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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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des Jahres 1466 heran, in welchem ein großes Kirchenfest (nämlich das der
heiligen Dornen Christi) gefeiert werden sollte. Graf Antonio von Luna, der
nach einem alten Familiengebrauch demselben in Gala beiwohnen mußte, be¬
gab sich in Begleitung einer großen Schar Vasallen und sonstigen Gefolges
von seinem damaligen Wohnsitz nach Sciacca.

Am fünften April nun. wo die festliche Procession die von Volk wim¬
melnden Straßen der Stadt durchzog und der Graf von Luna mit seinem
rauflustigen Gefolge hinter or reichgeschmückten Geistlichkeit einherschritt, er¬
ging sich der Graf, als er vor dem Wohnsitz Perollo's anlangte und dessen
Fenster mit prächtigen Tapeten verhängt sah, in hochfahrenden Schmähungen
und herausfordernden Reden. Da zog Perollo. der, selbst unbeobachtet, Alles
beobachtete, wutherfüllt das Schwert und stürzte aus den plötzlich weitge¬
öffneten Thoren an der Spitze der Seinigen auf den Grafen und seine Be¬
gleiter los. Alsbald entstand ein hitziges Handgemenge und furchtbares Ge¬
tümmel. Die beiden Hauptgegner suchten sich auf und kämpften so lange, bis
Luna mit vielen Wunden bedeckt, endlich zu Boden sank, und seine Trabanten
die dies mit ansahen, den Muth verloren und die Flucht ergriffen. Pietro
benutzte seinen Sieg dazu, den Palast Luna's auf jegliche Weise zu verwüsten.
Dann erst glaubte er genug gethan zu haben. Er schickte nun seine Ge¬
mahlin und Kinder unter hinlänglicher Bedeckung nach einem sichern Aufenthalts¬
ort, raffte Geld- und Kostbarkeiten zusammen und begab sich mit seinen Leuten
nach Geraci zu dem Grafen Enrico Ventimiglia.

Graf Luna war jedoch nicht todt. In der Stille jener unheilvollen Nacht
suchten einige Getreue seinen Körper auf, fanden in demselben noch Spuren
vsR Leben und verbanden seine zahlreichen Wunden. In Caltabellota, wo¬
hin man den Grafen dann brachte, wurde er vollständig wiederhergestellt und
gewann frische Kraft und Muth, so daß er, kaum geheilt, alsbald auf Rache
sann. Er kehrte daher mit einer Schar Bewaffneter nach Sciacca zurück, und
da er Perollo selbst nicht mehr dort fand, brachte er wenigstens alle wirk¬
lichen und vermeintlichen Mitschuldigen desselben ums Leben und brannte
seines Gegners Häuser nieder.

Diese gräulichen Unthaten erschienen sogar jenen gesetzlosen Zeiten so
arg, daß König Alfons sich endlich aufraffte, und über die Schuldigen Lan¬
desverweisung verhängte. Luna begab sich darauf nach Rom, Perollo nach
Frankreich zu den Herren von Perignon, dem alten Stammhause der sicilischen
Perollo. Bald indessen machte der Einfluß mächtiger hochgeborner Freunde
sich zu Gunsten der beiden Exilirten geltend; die Strenge des Königs ließ
nach, und kurz vor seinem Tode verzieh er dem einen wie dem andern. Sie
sahen also im Jahre 1468 ihr Vaterland wieder; allein wenn sie auch ihren
Groll zügelten, so hinterließen sie ihn doch wie ein Familienerbe ihren Söhnen


des Jahres 1466 heran, in welchem ein großes Kirchenfest (nämlich das der
heiligen Dornen Christi) gefeiert werden sollte. Graf Antonio von Luna, der
nach einem alten Familiengebrauch demselben in Gala beiwohnen mußte, be¬
gab sich in Begleitung einer großen Schar Vasallen und sonstigen Gefolges
von seinem damaligen Wohnsitz nach Sciacca.

Am fünften April nun. wo die festliche Procession die von Volk wim¬
melnden Straßen der Stadt durchzog und der Graf von Luna mit seinem
rauflustigen Gefolge hinter or reichgeschmückten Geistlichkeit einherschritt, er¬
ging sich der Graf, als er vor dem Wohnsitz Perollo's anlangte und dessen
Fenster mit prächtigen Tapeten verhängt sah, in hochfahrenden Schmähungen
und herausfordernden Reden. Da zog Perollo. der, selbst unbeobachtet, Alles
beobachtete, wutherfüllt das Schwert und stürzte aus den plötzlich weitge¬
öffneten Thoren an der Spitze der Seinigen auf den Grafen und seine Be¬
gleiter los. Alsbald entstand ein hitziges Handgemenge und furchtbares Ge¬
tümmel. Die beiden Hauptgegner suchten sich auf und kämpften so lange, bis
Luna mit vielen Wunden bedeckt, endlich zu Boden sank, und seine Trabanten
die dies mit ansahen, den Muth verloren und die Flucht ergriffen. Pietro
benutzte seinen Sieg dazu, den Palast Luna's auf jegliche Weise zu verwüsten.
Dann erst glaubte er genug gethan zu haben. Er schickte nun seine Ge¬
mahlin und Kinder unter hinlänglicher Bedeckung nach einem sichern Aufenthalts¬
ort, raffte Geld- und Kostbarkeiten zusammen und begab sich mit seinen Leuten
nach Geraci zu dem Grafen Enrico Ventimiglia.

Graf Luna war jedoch nicht todt. In der Stille jener unheilvollen Nacht
suchten einige Getreue seinen Körper auf, fanden in demselben noch Spuren
vsR Leben und verbanden seine zahlreichen Wunden. In Caltabellota, wo¬
hin man den Grafen dann brachte, wurde er vollständig wiederhergestellt und
gewann frische Kraft und Muth, so daß er, kaum geheilt, alsbald auf Rache
sann. Er kehrte daher mit einer Schar Bewaffneter nach Sciacca zurück, und
da er Perollo selbst nicht mehr dort fand, brachte er wenigstens alle wirk¬
lichen und vermeintlichen Mitschuldigen desselben ums Leben und brannte
seines Gegners Häuser nieder.

Diese gräulichen Unthaten erschienen sogar jenen gesetzlosen Zeiten so
arg, daß König Alfons sich endlich aufraffte, und über die Schuldigen Lan¬
desverweisung verhängte. Luna begab sich darauf nach Rom, Perollo nach
Frankreich zu den Herren von Perignon, dem alten Stammhause der sicilischen
Perollo. Bald indessen machte der Einfluß mächtiger hochgeborner Freunde
sich zu Gunsten der beiden Exilirten geltend; die Strenge des Königs ließ
nach, und kurz vor seinem Tode verzieh er dem einen wie dem andern. Sie
sahen also im Jahre 1468 ihr Vaterland wieder; allein wenn sie auch ihren
Groll zügelten, so hinterließen sie ihn doch wie ein Familienerbe ihren Söhnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/171>, abgerufen am 24.08.2024.