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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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von Sciacca eine große Menge Volk sich drängen und in einiger Entfernung
mehrere ottomanische Galeeren vor Anker liegen sah. Sinan Pascha, ein
jüdischer Renegat und gefürchteter Corsar im Dienste Hairadin Barbarossa's
hatte bei seinen Streiffahrten längst den Küsten Siciliens in den Gewässern
von Trapani den Baron von S6tanto gefangen genommen und sich nun
unter Aufziehung der Parlamentärflagge vor Sciacca eingefunden, um die
Auslösung des letztern anzubieten. Alsbald begab sich Graf Luna mit einer
großen Summe Geldes an Bord der Hauptgaleere und begann die Unterhand¬
lung. Allein dem Corsaren schien das angebotene Gold nicht genügend, und
Sigismund kehrte ans Ufer zurück, wo man leise darüber spottete, daß seine
Freigebigkeit doch auch ihre Gränzen habe. Sinan aber zog die Parlamentär¬
flagge ein und befahl die Anker zu lichten. Da, mit einem Male erschien,
aus allen Kräften rudernd, eine prächtig geschmückte Barke und hinter ihr
her viele andere mit reichen Ladungen und Erfrischungen. Der Pascha, ganz
erstaunt über den Muth dessen, der nach Abbrechung der freien Pratica, sich
seinen Händen anvertraute, empfing den Baron von Pantolfina auf das
ehrenvollste, denn dieser war es, der mit prächtigen Geschenken für
Sinan kam, demnächst aber auch für die Freilassung des Barons von Solanto
das Kostbarste was er irgend besäße, anbot. Dabei streute er zugleich unter
der Schiffmannschaft Geld mit beiden Händen aus. Bei dieser ebenso außer¬
ordentlichen wie unerwarteten Freibigkeit fühlte sich der Corsar besiegt; er
weigerte sich, die Anerbietungen Perollo's anzunehmen, ließ den gefangenen
Baron augenblicklich frei und bat Giacomo bloß um seine Freundschaft.
Dabei steckte er ihm einen kostbaren Ring an den Finger und versprach, um
seinetwillen die Küste von Sciacca vom Capo Blanko bis Capo San Marco in
Zukunft unbelästigt zu lassen. Als Giacomo die Galeere verließ, donnerten
hinter ihm her die Kanonen des Geschwaders, und bei seiner Ankunft am
Ufer sah er sich vom lauten Beifallsrufen des Volkes empfangen und im
Triumph nach seinem Schlosse zurückgeführt.

Sigismund wurde in Folge dieses Vorfalls von Neid und Groll verzehrt,
weshalb Giacomo, der das erwartete, mit den treuesten Freunden und Ver¬
wandten zu Rathe ging, wie er sich fernerhin zu benehmen hätte. Dies
waren nun aber leider sämmtlich keine Männer von Mäßigung und Besonnenheit,
vielmehr riethen sie Giacomo, den Grafen seine Macht fühlen zu lassen und
ihn ganz und gar zu vernichten, wobei sie ihm ihrerseits jede Hilfe und Unter¬
stützung versprachen. Perollo überschritt nun alle vernünftigen Grenzen, umgab
sich mit immer größerm Gepränge, ließ sich nie in den Straßen sehen, ohne von
seinen Verwandten mit Schild und Harnisch und einem Gefolge von hundertund-
funfzig Gewnffneten begleitet zu sein. wobei sechs Sklaven von riesenhaften
Wuchse und mit ungeheuern Schlachtschwerten in den Händen ihm voraus-


von Sciacca eine große Menge Volk sich drängen und in einiger Entfernung
mehrere ottomanische Galeeren vor Anker liegen sah. Sinan Pascha, ein
jüdischer Renegat und gefürchteter Corsar im Dienste Hairadin Barbarossa's
hatte bei seinen Streiffahrten längst den Küsten Siciliens in den Gewässern
von Trapani den Baron von S6tanto gefangen genommen und sich nun
unter Aufziehung der Parlamentärflagge vor Sciacca eingefunden, um die
Auslösung des letztern anzubieten. Alsbald begab sich Graf Luna mit einer
großen Summe Geldes an Bord der Hauptgaleere und begann die Unterhand¬
lung. Allein dem Corsaren schien das angebotene Gold nicht genügend, und
Sigismund kehrte ans Ufer zurück, wo man leise darüber spottete, daß seine
Freigebigkeit doch auch ihre Gränzen habe. Sinan aber zog die Parlamentär¬
flagge ein und befahl die Anker zu lichten. Da, mit einem Male erschien,
aus allen Kräften rudernd, eine prächtig geschmückte Barke und hinter ihr
her viele andere mit reichen Ladungen und Erfrischungen. Der Pascha, ganz
erstaunt über den Muth dessen, der nach Abbrechung der freien Pratica, sich
seinen Händen anvertraute, empfing den Baron von Pantolfina auf das
ehrenvollste, denn dieser war es, der mit prächtigen Geschenken für
Sinan kam, demnächst aber auch für die Freilassung des Barons von Solanto
das Kostbarste was er irgend besäße, anbot. Dabei streute er zugleich unter
der Schiffmannschaft Geld mit beiden Händen aus. Bei dieser ebenso außer¬
ordentlichen wie unerwarteten Freibigkeit fühlte sich der Corsar besiegt; er
weigerte sich, die Anerbietungen Perollo's anzunehmen, ließ den gefangenen
Baron augenblicklich frei und bat Giacomo bloß um seine Freundschaft.
Dabei steckte er ihm einen kostbaren Ring an den Finger und versprach, um
seinetwillen die Küste von Sciacca vom Capo Blanko bis Capo San Marco in
Zukunft unbelästigt zu lassen. Als Giacomo die Galeere verließ, donnerten
hinter ihm her die Kanonen des Geschwaders, und bei seiner Ankunft am
Ufer sah er sich vom lauten Beifallsrufen des Volkes empfangen und im
Triumph nach seinem Schlosse zurückgeführt.

Sigismund wurde in Folge dieses Vorfalls von Neid und Groll verzehrt,
weshalb Giacomo, der das erwartete, mit den treuesten Freunden und Ver¬
wandten zu Rathe ging, wie er sich fernerhin zu benehmen hätte. Dies
waren nun aber leider sämmtlich keine Männer von Mäßigung und Besonnenheit,
vielmehr riethen sie Giacomo, den Grafen seine Macht fühlen zu lassen und
ihn ganz und gar zu vernichten, wobei sie ihm ihrerseits jede Hilfe und Unter¬
stützung versprachen. Perollo überschritt nun alle vernünftigen Grenzen, umgab
sich mit immer größerm Gepränge, ließ sich nie in den Straßen sehen, ohne von
seinen Verwandten mit Schild und Harnisch und einem Gefolge von hundertund-
funfzig Gewnffneten begleitet zu sein. wobei sechs Sklaven von riesenhaften
Wuchse und mit ungeheuern Schlachtschwerten in den Händen ihm voraus-


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[0174] von Sciacca eine große Menge Volk sich drängen und in einiger Entfernung mehrere ottomanische Galeeren vor Anker liegen sah. Sinan Pascha, ein jüdischer Renegat und gefürchteter Corsar im Dienste Hairadin Barbarossa's hatte bei seinen Streiffahrten längst den Küsten Siciliens in den Gewässern von Trapani den Baron von S6tanto gefangen genommen und sich nun unter Aufziehung der Parlamentärflagge vor Sciacca eingefunden, um die Auslösung des letztern anzubieten. Alsbald begab sich Graf Luna mit einer großen Summe Geldes an Bord der Hauptgaleere und begann die Unterhand¬ lung. Allein dem Corsaren schien das angebotene Gold nicht genügend, und Sigismund kehrte ans Ufer zurück, wo man leise darüber spottete, daß seine Freigebigkeit doch auch ihre Gränzen habe. Sinan aber zog die Parlamentär¬ flagge ein und befahl die Anker zu lichten. Da, mit einem Male erschien, aus allen Kräften rudernd, eine prächtig geschmückte Barke und hinter ihr her viele andere mit reichen Ladungen und Erfrischungen. Der Pascha, ganz erstaunt über den Muth dessen, der nach Abbrechung der freien Pratica, sich seinen Händen anvertraute, empfing den Baron von Pantolfina auf das ehrenvollste, denn dieser war es, der mit prächtigen Geschenken für Sinan kam, demnächst aber auch für die Freilassung des Barons von Solanto das Kostbarste was er irgend besäße, anbot. Dabei streute er zugleich unter der Schiffmannschaft Geld mit beiden Händen aus. Bei dieser ebenso außer¬ ordentlichen wie unerwarteten Freibigkeit fühlte sich der Corsar besiegt; er weigerte sich, die Anerbietungen Perollo's anzunehmen, ließ den gefangenen Baron augenblicklich frei und bat Giacomo bloß um seine Freundschaft. Dabei steckte er ihm einen kostbaren Ring an den Finger und versprach, um seinetwillen die Küste von Sciacca vom Capo Blanko bis Capo San Marco in Zukunft unbelästigt zu lassen. Als Giacomo die Galeere verließ, donnerten hinter ihm her die Kanonen des Geschwaders, und bei seiner Ankunft am Ufer sah er sich vom lauten Beifallsrufen des Volkes empfangen und im Triumph nach seinem Schlosse zurückgeführt. Sigismund wurde in Folge dieses Vorfalls von Neid und Groll verzehrt, weshalb Giacomo, der das erwartete, mit den treuesten Freunden und Ver¬ wandten zu Rathe ging, wie er sich fernerhin zu benehmen hätte. Dies waren nun aber leider sämmtlich keine Männer von Mäßigung und Besonnenheit, vielmehr riethen sie Giacomo, den Grafen seine Macht fühlen zu lassen und ihn ganz und gar zu vernichten, wobei sie ihm ihrerseits jede Hilfe und Unter¬ stützung versprachen. Perollo überschritt nun alle vernünftigen Grenzen, umgab sich mit immer größerm Gepränge, ließ sich nie in den Straßen sehen, ohne von seinen Verwandten mit Schild und Harnisch und einem Gefolge von hundertund- funfzig Gewnffneten begleitet zu sein. wobei sechs Sklaven von riesenhaften Wuchse und mit ungeheuern Schlachtschwerten in den Händen ihm voraus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/174>, abgerufen am 24.08.2024.