausend Thaler für den Acker giebt. Da das Grundeigenthum in solche unendlich kleine Fleckchen zersplittert ist, so wurden sie nur selten von den großen Cham¬ pagnerhäusern aufgekauft, da diese keine Lust hatten, sich mit dem Betrieb solcher winziger Beete zu beschäftigen, sondern es vorzogen, das Erzeugniß von deren Bedauern auszulaufen. Um die Weinberge an den nördlichen Abhängen zu erreichen, kehren wir nach Bouzy zurück und steigen über den Berg, wo Hasen beinahe so zahlreich wie unten auf der Ebene die Rebhühner mit dem Spazierstock erlegt werden könnten. Drunten tief in der Mulde, jenseits der bewaldeten Kuppen, die uns auf allen Seiten umgeben, und wo gelegentlich eine alte gebrechliche Wind¬ mühle sich dreht, breiten sich die weiten Gefilde der Champagne vor uns aus, bedeckt in Zwischenräumen mit weißen Dörfern und zerstreuten Gehöften- Hier windet sich zwischen Pappel- und Lindengruppen, im Sonnenschein glän¬ zend, die vielgekrümmte Veste durch das Land. Dort erhebt sich der Doppel¬ thüren der Kathedrale von Reims, durch dessen durchbrochnes dunkles Mauer¬ werk der blaßblaue Himmel hindurchblickt, in majestätischer Schönheit vor uns. Als wir den Hügelzug auf der andern Seite hinabstiegen, übersahen wir eine wogende See von Neben und erblickten in der Ferne im Kranze von Bäumen das Dorf Manis. Hier hatte die Lese noch weniger als in Bouzy und Ambonnay ergeben, es war nur ein Drittel der Durchschnittsernte ge¬ wonnen worden. Auch hier schrieb man diesen geringen Ertrag dem harten Winter zu. Bei der einen Presse sahen wir zu, wie man arbeitete. Man hatte zwischen 350 und 400 Stück Wein fertig, indem die Leute täglich zwan¬ zig Stunden thätig gewesen waren und in dieser Zeit ungefähr dreißig Stück Most ausgepreßt hatten. Die Presse war ein altmodisches Ding, welches große Ähnlichkeit mit einer Aepfelweinpresse hatte. Der Most wurde in große Kufen entleert, von denen jede etwa 6000 Flaschen faßte, und verblieb darin drei Tage, worauf er auf Fässer gefüllt wurde. Von den obigen dreißig Stück waren zwanzig das Ergebniß der ersten Pressung und deshalb von feinster Qualität, die 800 Francs das Stück kostete. Vier, aus der zweiten Pressung hervorgegangen, wurden zur Ersetzung des Verlustes aufgehoben, den jene durch die Fermentation erleiden mußten, die übrigen waren Nachlauf, der das Stück 300 Francs werth war und zur Anfertigung eines Champagners ver¬ wendet werden sollte, welcher 6 Francs die Flasche kostete. Sechs Stücke, die man beiseite gestellt, waren das Resultat einer nochmaligen Ausquetschung und sollten mit etwas gewöhnlichem Landwein vermischt zur Fabrikation

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/268
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/268>, abgerufen am 24.08.2024.