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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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schritten. Als er nun so eines Tages unversehens auf den Grafen stieß, un¬
terließ er, ihn zu grüßen und erwiederte auf eine deshalb an ihn gerichtete
Beschwerde, "er habe gegen ihn jede Pflicht der Höflichkeit erfüllt, werde je-
doch von Stund an, da er ihn als erklärten Feind und Beschützer seiner Feinde
und Nebenbuhler erkannt, als solchen behandeln." Ueber diese Worte auf¬
gebracht, verließ der Graf am folgenden Morgen in Begleitung Marco Luc-
chesi's und zweier anderer Edelleute so wie einiger Diener die Stadt, wobei
der Zufall es fügte, daß er wiederum Perollo mit seinem gewöhnlichen Ge¬
folge begegnete. Sigismund jagte bei ihm im Gallop vorüber, worauf Gia-
como sich zu den Seinigen umdrehte und zu ihnen sagte: "Sehet ihr nicht,
daß er verrückt ist? Wir wollen doch einmal zuschauen, was er vornehmen
wird." Und wirklich folgten sie dem Grafen bis zu einer kleinen Wiese, wo
er mit einigen seiner Begleiter einen Augenblick Halt gemacht hatte, um die
Zurückgebliebenen zu erwarten. Hier verspotteten und verhöhnten ihn die
Leute von Giacomo's Gefolge und feuerten auch einige Flintenschüsse in die
Luft. Da hob Luna wuthentbrannt die Augen zum Himmel empor und
schwur, Perollo in seinem eigenen Palaste zu tödten und zu verbrennen, so
daß das Andenken an seine Rache in Sicilien lange Jahre lebendig bleiben
sollte.

Noch ging einige Zeit vorüber und inzwischen erhielt der Haß der beiden
Feinde immer neue Nahrung. Dahin gehörte, außer andern sehr schweren Fällen
namentlich, daß der neue, dem Baron Perollo sehr ergebene Stadthaupt¬
mann, den der Vicekönig nach Sciacca gesandt hatte, eines Abends an der
Spitze der Trabanten des Barons, die Leute Luna's in dessen Abwesenheit
bis in seinen Palast hinein verfolgte und so das unantastbare Asyl patricischer
Macht gewaltsam verletzte. Dieser letztere Vorfall namentlich ließ den Grafen
Zu einem entscheidenden Entschluß kommen. Von Caltabellotä aus forderte
er alle seine Freunde, Lehnsleute und Untergebenen auf, in aller Schnelligkeit
und größtmöglichster Zahl sich in Bivona zu versammeln. Er selbst eilte
gleichfalls dahin und in einigen Tagen erschienen dort Pietro Giliberto, ein
Palermitanischer Cavalier, Michele Jmpugiades, ein Edelmann aus Agrigent,
ein Verwandter Perollo's, aber mit ihm verfeindet, die Brüder Jmbeagna,
Gian Pietro Jnfontanetta, so wie verschiedene Andere, worunter Francesco San-
chetta aus Salemi, der zwanzig Reiter mit sich brachte; und was das Land¬
volk von Bivona betrifft, so versteht es sich von selbst, daß die schlagfertigsten
und raufsüchtigsten unter demselben dem Wink ihres jungen Gebieters rasche
Folge leisteten. Die bedeutendste Hilfe aber brachte ein gewisser Giorgio
Comito, eine Art Condottiere mit einer Schaar albanesischer Griechen. Im
Ganzen belief sich die Zahl der in Bivona Versammelten auf vierhundert.
Der Graf berieth sich mit den Vornehmsten über die weitern Pläne. Eine


schritten. Als er nun so eines Tages unversehens auf den Grafen stieß, un¬
terließ er, ihn zu grüßen und erwiederte auf eine deshalb an ihn gerichtete
Beschwerde, „er habe gegen ihn jede Pflicht der Höflichkeit erfüllt, werde je-
doch von Stund an, da er ihn als erklärten Feind und Beschützer seiner Feinde
und Nebenbuhler erkannt, als solchen behandeln." Ueber diese Worte auf¬
gebracht, verließ der Graf am folgenden Morgen in Begleitung Marco Luc-
chesi's und zweier anderer Edelleute so wie einiger Diener die Stadt, wobei
der Zufall es fügte, daß er wiederum Perollo mit seinem gewöhnlichen Ge¬
folge begegnete. Sigismund jagte bei ihm im Gallop vorüber, worauf Gia-
como sich zu den Seinigen umdrehte und zu ihnen sagte: „Sehet ihr nicht,
daß er verrückt ist? Wir wollen doch einmal zuschauen, was er vornehmen
wird." Und wirklich folgten sie dem Grafen bis zu einer kleinen Wiese, wo
er mit einigen seiner Begleiter einen Augenblick Halt gemacht hatte, um die
Zurückgebliebenen zu erwarten. Hier verspotteten und verhöhnten ihn die
Leute von Giacomo's Gefolge und feuerten auch einige Flintenschüsse in die
Luft. Da hob Luna wuthentbrannt die Augen zum Himmel empor und
schwur, Perollo in seinem eigenen Palaste zu tödten und zu verbrennen, so
daß das Andenken an seine Rache in Sicilien lange Jahre lebendig bleiben
sollte.

Noch ging einige Zeit vorüber und inzwischen erhielt der Haß der beiden
Feinde immer neue Nahrung. Dahin gehörte, außer andern sehr schweren Fällen
namentlich, daß der neue, dem Baron Perollo sehr ergebene Stadthaupt¬
mann, den der Vicekönig nach Sciacca gesandt hatte, eines Abends an der
Spitze der Trabanten des Barons, die Leute Luna's in dessen Abwesenheit
bis in seinen Palast hinein verfolgte und so das unantastbare Asyl patricischer
Macht gewaltsam verletzte. Dieser letztere Vorfall namentlich ließ den Grafen
Zu einem entscheidenden Entschluß kommen. Von Caltabellotä aus forderte
er alle seine Freunde, Lehnsleute und Untergebenen auf, in aller Schnelligkeit
und größtmöglichster Zahl sich in Bivona zu versammeln. Er selbst eilte
gleichfalls dahin und in einigen Tagen erschienen dort Pietro Giliberto, ein
Palermitanischer Cavalier, Michele Jmpugiades, ein Edelmann aus Agrigent,
ein Verwandter Perollo's, aber mit ihm verfeindet, die Brüder Jmbeagna,
Gian Pietro Jnfontanetta, so wie verschiedene Andere, worunter Francesco San-
chetta aus Salemi, der zwanzig Reiter mit sich brachte; und was das Land¬
volk von Bivona betrifft, so versteht es sich von selbst, daß die schlagfertigsten
und raufsüchtigsten unter demselben dem Wink ihres jungen Gebieters rasche
Folge leisteten. Die bedeutendste Hilfe aber brachte ein gewisser Giorgio
Comito, eine Art Condottiere mit einer Schaar albanesischer Griechen. Im
Ganzen belief sich die Zahl der in Bivona Versammelten auf vierhundert.
Der Graf berieth sich mit den Vornehmsten über die weitern Pläne. Eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/175>, abgerufen am 24.08.2024.