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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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an das Petersthor, während Lucchesi, nach Durchbrechung einer in der Nähe
der Marställe befindlichen Mauer, dort eine Viertelschlange aufstellte, die im
Innern großen Schaden anrichtete, und Pietro Giliberto, sich der benachbarten
Wohnung Girolamo Perollo's bemächtigte, auf die Dächer derselben stieg, und
von dort aus ein fortwährendes Musketenfeuer auf das Schloß unterhielt,
das sogar den Hof bestrick). Doch gelang es den Angegriffenen den Brand
des Thores zu löschen und Giliberto aus seiner Stellung zu vertreiben. Da
fiel, am Schenkel tödtlich getroffen, Cota Vasco, der sich den letzteren ent¬
gegen geworfen hatte, und Pietro Giliberto selbst, durch einen Schuß in die
Brust. Inzwischen tobte und raste Luna über den Fall seiner liebsten Freunde,
bei deren Tod seine Leute den Muth zu verlieren und sich zurückzuziehen an¬
singen, so daß es weder Jnfontanctta noch Lucchesi, trotz aller Anstrengungen
gelang, sie zu einem neuen Angriff zu vermögen.

Die darauffolgende Nacht verwandte Giacomo dazu, seine Todten zu
begraben und das halb eingeschlagene und verbrannte Thor zu vermauern.
Beim ersten Grauen des 21. Juli ließ Graf Luna von den Basteien der Stadt
acht große Bombarden herbeibringen, gegen den Hauptthurm aufpflanzen, und
letzteren beschießen. Dieser alte normannische Bau, in welchem, als dem bis
dahin am wenigsten der Gefahr ausgesetzten Theil des Schlosses, die Gattin
Giacomo's und die anderen Frauen und Kinder sich befanden, widerstand den
neuen Kriegswerkzeugen nur sehr schlecht; er zerfiel und bebte in seinen Grund¬
festen, so daß auch den standhaftesten der Vertheidiger die Unmöglichkeit ein¬
leuchtete, sich länger zu halten. Sie waren bis auf vierundvierzig zusammen¬
geschmolzen und von einem zweitägigigen ununterbrochenen Kampf und Nacht¬
wachen vollständig erschöpft. Von dem ersehnten und verheißenen Succurs
zeigte sich nicht die geringste Spur, und am meisten fürchtete man für das
Loos so vieler theuren Wesen, die jenes Unglücksgebäude in sich schloß. Man
steckte daher endlich eine Parlamentärflagge auf. Nun erschien vor Giacomo
der Baron von San Bartolomeo, der, auf die Frage nach Sigismund's An¬
sprüchen, erwiderte, daß Giacomo ihn auf den Knieen um Verzeihung an¬
stehen und ihm die Füße küssen solle. Auch einem weniger stolzen Manne
als Giacomo hätte dies zu viel gedünkt, so d'aß er nur mit Mühe an sich
hielt, und den frechen Abgesandten aus seiner Gegenwart jagte, der dann von
der Dienerschaft mit Schlägen und Schmähungen aus dem Schlosse gestoßen
wurde. Während der Unterhandlungen und der kurzen Stunden des Waffen¬
stillstandes fand indeß zwischen den anderen Vertheidigern des Schlosses und
den Angreifern ein gegenseitiger Austausch von vertraulichen Aeußerungen
und Mittheilungen statt, welcher nothwendigerweise die bereits sehr üble Lage
Perollo's noch mehr verschlechtern mußte, da die letzteren nicht unterließen,
ihre Zahl so wie die schlimmen Absichten des Grasen gegen jeden, der in


an das Petersthor, während Lucchesi, nach Durchbrechung einer in der Nähe
der Marställe befindlichen Mauer, dort eine Viertelschlange aufstellte, die im
Innern großen Schaden anrichtete, und Pietro Giliberto, sich der benachbarten
Wohnung Girolamo Perollo's bemächtigte, auf die Dächer derselben stieg, und
von dort aus ein fortwährendes Musketenfeuer auf das Schloß unterhielt,
das sogar den Hof bestrick). Doch gelang es den Angegriffenen den Brand
des Thores zu löschen und Giliberto aus seiner Stellung zu vertreiben. Da
fiel, am Schenkel tödtlich getroffen, Cota Vasco, der sich den letzteren ent¬
gegen geworfen hatte, und Pietro Giliberto selbst, durch einen Schuß in die
Brust. Inzwischen tobte und raste Luna über den Fall seiner liebsten Freunde,
bei deren Tod seine Leute den Muth zu verlieren und sich zurückzuziehen an¬
singen, so daß es weder Jnfontanctta noch Lucchesi, trotz aller Anstrengungen
gelang, sie zu einem neuen Angriff zu vermögen.

Die darauffolgende Nacht verwandte Giacomo dazu, seine Todten zu
begraben und das halb eingeschlagene und verbrannte Thor zu vermauern.
Beim ersten Grauen des 21. Juli ließ Graf Luna von den Basteien der Stadt
acht große Bombarden herbeibringen, gegen den Hauptthurm aufpflanzen, und
letzteren beschießen. Dieser alte normannische Bau, in welchem, als dem bis
dahin am wenigsten der Gefahr ausgesetzten Theil des Schlosses, die Gattin
Giacomo's und die anderen Frauen und Kinder sich befanden, widerstand den
neuen Kriegswerkzeugen nur sehr schlecht; er zerfiel und bebte in seinen Grund¬
festen, so daß auch den standhaftesten der Vertheidiger die Unmöglichkeit ein¬
leuchtete, sich länger zu halten. Sie waren bis auf vierundvierzig zusammen¬
geschmolzen und von einem zweitägigigen ununterbrochenen Kampf und Nacht¬
wachen vollständig erschöpft. Von dem ersehnten und verheißenen Succurs
zeigte sich nicht die geringste Spur, und am meisten fürchtete man für das
Loos so vieler theuren Wesen, die jenes Unglücksgebäude in sich schloß. Man
steckte daher endlich eine Parlamentärflagge auf. Nun erschien vor Giacomo
der Baron von San Bartolomeo, der, auf die Frage nach Sigismund's An¬
sprüchen, erwiderte, daß Giacomo ihn auf den Knieen um Verzeihung an¬
stehen und ihm die Füße küssen solle. Auch einem weniger stolzen Manne
als Giacomo hätte dies zu viel gedünkt, so d'aß er nur mit Mühe an sich
hielt, und den frechen Abgesandten aus seiner Gegenwart jagte, der dann von
der Dienerschaft mit Schlägen und Schmähungen aus dem Schlosse gestoßen
wurde. Während der Unterhandlungen und der kurzen Stunden des Waffen¬
stillstandes fand indeß zwischen den anderen Vertheidigern des Schlosses und
den Angreifern ein gegenseitiger Austausch von vertraulichen Aeußerungen
und Mittheilungen statt, welcher nothwendigerweise die bereits sehr üble Lage
Perollo's noch mehr verschlechtern mußte, da die letzteren nicht unterließen,
ihre Zahl so wie die schlimmen Absichten des Grasen gegen jeden, der in


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[0179] an das Petersthor, während Lucchesi, nach Durchbrechung einer in der Nähe der Marställe befindlichen Mauer, dort eine Viertelschlange aufstellte, die im Innern großen Schaden anrichtete, und Pietro Giliberto, sich der benachbarten Wohnung Girolamo Perollo's bemächtigte, auf die Dächer derselben stieg, und von dort aus ein fortwährendes Musketenfeuer auf das Schloß unterhielt, das sogar den Hof bestrick). Doch gelang es den Angegriffenen den Brand des Thores zu löschen und Giliberto aus seiner Stellung zu vertreiben. Da fiel, am Schenkel tödtlich getroffen, Cota Vasco, der sich den letzteren ent¬ gegen geworfen hatte, und Pietro Giliberto selbst, durch einen Schuß in die Brust. Inzwischen tobte und raste Luna über den Fall seiner liebsten Freunde, bei deren Tod seine Leute den Muth zu verlieren und sich zurückzuziehen an¬ singen, so daß es weder Jnfontanctta noch Lucchesi, trotz aller Anstrengungen gelang, sie zu einem neuen Angriff zu vermögen. Die darauffolgende Nacht verwandte Giacomo dazu, seine Todten zu begraben und das halb eingeschlagene und verbrannte Thor zu vermauern. Beim ersten Grauen des 21. Juli ließ Graf Luna von den Basteien der Stadt acht große Bombarden herbeibringen, gegen den Hauptthurm aufpflanzen, und letzteren beschießen. Dieser alte normannische Bau, in welchem, als dem bis dahin am wenigsten der Gefahr ausgesetzten Theil des Schlosses, die Gattin Giacomo's und die anderen Frauen und Kinder sich befanden, widerstand den neuen Kriegswerkzeugen nur sehr schlecht; er zerfiel und bebte in seinen Grund¬ festen, so daß auch den standhaftesten der Vertheidiger die Unmöglichkeit ein¬ leuchtete, sich länger zu halten. Sie waren bis auf vierundvierzig zusammen¬ geschmolzen und von einem zweitägigigen ununterbrochenen Kampf und Nacht¬ wachen vollständig erschöpft. Von dem ersehnten und verheißenen Succurs zeigte sich nicht die geringste Spur, und am meisten fürchtete man für das Loos so vieler theuren Wesen, die jenes Unglücksgebäude in sich schloß. Man steckte daher endlich eine Parlamentärflagge auf. Nun erschien vor Giacomo der Baron von San Bartolomeo, der, auf die Frage nach Sigismund's An¬ sprüchen, erwiderte, daß Giacomo ihn auf den Knieen um Verzeihung an¬ stehen und ihm die Füße küssen solle. Auch einem weniger stolzen Manne als Giacomo hätte dies zu viel gedünkt, so d'aß er nur mit Mühe an sich hielt, und den frechen Abgesandten aus seiner Gegenwart jagte, der dann von der Dienerschaft mit Schlägen und Schmähungen aus dem Schlosse gestoßen wurde. Während der Unterhandlungen und der kurzen Stunden des Waffen¬ stillstandes fand indeß zwischen den anderen Vertheidigern des Schlosses und den Angreifern ein gegenseitiger Austausch von vertraulichen Aeußerungen und Mittheilungen statt, welcher nothwendigerweise die bereits sehr üble Lage Perollo's noch mehr verschlechtern mußte, da die letzteren nicht unterließen, ihre Zahl so wie die schlimmen Absichten des Grasen gegen jeden, der in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/179>, abgerufen am 24.08.2024.