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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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gewinnbringenden Monopol sich ausstreckenden Hände -- denn die Anlegung
einer Eisenbahn gewährt ein Monopol -- auf ihre Reinheit, auf ihre probe-
haltige Reinheit zu prüfen. Der Bau und die Verwaltung der Eisenbahnen
muß ausschließlich Staatssache werden. Es ist ein staunenswerther und hoch¬
erfreulicher Fortschritt, daß selbst der Abgeordnete Laster. zu dieser, der
bisherigen liberalen Tradition so widersprechenden Einsicht gelangt ist. Dies
ist ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit des deutschen Liberalismus.
Die Vorlage ist schließlich in der Sitzung vom 15. Januar der Commission
für den Gesetzentwurf über die Errichtung von Eisenbahncommissariaten über¬
wiesen. -- In der Sitzung vom Is. Januar kam auch der Antrag der
polnischen Fraction auf eine Petition an die Staatsregierung um Gründung
einer Universität in Posen zur Verhandlung. Ich mache kein Hehl daraus,
daß ich dem Antrag eine wohlwollendere Aufnahme gewünscht hätte. Durch¬
schlagend war nur der Einwand des Cultusministers, daß augenblicklich zur
Errichtung einer neuen Universität gar keine Lehrkräfte vorhanden sind*).
Aber dieser Einwand hätte das Haus nur zur zeitweisen, nicht zur unbe¬
dingten Ablehnung der Petition berechtigt.

Am 16. Januar begann die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die
Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Der Leser erinnert sich, daß die
erste Berathung in der Regel der Ort für die sogenannte Generaldebatte ist.
Herr Peter Reichensperger eröffnete sie mit einer zweistündigen Rede. Seine
guten Eigenschaften haben wir immer anerkannt, seinen feinen Verstand und
seine gemäßigte Haltung. Bet der Aufgabe, die er sich diesmal gewählt, war
es schwer dieselben zu bewahren. Seine ganze Ausführung ruhte auf dem
Sophisma, daß die Kirche überhaupt, ja die Religion überhaupt, ja der
Idealismus überhaupt, der Menschheit nur gehöre und gesichert sei durch den
irdischen Universalstaat des Papstes. Die Redner, die ihm entgegneten. ließen
es nicht an treffenden Bemerkungen fehlen, den Kern seiner Sophismen traf
keiner. Was aber die übrigen Bemerkungen betrifft, so wiederholen wir sie
nicht, da sie. namentlich die treffliche Rede des Abg. von Bennigsen, allgemein
bekannt sein dürften und im Uebrigen Neues nicht enthielten, und einem
Thema gegenüber, das so reichlich behandelt ist, kaum enthalten konnten.
Nur das seltsame Factum verdient Erwähnung, daß der radical fortschritt¬
liche Herr Franz Dunker gegen den deutschen Staat auf die Seite des
katholischen Centrums trat. Seine Sophismen entstammten nicht der Fein-



") Wir finden mindestens ebenso durchschlagend die politischen Argumente, welche der
Abg. v. Hcnnig u. A. vortrugen, daß eine Universität in Posen jetzt noch lediglich ein Heerd
für die Agitation und Verschwörung der Polen werden müsse und werde. Wir sollten meinen,
daß wir nicht erst der Nechtferiigung bedürfen, wenn wir uns weigern, dem Alliirten der Ul->
D. Red,
^amontanen und Feudalen Waffen zu liefern.

gewinnbringenden Monopol sich ausstreckenden Hände — denn die Anlegung
einer Eisenbahn gewährt ein Monopol — auf ihre Reinheit, auf ihre probe-
haltige Reinheit zu prüfen. Der Bau und die Verwaltung der Eisenbahnen
muß ausschließlich Staatssache werden. Es ist ein staunenswerther und hoch¬
erfreulicher Fortschritt, daß selbst der Abgeordnete Laster. zu dieser, der
bisherigen liberalen Tradition so widersprechenden Einsicht gelangt ist. Dies
ist ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit des deutschen Liberalismus.
Die Vorlage ist schließlich in der Sitzung vom 15. Januar der Commission
für den Gesetzentwurf über die Errichtung von Eisenbahncommissariaten über¬
wiesen. — In der Sitzung vom Is. Januar kam auch der Antrag der
polnischen Fraction auf eine Petition an die Staatsregierung um Gründung
einer Universität in Posen zur Verhandlung. Ich mache kein Hehl daraus,
daß ich dem Antrag eine wohlwollendere Aufnahme gewünscht hätte. Durch¬
schlagend war nur der Einwand des Cultusministers, daß augenblicklich zur
Errichtung einer neuen Universität gar keine Lehrkräfte vorhanden sind*).
Aber dieser Einwand hätte das Haus nur zur zeitweisen, nicht zur unbe¬
dingten Ablehnung der Petition berechtigt.

Am 16. Januar begann die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die
Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Der Leser erinnert sich, daß die
erste Berathung in der Regel der Ort für die sogenannte Generaldebatte ist.
Herr Peter Reichensperger eröffnete sie mit einer zweistündigen Rede. Seine
guten Eigenschaften haben wir immer anerkannt, seinen feinen Verstand und
seine gemäßigte Haltung. Bet der Aufgabe, die er sich diesmal gewählt, war
es schwer dieselben zu bewahren. Seine ganze Ausführung ruhte auf dem
Sophisma, daß die Kirche überhaupt, ja die Religion überhaupt, ja der
Idealismus überhaupt, der Menschheit nur gehöre und gesichert sei durch den
irdischen Universalstaat des Papstes. Die Redner, die ihm entgegneten. ließen
es nicht an treffenden Bemerkungen fehlen, den Kern seiner Sophismen traf
keiner. Was aber die übrigen Bemerkungen betrifft, so wiederholen wir sie
nicht, da sie. namentlich die treffliche Rede des Abg. von Bennigsen, allgemein
bekannt sein dürften und im Uebrigen Neues nicht enthielten, und einem
Thema gegenüber, das so reichlich behandelt ist, kaum enthalten konnten.
Nur das seltsame Factum verdient Erwähnung, daß der radical fortschritt¬
liche Herr Franz Dunker gegen den deutschen Staat auf die Seite des
katholischen Centrums trat. Seine Sophismen entstammten nicht der Fein-



") Wir finden mindestens ebenso durchschlagend die politischen Argumente, welche der
Abg. v. Hcnnig u. A. vortrugen, daß eine Universität in Posen jetzt noch lediglich ein Heerd
für die Agitation und Verschwörung der Polen werden müsse und werde. Wir sollten meinen,
daß wir nicht erst der Nechtferiigung bedürfen, wenn wir uns weigern, dem Alliirten der Ul->
D. Red,
^amontanen und Feudalen Waffen zu liefern.
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[0164] gewinnbringenden Monopol sich ausstreckenden Hände — denn die Anlegung einer Eisenbahn gewährt ein Monopol — auf ihre Reinheit, auf ihre probe- haltige Reinheit zu prüfen. Der Bau und die Verwaltung der Eisenbahnen muß ausschließlich Staatssache werden. Es ist ein staunenswerther und hoch¬ erfreulicher Fortschritt, daß selbst der Abgeordnete Laster. zu dieser, der bisherigen liberalen Tradition so widersprechenden Einsicht gelangt ist. Dies ist ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit des deutschen Liberalismus. Die Vorlage ist schließlich in der Sitzung vom 15. Januar der Commission für den Gesetzentwurf über die Errichtung von Eisenbahncommissariaten über¬ wiesen. — In der Sitzung vom Is. Januar kam auch der Antrag der polnischen Fraction auf eine Petition an die Staatsregierung um Gründung einer Universität in Posen zur Verhandlung. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich dem Antrag eine wohlwollendere Aufnahme gewünscht hätte. Durch¬ schlagend war nur der Einwand des Cultusministers, daß augenblicklich zur Errichtung einer neuen Universität gar keine Lehrkräfte vorhanden sind*). Aber dieser Einwand hätte das Haus nur zur zeitweisen, nicht zur unbe¬ dingten Ablehnung der Petition berechtigt. Am 16. Januar begann die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Der Leser erinnert sich, daß die erste Berathung in der Regel der Ort für die sogenannte Generaldebatte ist. Herr Peter Reichensperger eröffnete sie mit einer zweistündigen Rede. Seine guten Eigenschaften haben wir immer anerkannt, seinen feinen Verstand und seine gemäßigte Haltung. Bet der Aufgabe, die er sich diesmal gewählt, war es schwer dieselben zu bewahren. Seine ganze Ausführung ruhte auf dem Sophisma, daß die Kirche überhaupt, ja die Religion überhaupt, ja der Idealismus überhaupt, der Menschheit nur gehöre und gesichert sei durch den irdischen Universalstaat des Papstes. Die Redner, die ihm entgegneten. ließen es nicht an treffenden Bemerkungen fehlen, den Kern seiner Sophismen traf keiner. Was aber die übrigen Bemerkungen betrifft, so wiederholen wir sie nicht, da sie. namentlich die treffliche Rede des Abg. von Bennigsen, allgemein bekannt sein dürften und im Uebrigen Neues nicht enthielten, und einem Thema gegenüber, das so reichlich behandelt ist, kaum enthalten konnten. Nur das seltsame Factum verdient Erwähnung, daß der radical fortschritt¬ liche Herr Franz Dunker gegen den deutschen Staat auf die Seite des katholischen Centrums trat. Seine Sophismen entstammten nicht der Fein- ") Wir finden mindestens ebenso durchschlagend die politischen Argumente, welche der Abg. v. Hcnnig u. A. vortrugen, daß eine Universität in Posen jetzt noch lediglich ein Heerd für die Agitation und Verschwörung der Polen werden müsse und werde. Wir sollten meinen, daß wir nicht erst der Nechtferiigung bedürfen, wenn wir uns weigern, dem Alliirten der Ul-> D. Red, ^amontanen und Feudalen Waffen zu liefern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/164>, abgerufen am 24.08.2024.