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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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bergs in seiner Eisenbahnpolitik auf eine Karte setzt, um so mehr gibt es
für die Zukunft das Land wehrlos in die Hände des Reichs. Der Parttcu-
l ". arismus gräbt sich so seine eigene Grube.




KeisesKizzen aus Aelgien.
Ostende. Gent.

Während Brügge, von der Glorie vergangener Zeiten verschönt, in seiner
Stille und Verödung wie eine wohlerhaltene Ruine erscheint, pulsirt in Ost¬
ende auf Schritt und Tritt echtes, modernes Leben. Mehr und mehr hat
dieser Hafen den Character eines Centralpunkts für den internationalen Reise¬
verkehr erhalten; der Hauptstrom der Touristen Old Englands nimmt seinen
Weg nach dem Continent über Ostende. Andrerseits bietet die vortreffliche
Verbindung, welche durch belgische Regierungsdampfer zwischen Ost ende
und Dover täglich zweimal unterhalten wird, große Annehmlichkeiten für
Denjenigen, der schnell und sicher nach England hinüber gelangen will. Die
Fahrt bis Dover dauert 6--7 Stunden, die Eisenbahnfahrt von Dover bis
London Stunden. Natürlich ist der interessanteste Punkt in Ostende die
Digue, der große 30 Fuß hohe Steindamm, welcher die Stadt vor den an¬
dringenden Meeresfluthen schützt. Im Sommer belebt das bunte Gewühl
der Badegäste diesen Corso Ostende's. Vorzugsweise treffen dann deutsche Laute
das Ohr; der edle Jargon der Spandauer-, Königs- und Friedrichsstraße
Berlin's ist dann in einer Fülle-und Reinheit vertreten, welche sich aus dem
babylonischen Sprachengewirr angenehm abhebt. Nach Beendigung der Saison
schließt der in barockem maurischen Styl erbaute Kursaal, den die Belgier
"Kürrsahl" nennen, als ob es sich um eine specifisch deutsche Einrichtung han¬
delte, seine Salons und Restaurants mit der wunderbar herrlichen Aussicht auf
das Meer; die Pavillons sind leer und auch das "Paradies" am Ende des Dam¬
mes, wo kein Badeanzug <le riguenr die Gliederpracht badender Antinousse verhüllt,
liegt vereinsamt da. Nur an dem Landungsplatze der Dampfer, welcher neuer¬
dings sehr zweckmäßig mit dem Bahnhofe der Brüsseler Eisenbahnroute in
Verbindung gebracht ist, am (Zus.i as herrscht auch außerhalb
der Badesaison, namentlich zu den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Schiffe reges
Leben und die Scenerie ist dort reich an stets wechselnden malerischen Effecten.
Dann füllt sich der Damm des Bassin de Commerce mit zahlreichen
Neugierigen, Touristen, wettergebräuntsn Seeleuten, Gepäckträgern, blondge¬
lockten blassen Ladys und daneben mit allerlei eatilinarischen Existenzen, in


bergs in seiner Eisenbahnpolitik auf eine Karte setzt, um so mehr gibt es
für die Zukunft das Land wehrlos in die Hände des Reichs. Der Parttcu-
l «. arismus gräbt sich so seine eigene Grube.




KeisesKizzen aus Aelgien.
Ostende. Gent.

Während Brügge, von der Glorie vergangener Zeiten verschönt, in seiner
Stille und Verödung wie eine wohlerhaltene Ruine erscheint, pulsirt in Ost¬
ende auf Schritt und Tritt echtes, modernes Leben. Mehr und mehr hat
dieser Hafen den Character eines Centralpunkts für den internationalen Reise¬
verkehr erhalten; der Hauptstrom der Touristen Old Englands nimmt seinen
Weg nach dem Continent über Ostende. Andrerseits bietet die vortreffliche
Verbindung, welche durch belgische Regierungsdampfer zwischen Ost ende
und Dover täglich zweimal unterhalten wird, große Annehmlichkeiten für
Denjenigen, der schnell und sicher nach England hinüber gelangen will. Die
Fahrt bis Dover dauert 6—7 Stunden, die Eisenbahnfahrt von Dover bis
London Stunden. Natürlich ist der interessanteste Punkt in Ostende die
Digue, der große 30 Fuß hohe Steindamm, welcher die Stadt vor den an¬
dringenden Meeresfluthen schützt. Im Sommer belebt das bunte Gewühl
der Badegäste diesen Corso Ostende's. Vorzugsweise treffen dann deutsche Laute
das Ohr; der edle Jargon der Spandauer-, Königs- und Friedrichsstraße
Berlin's ist dann in einer Fülle-und Reinheit vertreten, welche sich aus dem
babylonischen Sprachengewirr angenehm abhebt. Nach Beendigung der Saison
schließt der in barockem maurischen Styl erbaute Kursaal, den die Belgier
„Kürrsahl" nennen, als ob es sich um eine specifisch deutsche Einrichtung han¬
delte, seine Salons und Restaurants mit der wunderbar herrlichen Aussicht auf
das Meer; die Pavillons sind leer und auch das „Paradies" am Ende des Dam¬
mes, wo kein Badeanzug <le riguenr die Gliederpracht badender Antinousse verhüllt,
liegt vereinsamt da. Nur an dem Landungsplatze der Dampfer, welcher neuer¬
dings sehr zweckmäßig mit dem Bahnhofe der Brüsseler Eisenbahnroute in
Verbindung gebracht ist, am (Zus.i as herrscht auch außerhalb
der Badesaison, namentlich zu den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Schiffe reges
Leben und die Scenerie ist dort reich an stets wechselnden malerischen Effecten.
Dann füllt sich der Damm des Bassin de Commerce mit zahlreichen
Neugierigen, Touristen, wettergebräuntsn Seeleuten, Gepäckträgern, blondge¬
lockten blassen Ladys und daneben mit allerlei eatilinarischen Existenzen, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/239>, abgerufen am 29.09.2024.