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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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kohlter Hanfzwirn, den der Käufer mit 5 Thalern bezahlen muß, während er
gar keinen Werth hat. Ein drittes Mittel gegen dieselbe Krankheit, das als
Amulet auf der Herzgrube getragen werden soll, besteht in einem Säckchen,
welches 7 Stück Päoniensamen und ein Pulver aus Bernstein, Krebsaugen
und rothen Korallen enthält. Preis 3 Thaler, Werth 1 Silbergroschen.

Jacobi's Königtrank, seit 1871 auch Kaisertrank genannt, ist ein Gemisch
aus Aepfelwein, Kartoffelsyrup, Gummi arabicum und Pflaumenbrühe, dem ein
paar Tropfen Llixir propriotatis ?g.rg.e<zlsi zugegossen sind; aber wenn man
den Reclamen glauben dürfte, die der Erfinder massenhaft in die Welt hinein¬
posaunt, wären dadurch die schwersten Krankheiten, unter andern Skropheln,
Rosen, Flechten, "unheilbare Erblindungen, wo auch Operationen nicht mög¬
lich waren", Schwerhörigkeit, Halsschwindsucht, Pocken, Wassersucht, Schwind¬
sucht, Milzbrandvergiftung, Epilepsie und Hundswuth, meist sehr rasch, oft
wie im Handumdrehen, geheilt worden.,

El, el, Herr "Wirklicher Gesundheitsrath", ist das nicht am Ende gar zu
dick aufgetragen?

Keineswegs, der Herr hat seinen Markt gefunden -- sonst könnte er nicht
viele tausend Thaler jährlich für Reclamen ausgeben -- und er wird ihn ver¬
muthlich noch lange finden, ganz wie der Hoflieferant, der das gleich laut,
breit und lang ausgeschriene Malzertract-Gesundheitsbier, diese "Krone aller
Heilnahrungsmittel", "dieses erste Diäteticum in allen Krankheiten" zum
Frommen seiner Mitmenschen erfunden hat und ausschenkt.

Ich hege sogar kaum Zweifel, daß die "Gedächtniß-Limonade", die vor
Kurzem von einem Wiener Charlatan der Welt angepriesen wurde, ihren Weg
machen und ihre Zukunft haben wird, obwohl mir bei der betreffenden Reclame
einige Bedenken beigehen. Ohne Phosphor kein Gedanke, meint Herr Mole¬
schott, und darauf hin schwatzt der Erfinder Staufner der schwachsinnigen
Menschheit ein Gemisch von 15 Theilen Phosphorsäure, 15 Theilen Glycerin
und 70 Procent Wasser mit der Versicherung auf, daß "nach mehrwochent¬
lichen Genuß ein unbeschreiblich angenehmes Gefühl eintritt, ein Schleier sich
vom Gehirn löst, das schwache Denkvermögen neu belebt wird." Neubelebung
des schwachen Denkvermögens -- wenn dabei nur der gewesene Einfaltspinsel
nicht am Ende gewahr wird, daß er fünf Loth werthloser Limonadensäure mit
einem preußischen Thaler bezahlt hat.

Ich weiß, es wird nicht viel helfen, wenn ich hier mithelfe bei der Auf¬
deckung dieser Mißstände. Die Welt will auch heute noch betrogen sein.
Wollte sie's nicht, wo blieben dann die Wahrsager und Wahrsagerinnen. die
sich, oft zu halben Dutzenden auf einmal, in den großen Blättern der Kaiser¬
stadt an der Spree annonciren? Wenn das am grünen Holz geschieht, was
soll am dürren werden? Und was eine Warnung gut macht, das machen


kohlter Hanfzwirn, den der Käufer mit 5 Thalern bezahlen muß, während er
gar keinen Werth hat. Ein drittes Mittel gegen dieselbe Krankheit, das als
Amulet auf der Herzgrube getragen werden soll, besteht in einem Säckchen,
welches 7 Stück Päoniensamen und ein Pulver aus Bernstein, Krebsaugen
und rothen Korallen enthält. Preis 3 Thaler, Werth 1 Silbergroschen.

Jacobi's Königtrank, seit 1871 auch Kaisertrank genannt, ist ein Gemisch
aus Aepfelwein, Kartoffelsyrup, Gummi arabicum und Pflaumenbrühe, dem ein
paar Tropfen Llixir propriotatis ?g.rg.e<zlsi zugegossen sind; aber wenn man
den Reclamen glauben dürfte, die der Erfinder massenhaft in die Welt hinein¬
posaunt, wären dadurch die schwersten Krankheiten, unter andern Skropheln,
Rosen, Flechten, „unheilbare Erblindungen, wo auch Operationen nicht mög¬
lich waren", Schwerhörigkeit, Halsschwindsucht, Pocken, Wassersucht, Schwind¬
sucht, Milzbrandvergiftung, Epilepsie und Hundswuth, meist sehr rasch, oft
wie im Handumdrehen, geheilt worden.,

El, el, Herr „Wirklicher Gesundheitsrath", ist das nicht am Ende gar zu
dick aufgetragen?

Keineswegs, der Herr hat seinen Markt gefunden — sonst könnte er nicht
viele tausend Thaler jährlich für Reclamen ausgeben — und er wird ihn ver¬
muthlich noch lange finden, ganz wie der Hoflieferant, der das gleich laut,
breit und lang ausgeschriene Malzertract-Gesundheitsbier, diese „Krone aller
Heilnahrungsmittel", „dieses erste Diäteticum in allen Krankheiten" zum
Frommen seiner Mitmenschen erfunden hat und ausschenkt.

Ich hege sogar kaum Zweifel, daß die „Gedächtniß-Limonade", die vor
Kurzem von einem Wiener Charlatan der Welt angepriesen wurde, ihren Weg
machen und ihre Zukunft haben wird, obwohl mir bei der betreffenden Reclame
einige Bedenken beigehen. Ohne Phosphor kein Gedanke, meint Herr Mole¬
schott, und darauf hin schwatzt der Erfinder Staufner der schwachsinnigen
Menschheit ein Gemisch von 15 Theilen Phosphorsäure, 15 Theilen Glycerin
und 70 Procent Wasser mit der Versicherung auf, daß „nach mehrwochent¬
lichen Genuß ein unbeschreiblich angenehmes Gefühl eintritt, ein Schleier sich
vom Gehirn löst, das schwache Denkvermögen neu belebt wird." Neubelebung
des schwachen Denkvermögens — wenn dabei nur der gewesene Einfaltspinsel
nicht am Ende gewahr wird, daß er fünf Loth werthloser Limonadensäure mit
einem preußischen Thaler bezahlt hat.

Ich weiß, es wird nicht viel helfen, wenn ich hier mithelfe bei der Auf¬
deckung dieser Mißstände. Die Welt will auch heute noch betrogen sein.
Wollte sie's nicht, wo blieben dann die Wahrsager und Wahrsagerinnen. die
sich, oft zu halben Dutzenden auf einmal, in den großen Blättern der Kaiser¬
stadt an der Spree annonciren? Wenn das am grünen Holz geschieht, was
soll am dürren werden? Und was eine Warnung gut macht, das machen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/108>, abgerufen am 25.08.2024.