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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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dem hartnäckigen Widerstande beharren würde, zu übertreiben, erstere dagegen
ihre eigene Bedrängniß nicht verschwiegen und sich merken ließen, daß sie sich
der Halsstarrigkeit des Barons nicht ganz und gar und bis auf den letzten
Mann aufopfern wollten.

Am nächsten Morgen begann daher der Angriff aus das Schloß mit noch
größerem Ungestüm, wobei der Graf sich zu Roß an der Spitze der stürmen¬
den befand. Jnfontanetta versuchte wiederum durch das Thor del Catagno
einzudringen, Ferrante Lucchesi aber durch die schon früher in die Mauer bei
den Marställen gemachte Bresche, während Jmpugiades mit seinen Reitern
fortwährend vor dem Kloster äöUo lAummare halten blieb. Luccchesi drang
in der That auch mit Calogero Dunda in die Marställe ein und durch diese
in den Hof, wo er Giacomo auf der Schwelle eines oberen Saales erblickte
und ihm zurief, sich zu ergeben. "Nicht dir!" erwiederte Perollo, und nach¬
dem er mit seinen Gefährten die Büchsen auf die Angreifer abgefeuert, zogen
sie sich in den erwähnten Saal zurück. Zu Lucchesi stießen dann in dem Hofe
die anderen Leute Luna's, da es Jnfontanella endlich gelungen war, das von ihm
angegriffene Thor zu verbrennen und einzurennen, worauf sie mit vereinten
Kräften gegen den Saal los drangen, in welchem Giacomo sich eingeschlossen. In¬
zwischen hatte sich jedoch Giacomo, Girolamo Perollo mit Anderen durch ein Fenster
an einem Stricke in die Straße hinabgelassen und verborgen. Das Schloß
war nun gänzlich in der Gewalt der Angreifer, die es vollständig aus¬
plünderten und verwüsteten, wobei Calogero Calandrini in einer Cisterne eine
große Menge Gold- und Silbersachen entdeckte und sich derselben bemächtigte.
Sigismund, der die Seinigen bereits in das Schloß eingedrungen sah, ließ
nun das Feuer der Bombarden einstellen und stieg in den Hauptthurm hinauf.
Bei seinem Erscheinen stießen die Baronin Perollo und die jüngeren Kinder
Giacomo's ein lautes Jammergeschrei aus, warfen sich unter Schluchzen und
Thränen ihm zu Füßen und flehten um Gnade. Trotz seines Siegesrausches
und trotz seines wilden Charakters, empfand der Graf dennoch ein Gefühl von
Rührung und Mitleid, so daß er mit ritterlicher Achtung vor der Baronin
Geschlecht und Rang die Worte herausstammelte: "Stehet auf, Signora,-
fürchtet nichts und weinet nicht so sehr . . . warum hat Perollo mich so schwer
beleidigt? warum hat er mich mit Gewalt dazu getrieben;" Er faßte sie
hierauf bei der Hand und brachte sie in das Kloster actis KIuwmai-L in
Sicherheit. Auch Gian Paolo Perollo, der in dem Hauptthurme zum Schutze
der Familie Giacomo's zurückgeblieben war, kam, als er die Frauen in Sicher¬
heit sah, aus seinem Versteck hervor und suchte sich zu retten. Er begegnete dabei
Ferrante Lucchesi, der vielleicht aus Rücksicht auf die ehemalige Freundschaft
oder aus Achtung für die Tapferkeit seines Gegners ihm die Hand entgegen¬
streckte und ihn frei seines Weges gehen ließ.


dem hartnäckigen Widerstande beharren würde, zu übertreiben, erstere dagegen
ihre eigene Bedrängniß nicht verschwiegen und sich merken ließen, daß sie sich
der Halsstarrigkeit des Barons nicht ganz und gar und bis auf den letzten
Mann aufopfern wollten.

Am nächsten Morgen begann daher der Angriff aus das Schloß mit noch
größerem Ungestüm, wobei der Graf sich zu Roß an der Spitze der stürmen¬
den befand. Jnfontanetta versuchte wiederum durch das Thor del Catagno
einzudringen, Ferrante Lucchesi aber durch die schon früher in die Mauer bei
den Marställen gemachte Bresche, während Jmpugiades mit seinen Reitern
fortwährend vor dem Kloster äöUo lAummare halten blieb. Luccchesi drang
in der That auch mit Calogero Dunda in die Marställe ein und durch diese
in den Hof, wo er Giacomo auf der Schwelle eines oberen Saales erblickte
und ihm zurief, sich zu ergeben. „Nicht dir!" erwiederte Perollo, und nach¬
dem er mit seinen Gefährten die Büchsen auf die Angreifer abgefeuert, zogen
sie sich in den erwähnten Saal zurück. Zu Lucchesi stießen dann in dem Hofe
die anderen Leute Luna's, da es Jnfontanella endlich gelungen war, das von ihm
angegriffene Thor zu verbrennen und einzurennen, worauf sie mit vereinten
Kräften gegen den Saal los drangen, in welchem Giacomo sich eingeschlossen. In¬
zwischen hatte sich jedoch Giacomo, Girolamo Perollo mit Anderen durch ein Fenster
an einem Stricke in die Straße hinabgelassen und verborgen. Das Schloß
war nun gänzlich in der Gewalt der Angreifer, die es vollständig aus¬
plünderten und verwüsteten, wobei Calogero Calandrini in einer Cisterne eine
große Menge Gold- und Silbersachen entdeckte und sich derselben bemächtigte.
Sigismund, der die Seinigen bereits in das Schloß eingedrungen sah, ließ
nun das Feuer der Bombarden einstellen und stieg in den Hauptthurm hinauf.
Bei seinem Erscheinen stießen die Baronin Perollo und die jüngeren Kinder
Giacomo's ein lautes Jammergeschrei aus, warfen sich unter Schluchzen und
Thränen ihm zu Füßen und flehten um Gnade. Trotz seines Siegesrausches
und trotz seines wilden Charakters, empfand der Graf dennoch ein Gefühl von
Rührung und Mitleid, so daß er mit ritterlicher Achtung vor der Baronin
Geschlecht und Rang die Worte herausstammelte: „Stehet auf, Signora,-
fürchtet nichts und weinet nicht so sehr . . . warum hat Perollo mich so schwer
beleidigt? warum hat er mich mit Gewalt dazu getrieben;" Er faßte sie
hierauf bei der Hand und brachte sie in das Kloster actis KIuwmai-L in
Sicherheit. Auch Gian Paolo Perollo, der in dem Hauptthurme zum Schutze
der Familie Giacomo's zurückgeblieben war, kam, als er die Frauen in Sicher¬
heit sah, aus seinem Versteck hervor und suchte sich zu retten. Er begegnete dabei
Ferrante Lucchesi, der vielleicht aus Rücksicht auf die ehemalige Freundschaft
oder aus Achtung für die Tapferkeit seines Gegners ihm die Hand entgegen¬
streckte und ihn frei seines Weges gehen ließ.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/180>, abgerufen am 24.08.2024.