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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Schwindel weiter. "An Gottes Segen ist Alles gelegen". las man über der
Thür der Heiligen, und dieser Segen hatte hier offenbar ein Wunder gethan,
wenn die Spitzeder statt, wie andere Bankiers postnumerando jährlich fünf,
pränumerando monatlich zehn Procent zu geben im Stande war.

Wir wissen, wie dieses Wunder sich aufklärte, aber ich bin sehr im Zweifel,
ob eine zweite Auflage des Humbugs, der hier eine Zeit lang Erfolg hatte,
nicht wieder Gläubige fände, selbst wenn er die einmal verbrauchten Täuschungs¬
maschinen wieder in Anwendung brächte.

Um aber auf die Reclame zurückzukommen, die im redaetionellen Theile
der großen Journale zu rumoren pflegt, wenn die Bankiers, die sich das be¬
treffende Blatt als Apparat für die Empfehlung ihrer Unternehmungen beim
Publikum geschaffen oder erworben haben, mit einem neuen Plan umgehen,
so wollen wir einmal annehmen, ein Konsortium solcher Herren in Paris oder
Wien, meinethalben auch in Berlin, hätte ein lebhaftes Interesse daran, eine
neue türkische Anleihe vortheilhaft an den Mann zu bringen. Die Reclame
macht dann etwa folgende Phasen durch.

Das Blatt hat lange Zeit nichts über die Lande des Padischah gebracht.
Jetzt plötzlich liest es alles Mögliche zusammen, was sich in andern Zeitungen
Gutes über dieselben findet, und stellt es. nachdem es sich über sein mehr¬
wöchentliches Schweigen über ein so interessantes Stück Erde etwa damit ent-
schuldigt, daß Correspondenzen in der Regel nur schlimme Anzeichen und Vor¬
fälle zu berichten wüßten, von dem Reiche der Osmanen aber seit geraumer
Zeit nur von Fortschritten zu melden sei. Es gelte von ihm, was das
Sprichwort von guten Frauen behaupte: je weniger man von ihnen rede, desto
besser seien sie.

Der Artikel ist natürlich von einem "wohlunterrichteten" Berichterstatter
aus Constantinopel, unter dem man sich einen Herrn vorstellen darf, der im
Rathe des Sadrazam Zutritt hat und sich mit den übrigen Ministern des
Großherrn Du nennt, namentlich aber im Ministerium der Finanzen wohl-
bewandert ist.

Dieser Correspondenz. die sich mehr in Allgemeinheiten über das Ge¬
deihen der agronomischer und industriellen Verhältnisse auf der Balkanhalb¬
insel bewegt, folgt unter demselben Zeichen nach Eintreffen der nächsten Post
eine zweite, die uns meldet, daß schon wieder ein paar Eisenbahnen in Ru-
melien oder Kleinasien eröffnet und vier andere concessionirr sind, wobei auf
die Fruchtbarkeit der betreffenden Gegenden, auf ihren Reichthum an Vieh.
Metallen u. s. w. hingewiesen wird und schließlich nicht verschwiegen bleibt,
welche Fülle neuer Steuern dem türkischen Fiscus in nächster Zukunft zu¬
strömen muß, wenn jene Reichthümer durch diese Bahnen erschlossen sein
werden.


Schwindel weiter. „An Gottes Segen ist Alles gelegen". las man über der
Thür der Heiligen, und dieser Segen hatte hier offenbar ein Wunder gethan,
wenn die Spitzeder statt, wie andere Bankiers postnumerando jährlich fünf,
pränumerando monatlich zehn Procent zu geben im Stande war.

Wir wissen, wie dieses Wunder sich aufklärte, aber ich bin sehr im Zweifel,
ob eine zweite Auflage des Humbugs, der hier eine Zeit lang Erfolg hatte,
nicht wieder Gläubige fände, selbst wenn er die einmal verbrauchten Täuschungs¬
maschinen wieder in Anwendung brächte.

Um aber auf die Reclame zurückzukommen, die im redaetionellen Theile
der großen Journale zu rumoren pflegt, wenn die Bankiers, die sich das be¬
treffende Blatt als Apparat für die Empfehlung ihrer Unternehmungen beim
Publikum geschaffen oder erworben haben, mit einem neuen Plan umgehen,
so wollen wir einmal annehmen, ein Konsortium solcher Herren in Paris oder
Wien, meinethalben auch in Berlin, hätte ein lebhaftes Interesse daran, eine
neue türkische Anleihe vortheilhaft an den Mann zu bringen. Die Reclame
macht dann etwa folgende Phasen durch.

Das Blatt hat lange Zeit nichts über die Lande des Padischah gebracht.
Jetzt plötzlich liest es alles Mögliche zusammen, was sich in andern Zeitungen
Gutes über dieselben findet, und stellt es. nachdem es sich über sein mehr¬
wöchentliches Schweigen über ein so interessantes Stück Erde etwa damit ent-
schuldigt, daß Correspondenzen in der Regel nur schlimme Anzeichen und Vor¬
fälle zu berichten wüßten, von dem Reiche der Osmanen aber seit geraumer
Zeit nur von Fortschritten zu melden sei. Es gelte von ihm, was das
Sprichwort von guten Frauen behaupte: je weniger man von ihnen rede, desto
besser seien sie.

Der Artikel ist natürlich von einem „wohlunterrichteten" Berichterstatter
aus Constantinopel, unter dem man sich einen Herrn vorstellen darf, der im
Rathe des Sadrazam Zutritt hat und sich mit den übrigen Ministern des
Großherrn Du nennt, namentlich aber im Ministerium der Finanzen wohl-
bewandert ist.

Dieser Correspondenz. die sich mehr in Allgemeinheiten über das Ge¬
deihen der agronomischer und industriellen Verhältnisse auf der Balkanhalb¬
insel bewegt, folgt unter demselben Zeichen nach Eintreffen der nächsten Post
eine zweite, die uns meldet, daß schon wieder ein paar Eisenbahnen in Ru-
melien oder Kleinasien eröffnet und vier andere concessionirr sind, wobei auf
die Fruchtbarkeit der betreffenden Gegenden, auf ihren Reichthum an Vieh.
Metallen u. s. w. hingewiesen wird und schließlich nicht verschwiegen bleibt,
welche Fülle neuer Steuern dem türkischen Fiscus in nächster Zukunft zu¬
strömen muß, wenn jene Reichthümer durch diese Bahnen erschlossen sein
werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/111>, abgerufen am 25.08.2024.