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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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beschränkte Zahl von Weinbergsbesitzern zugleich Weinbereiter sind. Die haupt¬
sächlichsten Champagnerfabrikanten, welche rings um Reims und Epernay zer¬
streut eine Menge eigner Weinberge besitzen, haben bei ihnen allen "prizssoirs",
und andere große Eigenthümer von Rebländereien pressen gleichfalls ihre ei¬
genen Trauben. Die Masse der kleinen Winzer dagegen verkaufen ausnahms¬
los ihre Ernten an einen oder den andern von jenen zu einem gewissen Preise
Per "eg^us", ein Maß, welches sechzig Kilogramm Trauben hält.

Ferner mag bemerkt werden, daß kein Champagnerfabrikant von irgend¬
welcher Bedeutung, anch wenn er nur eine Qualität von Wein producirt, sich
auf Wein einer einzigen Gattung beschränkt. Er macht seinen Wein herbe,
süß oder stark, je nach dem Markte, für den er bestimmt ist. Clicquot-Cham-
Pagner. der immer noch seinen alten Ruf bewahrt, fand seinem Hauptabsatz
in Rußland als süßer Wein, und der ist er noch, wenn er für russische oder
französische Märkte bereitet wird. Dagegen ist er ein völlig herber Wein,
wenn er für englischen Verbrauch versandt wird. Ganz ebenso verhält es sich
mit den übrigen wohlbekannten Marken. Die starken süßen Weine gehen
nach Deutschland und Rußland, die mittelschweren meist nach den Vereinigten
Staaten, während die leichteren vorzüglich in Frankreich consumirt, die herben
und mäßig schweren in England, die leichteren herben in China, Aegypten
und Ostindien getrunken werden, die besonders schweren aber nach Californien
und Australien sowie nach andern Gegenden ihren Weg nehmen, wo Gold,
Diamanten und ähnliche Kleinigkeiten gefunden werden.

Nicht gerade zu besonderer Befriedigung unserer Leser wird gereichen,
wenn man erfährt, daß die besten Weine der besten Fabrikanten, die natür¬
lich auch die besten Preise erzielen -- nämlich sieben bis acht Francs die
Flasche am Ablieferungsort in Reims und Epernay -- fast ausnahmslos für
John Bull's Kehle reservirt werden; denn herber Champagner von leidlichem
Wohlgeschmack kann nur aus erlesenen Most gemacht werden, wogegen sich
süßer Champagner schier aus allem Möglichen zurechtmachen läßt -- die Aan-
kees verstehen sogar aus Petroleum welchen zu brauen -- indem die Masse
des zugesetzten Zuckerstoffes den ursprünglichen Charakter vor Gaumen und
Zunge so gut wie vollständig masktrt.

Der Champagner ist das Ergebniß einer Mischung des Saftes sowohl
blauer als weißer Trauben. Vier Fünftel der ersteren werden gemeiniglich
mit einem Fünftel der letzteren und einem gewissen Procentsatz von Zucker
und Sprit gemischt. Von den blauen Trauben gewinnt der Wein seine soliden
weinigen Eigenschaften, und diese finden sich wieder namentlich in der Pirol.
Sorte, die ihren Namen davon hat, daß ihre Trauben die komische Form der
Fichte (l>me) annehmen, und welche dieselbe ist, aus welcher alle großen Bur¬
gunderweine producirt werden. Sie giebt nur eine mäßige Ernte, aber es ist


beschränkte Zahl von Weinbergsbesitzern zugleich Weinbereiter sind. Die haupt¬
sächlichsten Champagnerfabrikanten, welche rings um Reims und Epernay zer¬
streut eine Menge eigner Weinberge besitzen, haben bei ihnen allen „prizssoirs",
und andere große Eigenthümer von Rebländereien pressen gleichfalls ihre ei¬
genen Trauben. Die Masse der kleinen Winzer dagegen verkaufen ausnahms¬
los ihre Ernten an einen oder den andern von jenen zu einem gewissen Preise
Per „eg^us", ein Maß, welches sechzig Kilogramm Trauben hält.

Ferner mag bemerkt werden, daß kein Champagnerfabrikant von irgend¬
welcher Bedeutung, anch wenn er nur eine Qualität von Wein producirt, sich
auf Wein einer einzigen Gattung beschränkt. Er macht seinen Wein herbe,
süß oder stark, je nach dem Markte, für den er bestimmt ist. Clicquot-Cham-
Pagner. der immer noch seinen alten Ruf bewahrt, fand seinem Hauptabsatz
in Rußland als süßer Wein, und der ist er noch, wenn er für russische oder
französische Märkte bereitet wird. Dagegen ist er ein völlig herber Wein,
wenn er für englischen Verbrauch versandt wird. Ganz ebenso verhält es sich
mit den übrigen wohlbekannten Marken. Die starken süßen Weine gehen
nach Deutschland und Rußland, die mittelschweren meist nach den Vereinigten
Staaten, während die leichteren vorzüglich in Frankreich consumirt, die herben
und mäßig schweren in England, die leichteren herben in China, Aegypten
und Ostindien getrunken werden, die besonders schweren aber nach Californien
und Australien sowie nach andern Gegenden ihren Weg nehmen, wo Gold,
Diamanten und ähnliche Kleinigkeiten gefunden werden.

Nicht gerade zu besonderer Befriedigung unserer Leser wird gereichen,
wenn man erfährt, daß die besten Weine der besten Fabrikanten, die natür¬
lich auch die besten Preise erzielen — nämlich sieben bis acht Francs die
Flasche am Ablieferungsort in Reims und Epernay — fast ausnahmslos für
John Bull's Kehle reservirt werden; denn herber Champagner von leidlichem
Wohlgeschmack kann nur aus erlesenen Most gemacht werden, wogegen sich
süßer Champagner schier aus allem Möglichen zurechtmachen läßt — die Aan-
kees verstehen sogar aus Petroleum welchen zu brauen — indem die Masse
des zugesetzten Zuckerstoffes den ursprünglichen Charakter vor Gaumen und
Zunge so gut wie vollständig masktrt.

Der Champagner ist das Ergebniß einer Mischung des Saftes sowohl
blauer als weißer Trauben. Vier Fünftel der ersteren werden gemeiniglich
mit einem Fünftel der letzteren und einem gewissen Procentsatz von Zucker
und Sprit gemischt. Von den blauen Trauben gewinnt der Wein seine soliden
weinigen Eigenschaften, und diese finden sich wieder namentlich in der Pirol.
Sorte, die ihren Namen davon hat, daß ihre Trauben die komische Form der
Fichte (l>me) annehmen, und welche dieselbe ist, aus welcher alle großen Bur¬
gunderweine producirt werden. Sie giebt nur eine mäßige Ernte, aber es ist


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[0261] beschränkte Zahl von Weinbergsbesitzern zugleich Weinbereiter sind. Die haupt¬ sächlichsten Champagnerfabrikanten, welche rings um Reims und Epernay zer¬ streut eine Menge eigner Weinberge besitzen, haben bei ihnen allen „prizssoirs", und andere große Eigenthümer von Rebländereien pressen gleichfalls ihre ei¬ genen Trauben. Die Masse der kleinen Winzer dagegen verkaufen ausnahms¬ los ihre Ernten an einen oder den andern von jenen zu einem gewissen Preise Per „eg^us", ein Maß, welches sechzig Kilogramm Trauben hält. Ferner mag bemerkt werden, daß kein Champagnerfabrikant von irgend¬ welcher Bedeutung, anch wenn er nur eine Qualität von Wein producirt, sich auf Wein einer einzigen Gattung beschränkt. Er macht seinen Wein herbe, süß oder stark, je nach dem Markte, für den er bestimmt ist. Clicquot-Cham- Pagner. der immer noch seinen alten Ruf bewahrt, fand seinem Hauptabsatz in Rußland als süßer Wein, und der ist er noch, wenn er für russische oder französische Märkte bereitet wird. Dagegen ist er ein völlig herber Wein, wenn er für englischen Verbrauch versandt wird. Ganz ebenso verhält es sich mit den übrigen wohlbekannten Marken. Die starken süßen Weine gehen nach Deutschland und Rußland, die mittelschweren meist nach den Vereinigten Staaten, während die leichteren vorzüglich in Frankreich consumirt, die herben und mäßig schweren in England, die leichteren herben in China, Aegypten und Ostindien getrunken werden, die besonders schweren aber nach Californien und Australien sowie nach andern Gegenden ihren Weg nehmen, wo Gold, Diamanten und ähnliche Kleinigkeiten gefunden werden. Nicht gerade zu besonderer Befriedigung unserer Leser wird gereichen, wenn man erfährt, daß die besten Weine der besten Fabrikanten, die natür¬ lich auch die besten Preise erzielen — nämlich sieben bis acht Francs die Flasche am Ablieferungsort in Reims und Epernay — fast ausnahmslos für John Bull's Kehle reservirt werden; denn herber Champagner von leidlichem Wohlgeschmack kann nur aus erlesenen Most gemacht werden, wogegen sich süßer Champagner schier aus allem Möglichen zurechtmachen läßt — die Aan- kees verstehen sogar aus Petroleum welchen zu brauen — indem die Masse des zugesetzten Zuckerstoffes den ursprünglichen Charakter vor Gaumen und Zunge so gut wie vollständig masktrt. Der Champagner ist das Ergebniß einer Mischung des Saftes sowohl blauer als weißer Trauben. Vier Fünftel der ersteren werden gemeiniglich mit einem Fünftel der letzteren und einem gewissen Procentsatz von Zucker und Sprit gemischt. Von den blauen Trauben gewinnt der Wein seine soliden weinigen Eigenschaften, und diese finden sich wieder namentlich in der Pirol. Sorte, die ihren Namen davon hat, daß ihre Trauben die komische Form der Fichte (l>me) annehmen, und welche dieselbe ist, aus welcher alle großen Bur¬ gunderweine producirt werden. Sie giebt nur eine mäßige Ernte, aber es ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/261>, abgerufen am 24.08.2024.