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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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dieselbe zu erzwingen; ihre Verhängung darf nicht unter Bezeichnung der da¬
von betroffenen Person öffentlich bekannt gemacht werden.

Die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe bedürfen noch eines
näheren Eingehens, das wir uns auf den Zeitpunkt "ersparen, wo wir gleich¬
zeitig über die Specialberathungen im Abgeordnetenhause zu berichten haben.

Am 10. Januar brachte der Abgeordnete v. Mallinkrodt im Namen der
klerikalen Fraction eine Jnterpellation wegen der verbotenen Veröffentlichung
eines auf das deutsche Reich bezüglichen Abschnittes aus der Allokution des
Papstes vom 23. December v. Is. ein. Die Begründung des Interpellanten
gab zu einer sehr heftigen Verhandlung Anlaß, welche jedoch auffallend arm
blieb an sachlichen Gesichtspunkten. Das Wenige, was von solchen zum Vor¬
schein kam, heben wir hervor. Die von dem Interpellanten ebenso lange als
leidenschaftlich erörterte und bejahend entschiedene Frage, ob die päpstliche
Weihnachtsallokution mit der Anklage, daß die christliche Religion und die
katholische Kirche vom deutschen Reich Gewalt zu leiden hätten, Recht habe,
gehen wir jetzt nicht ein; aber der Interpellant behauptete, durch die verbo¬
tene Veröffentlichung eines Theiles der päpstlichen Allokution sei der Artikel
27 der preußischen Verfassung verletzt, wonach die Censur nicht und jede an¬
dere Beschränkung der Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung eingeführt
werden darf. Dem gegenüber stellte der Minister des Innern fest, daß er
die Veröffentlichung nicht verboten hat, sondern nur die Polizeibehörden an¬
gewiesen, diejenigen Druckschriften, welche jenen Theil der Allokution enthalten,
mit Beschlag zu belegen. Es sei dies geschehen, fügte der Minister hinzu,
um den strafbaren Inhalt der Allokution gegenüber der preußischen Staats¬
gesetzgebung gerichtlich constatiren lassen zu können. Der Minister erklärte,
daß er außerdem die Oberpräsidenten angewiesen habe, den Zeitungen nicht
vorzuenthalten, daß ihnen bei Mittheilung jenes Actenstückes die Beschlag¬
nahme bevorstehe. Es sei dies ein Schritt gewesen, den das Wohlwollen einge¬
geben und den das Gesetz nicht verbiete.

Man kann dieser Gesammterklärung des Ministers gegenüber nur be¬
klagen, daß nach unserer höchst mangelhaften, ja zweckwidrigen Preßgesetz¬
gebung der staatlichen Verfolgung einer Druckschrift immer die polizeiliche
Beschlagnahme vorausgehen muß. Wir müßten ein Gesetz haben, welches die
gerichtliche Ahndung gesetzwidriger Ansprachen u. s. w. entweder an dem Ur¬
heber oder an dem Verbreiter unter Autorität des Urhebers gestattet und doch
die weiteste Verbreitung in anderer Weise zuläßt. Grade so wird in den
öffentlichen Gerichtsverhandlungen eine Aufforderung zum Aufruhr verlesen und
mit den Verhandlungen in die weitesten Kreise verbreitet, während die Ver¬
breitung durch den Anstifter und für die Zwecke des Anstifters bestraft wird.

Wir heben aus der übrigen Verhandlung nur eine sehr bedeutende Rede


dieselbe zu erzwingen; ihre Verhängung darf nicht unter Bezeichnung der da¬
von betroffenen Person öffentlich bekannt gemacht werden.

Die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe bedürfen noch eines
näheren Eingehens, das wir uns auf den Zeitpunkt »ersparen, wo wir gleich¬
zeitig über die Specialberathungen im Abgeordnetenhause zu berichten haben.

Am 10. Januar brachte der Abgeordnete v. Mallinkrodt im Namen der
klerikalen Fraction eine Jnterpellation wegen der verbotenen Veröffentlichung
eines auf das deutsche Reich bezüglichen Abschnittes aus der Allokution des
Papstes vom 23. December v. Is. ein. Die Begründung des Interpellanten
gab zu einer sehr heftigen Verhandlung Anlaß, welche jedoch auffallend arm
blieb an sachlichen Gesichtspunkten. Das Wenige, was von solchen zum Vor¬
schein kam, heben wir hervor. Die von dem Interpellanten ebenso lange als
leidenschaftlich erörterte und bejahend entschiedene Frage, ob die päpstliche
Weihnachtsallokution mit der Anklage, daß die christliche Religion und die
katholische Kirche vom deutschen Reich Gewalt zu leiden hätten, Recht habe,
gehen wir jetzt nicht ein; aber der Interpellant behauptete, durch die verbo¬
tene Veröffentlichung eines Theiles der päpstlichen Allokution sei der Artikel
27 der preußischen Verfassung verletzt, wonach die Censur nicht und jede an¬
dere Beschränkung der Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung eingeführt
werden darf. Dem gegenüber stellte der Minister des Innern fest, daß er
die Veröffentlichung nicht verboten hat, sondern nur die Polizeibehörden an¬
gewiesen, diejenigen Druckschriften, welche jenen Theil der Allokution enthalten,
mit Beschlag zu belegen. Es sei dies geschehen, fügte der Minister hinzu,
um den strafbaren Inhalt der Allokution gegenüber der preußischen Staats¬
gesetzgebung gerichtlich constatiren lassen zu können. Der Minister erklärte,
daß er außerdem die Oberpräsidenten angewiesen habe, den Zeitungen nicht
vorzuenthalten, daß ihnen bei Mittheilung jenes Actenstückes die Beschlag¬
nahme bevorstehe. Es sei dies ein Schritt gewesen, den das Wohlwollen einge¬
geben und den das Gesetz nicht verbiete.

Man kann dieser Gesammterklärung des Ministers gegenüber nur be¬
klagen, daß nach unserer höchst mangelhaften, ja zweckwidrigen Preßgesetz¬
gebung der staatlichen Verfolgung einer Druckschrift immer die polizeiliche
Beschlagnahme vorausgehen muß. Wir müßten ein Gesetz haben, welches die
gerichtliche Ahndung gesetzwidriger Ansprachen u. s. w. entweder an dem Ur¬
heber oder an dem Verbreiter unter Autorität des Urhebers gestattet und doch
die weiteste Verbreitung in anderer Weise zuläßt. Grade so wird in den
öffentlichen Gerichtsverhandlungen eine Aufforderung zum Aufruhr verlesen und
mit den Verhandlungen in die weitesten Kreise verbreitet, während die Ver¬
breitung durch den Anstifter und für die Zwecke des Anstifters bestraft wird.

Wir heben aus der übrigen Verhandlung nur eine sehr bedeutende Rede


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[0162] dieselbe zu erzwingen; ihre Verhängung darf nicht unter Bezeichnung der da¬ von betroffenen Person öffentlich bekannt gemacht werden. Die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetzentwürfe bedürfen noch eines näheren Eingehens, das wir uns auf den Zeitpunkt »ersparen, wo wir gleich¬ zeitig über die Specialberathungen im Abgeordnetenhause zu berichten haben. Am 10. Januar brachte der Abgeordnete v. Mallinkrodt im Namen der klerikalen Fraction eine Jnterpellation wegen der verbotenen Veröffentlichung eines auf das deutsche Reich bezüglichen Abschnittes aus der Allokution des Papstes vom 23. December v. Is. ein. Die Begründung des Interpellanten gab zu einer sehr heftigen Verhandlung Anlaß, welche jedoch auffallend arm blieb an sachlichen Gesichtspunkten. Das Wenige, was von solchen zum Vor¬ schein kam, heben wir hervor. Die von dem Interpellanten ebenso lange als leidenschaftlich erörterte und bejahend entschiedene Frage, ob die päpstliche Weihnachtsallokution mit der Anklage, daß die christliche Religion und die katholische Kirche vom deutschen Reich Gewalt zu leiden hätten, Recht habe, gehen wir jetzt nicht ein; aber der Interpellant behauptete, durch die verbo¬ tene Veröffentlichung eines Theiles der päpstlichen Allokution sei der Artikel 27 der preußischen Verfassung verletzt, wonach die Censur nicht und jede an¬ dere Beschränkung der Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung eingeführt werden darf. Dem gegenüber stellte der Minister des Innern fest, daß er die Veröffentlichung nicht verboten hat, sondern nur die Polizeibehörden an¬ gewiesen, diejenigen Druckschriften, welche jenen Theil der Allokution enthalten, mit Beschlag zu belegen. Es sei dies geschehen, fügte der Minister hinzu, um den strafbaren Inhalt der Allokution gegenüber der preußischen Staats¬ gesetzgebung gerichtlich constatiren lassen zu können. Der Minister erklärte, daß er außerdem die Oberpräsidenten angewiesen habe, den Zeitungen nicht vorzuenthalten, daß ihnen bei Mittheilung jenes Actenstückes die Beschlag¬ nahme bevorstehe. Es sei dies ein Schritt gewesen, den das Wohlwollen einge¬ geben und den das Gesetz nicht verbiete. Man kann dieser Gesammterklärung des Ministers gegenüber nur be¬ klagen, daß nach unserer höchst mangelhaften, ja zweckwidrigen Preßgesetz¬ gebung der staatlichen Verfolgung einer Druckschrift immer die polizeiliche Beschlagnahme vorausgehen muß. Wir müßten ein Gesetz haben, welches die gerichtliche Ahndung gesetzwidriger Ansprachen u. s. w. entweder an dem Ur¬ heber oder an dem Verbreiter unter Autorität des Urhebers gestattet und doch die weiteste Verbreitung in anderer Weise zuläßt. Grade so wird in den öffentlichen Gerichtsverhandlungen eine Aufforderung zum Aufruhr verlesen und mit den Verhandlungen in die weitesten Kreise verbreitet, während die Ver¬ breitung durch den Anstifter und für die Zwecke des Anstifters bestraft wird. Wir heben aus der übrigen Verhandlung nur eine sehr bedeutende Rede

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/162>, abgerufen am 24.08.2024.