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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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tausend Kufen mit Wein, der jene mächtige Blume ausströmte, wegen welcher
die Trauben von Bouzy so berühmt sind. Sie kamen alle aus der altmo¬
dischen plump gestalteten Kelter, die von dem bleichrothen Most triefte und
ihre ganze Umgebung mit concentrirten Duft erfüllte.

Die Firma Veuve Clicquot-Ponsardin besitzt zu Bouzy zwischen vierzig
und fünfzig Acker der edelsten Reben, die einen beträchtlichen Theil der ganzen
Weincultur des Orts ausmachen. Doch würden dieselben dieses Jahr, welches
nur die Hälfte einer Mittellese lieferte, nicht mehr als 130 Stück Wein
geben. Folglich hatte man sowohl in Bouzy als in Ambonnay erhebliche
Massen von Trauben aufhäufen müssen, um die 44,000 Gallonen Wein zu
produciren, die wir hier in Fässer füllen sahen. Einige von diesen Trauben,
die diesen Morgen gelesen worden waren und mit 110 Francs die "oacMk"
von 60 Kilogrammen bezahlt wurden, wurden gerade von den Verkäufern
am "pressoir" der Clicquot'schen Fabrik abgeliefert. Man maß sie korbweise
in die eahuö ab, ein Gefäß von der Große eines Eimerfasses, während ein
Aufseher mit rothem blühendem Gesicht sie auf dem Deckel eines daneben
stehenden Fasses mit einem Stück Kreide aufzeichnete.

Sobald der Inhalt von etwa einem halben Hundert dieser Körbe voll
Trauben auf den Boden der Presse entleert war, wurden die Trauben, ohne
von ihren Stielen gelöst worden zu sein, möglichst dicht und eben an einan-
dergeschichtet und ihnen eine mäßige Pressung applicirt, indem die feineren
Eigenschaften der Beeren, wie man uns sagte, denselben mehr durch allmählig
zunehmende als durch aufeinmal mit Macht wirkende Quetschung entlockt
werden. Wir erzählen das so im Detail, weil Erfahrung uns gelehrt, daß
ungefähr Alle wissen, wie Champagner getrunken, wenige aber, wie er gemacht
wird. Jene Operation wird, wie man uns belehrte, sechs mal wiederholt.
Das Ergebniß der drei ersten Pressungen wird zur Verwandlung in Cham¬
pagner aufgehoben, nachdem es nach Herkommen mit dem Product andrer
Weinberge vermischt worden ist. Der Ertrag der vierten Pressung wird zur
Ersetzung des durchschnittlich 7^2 Procent betragenden Verlustes verwendet,
den der Most bei der Gährung erleidet, wogegen das, was aus der fünften
Pressung hervorgeht, zur Anfertigung eines Champagners untergeordneter
Qualität verkauft wird. Die Trauben werden dann tüchtig durchgeharkt und
dann noch ein sechstes Mal ausgequetscht, was man "i^doetio" nennt, und
woraus eine Art Kutscher wird, den man die an der Kelter beschäftigten
Leuten trinken läßt.

Der nicht moussirende Rothwein von Bouzy, der von der Firma Clicquot
in derselben Presse gemacht wird, erhebt nur in besonders guten Jahren An¬
spruch darauf, als ein Wein von Werth angesehen zu werden. Nur eine kleine
Quantität wird gemacht, die nur unter ausnahmsweise günstigen Umständen


tausend Kufen mit Wein, der jene mächtige Blume ausströmte, wegen welcher
die Trauben von Bouzy so berühmt sind. Sie kamen alle aus der altmo¬
dischen plump gestalteten Kelter, die von dem bleichrothen Most triefte und
ihre ganze Umgebung mit concentrirten Duft erfüllte.

Die Firma Veuve Clicquot-Ponsardin besitzt zu Bouzy zwischen vierzig
und fünfzig Acker der edelsten Reben, die einen beträchtlichen Theil der ganzen
Weincultur des Orts ausmachen. Doch würden dieselben dieses Jahr, welches
nur die Hälfte einer Mittellese lieferte, nicht mehr als 130 Stück Wein
geben. Folglich hatte man sowohl in Bouzy als in Ambonnay erhebliche
Massen von Trauben aufhäufen müssen, um die 44,000 Gallonen Wein zu
produciren, die wir hier in Fässer füllen sahen. Einige von diesen Trauben,
die diesen Morgen gelesen worden waren und mit 110 Francs die „oacMk"
von 60 Kilogrammen bezahlt wurden, wurden gerade von den Verkäufern
am „pressoir" der Clicquot'schen Fabrik abgeliefert. Man maß sie korbweise
in die eahuö ab, ein Gefäß von der Große eines Eimerfasses, während ein
Aufseher mit rothem blühendem Gesicht sie auf dem Deckel eines daneben
stehenden Fasses mit einem Stück Kreide aufzeichnete.

Sobald der Inhalt von etwa einem halben Hundert dieser Körbe voll
Trauben auf den Boden der Presse entleert war, wurden die Trauben, ohne
von ihren Stielen gelöst worden zu sein, möglichst dicht und eben an einan-
dergeschichtet und ihnen eine mäßige Pressung applicirt, indem die feineren
Eigenschaften der Beeren, wie man uns sagte, denselben mehr durch allmählig
zunehmende als durch aufeinmal mit Macht wirkende Quetschung entlockt
werden. Wir erzählen das so im Detail, weil Erfahrung uns gelehrt, daß
ungefähr Alle wissen, wie Champagner getrunken, wenige aber, wie er gemacht
wird. Jene Operation wird, wie man uns belehrte, sechs mal wiederholt.
Das Ergebniß der drei ersten Pressungen wird zur Verwandlung in Cham¬
pagner aufgehoben, nachdem es nach Herkommen mit dem Product andrer
Weinberge vermischt worden ist. Der Ertrag der vierten Pressung wird zur
Ersetzung des durchschnittlich 7^2 Procent betragenden Verlustes verwendet,
den der Most bei der Gährung erleidet, wogegen das, was aus der fünften
Pressung hervorgeht, zur Anfertigung eines Champagners untergeordneter
Qualität verkauft wird. Die Trauben werden dann tüchtig durchgeharkt und
dann noch ein sechstes Mal ausgequetscht, was man „i^doetio" nennt, und
woraus eine Art Kutscher wird, den man die an der Kelter beschäftigten
Leuten trinken läßt.

Der nicht moussirende Rothwein von Bouzy, der von der Firma Clicquot
in derselben Presse gemacht wird, erhebt nur in besonders guten Jahren An¬
spruch darauf, als ein Wein von Werth angesehen zu werden. Nur eine kleine
Quantität wird gemacht, die nur unter ausnahmsweise günstigen Umständen


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[0266] tausend Kufen mit Wein, der jene mächtige Blume ausströmte, wegen welcher die Trauben von Bouzy so berühmt sind. Sie kamen alle aus der altmo¬ dischen plump gestalteten Kelter, die von dem bleichrothen Most triefte und ihre ganze Umgebung mit concentrirten Duft erfüllte. Die Firma Veuve Clicquot-Ponsardin besitzt zu Bouzy zwischen vierzig und fünfzig Acker der edelsten Reben, die einen beträchtlichen Theil der ganzen Weincultur des Orts ausmachen. Doch würden dieselben dieses Jahr, welches nur die Hälfte einer Mittellese lieferte, nicht mehr als 130 Stück Wein geben. Folglich hatte man sowohl in Bouzy als in Ambonnay erhebliche Massen von Trauben aufhäufen müssen, um die 44,000 Gallonen Wein zu produciren, die wir hier in Fässer füllen sahen. Einige von diesen Trauben, die diesen Morgen gelesen worden waren und mit 110 Francs die „oacMk" von 60 Kilogrammen bezahlt wurden, wurden gerade von den Verkäufern am „pressoir" der Clicquot'schen Fabrik abgeliefert. Man maß sie korbweise in die eahuö ab, ein Gefäß von der Große eines Eimerfasses, während ein Aufseher mit rothem blühendem Gesicht sie auf dem Deckel eines daneben stehenden Fasses mit einem Stück Kreide aufzeichnete. Sobald der Inhalt von etwa einem halben Hundert dieser Körbe voll Trauben auf den Boden der Presse entleert war, wurden die Trauben, ohne von ihren Stielen gelöst worden zu sein, möglichst dicht und eben an einan- dergeschichtet und ihnen eine mäßige Pressung applicirt, indem die feineren Eigenschaften der Beeren, wie man uns sagte, denselben mehr durch allmählig zunehmende als durch aufeinmal mit Macht wirkende Quetschung entlockt werden. Wir erzählen das so im Detail, weil Erfahrung uns gelehrt, daß ungefähr Alle wissen, wie Champagner getrunken, wenige aber, wie er gemacht wird. Jene Operation wird, wie man uns belehrte, sechs mal wiederholt. Das Ergebniß der drei ersten Pressungen wird zur Verwandlung in Cham¬ pagner aufgehoben, nachdem es nach Herkommen mit dem Product andrer Weinberge vermischt worden ist. Der Ertrag der vierten Pressung wird zur Ersetzung des durchschnittlich 7^2 Procent betragenden Verlustes verwendet, den der Most bei der Gährung erleidet, wogegen das, was aus der fünften Pressung hervorgeht, zur Anfertigung eines Champagners untergeordneter Qualität verkauft wird. Die Trauben werden dann tüchtig durchgeharkt und dann noch ein sechstes Mal ausgequetscht, was man „i^doetio" nennt, und woraus eine Art Kutscher wird, den man die an der Kelter beschäftigten Leuten trinken läßt. Der nicht moussirende Rothwein von Bouzy, der von der Firma Clicquot in derselben Presse gemacht wird, erhebt nur in besonders guten Jahren An¬ spruch darauf, als ein Wein von Werth angesehen zu werden. Nur eine kleine Quantität wird gemacht, die nur unter ausnahmsweise günstigen Umständen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/266>, abgerufen am 24.08.2024.