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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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meisten Hautreizen und Zertheilungsmitteln, welche die Reclame der leidenden
Menschheit anpreist. Richter charakterisirt deren vierzig, von denen wir nur
einige anführen. "Der Lebenswecker von Baunscheid ist ein aus Nadelspitzen
gebildeter Schröpfschnepper. In die damit auf der Haut erzeugten Stiche
wird ein verdünntes Krotonöl eingerieben (oder nach Hager eine Euvhorbium-
Auflösung). Preis 5 Thaler, Werth einige Silbergroschen." "Gichtsalbe von
Püttmann ^ Terpentin 88, schwarzes Pech 10, Holztheer 2 Theile. Kostet
1 Thaler. Werth 1 Silbergroschen." "Gichtspiritus von Blau, Einreibung
^ Pfeffer mit starkem Weingeist und ^ Essig ausgezogen und mit Rosmarin-
und Lavendelgeist parfumirt. Preis 1 Thaler, Werth kaum 6 Silbergroschen."
"Lebensschmiere von Unterseen, angeblichen Kreisphysiker, auch magnetische
Oelessenz von Egelkraut genannt -- Mohnöl mit einigen Tropfen Thymian-
öl, vielleicht auch etwas Petroleum und Kampher. Kostet Is Silbergroschen
und hat einen Werth von höchstens 15 Pfennigen."

Nicht anders als mit den genannten Mitteln verhält es sich mit einer
Menge von innerlich anzuwendenden Stärkungsmitteln, denen wir in den
Annoncenspalten der Zeitungen fast täglich begegnen. Der "Wundersaft"
von Koch, auch als "concentrirter Nahrungssaft" empfohlen, ist einfacher
Rettigsyrup; die Melasse de la Cochinchina von Warton gemeiner Zucker-
syrup. der Zcchnsyrup von Delabarre. der angeblich bei Kindern den Durch¬
bruch der Zähne erleichtert, gewöhnlicher Safransyrup, den der Charlatan,
der ihn aufschreit, für weniger als 2 Silbergroschen herstellt, während er
sich ihn mit dem Dreißigfachen bezahlen läßt. Die Revalenta arabica von
du Barry, jetzt auch als Revaleseiere ausgeboten, die in Schwindsuchtsfällen
und vielen andern Gebrechen Mirakel verrichtet haben soll, ist ein gelbliches
Pulver aus einem Gemisch von Linsen-, Erbsen- und Bohnenmehl, welches
ungefähr zehnmal so viel kostet als es werth ist. Maizena, "das unüber¬
trefflichste aller Nahrungsmittel", erwies sich bei der Untersuchung als ein¬
faches Mehl von weißen Maiskörnern. Das Hoff'sche Kraftbrustmalz besteht
aus gepulvertem und mit Anisol versetzten Gerstenmalz; das Racahout des
Arabes aus Cacao, Zucker. Gewürz und Reismehl. Das gegen Verschlei-
umng der Luftwege lebhaft empfohlene Pectorin ist ein Gemeng aus Choco-
lade, Zucker und Gummi arabicum, u. f. w.

Wir können von den 550 Quacksalber-Mittelchen , die Richter analysirt.
nur noch ein paar recht charakteristische mittheilen. Die Gichtpillen von Lar-
tigun sind gepulverter Herbstzeitlosen-Samen, mit etwas Zucker und Schleim,
ihr Werth mag für die Schachtel 2 Silbergroschen betragen, der Preis der
Schachtel aber ist 10 Francs, also das vierzigfache. Das Epilepsie-Mittel
von Arnim entlarvt sich bei der Prüfung als alte Brotwürfel mit Schwefel-
leber und Birkentheer getränkt, das Epilepsie-Pulver von Wepler als ver-


meisten Hautreizen und Zertheilungsmitteln, welche die Reclame der leidenden
Menschheit anpreist. Richter charakterisirt deren vierzig, von denen wir nur
einige anführen. „Der Lebenswecker von Baunscheid ist ein aus Nadelspitzen
gebildeter Schröpfschnepper. In die damit auf der Haut erzeugten Stiche
wird ein verdünntes Krotonöl eingerieben (oder nach Hager eine Euvhorbium-
Auflösung). Preis 5 Thaler, Werth einige Silbergroschen." „Gichtsalbe von
Püttmann ^ Terpentin 88, schwarzes Pech 10, Holztheer 2 Theile. Kostet
1 Thaler. Werth 1 Silbergroschen." „Gichtspiritus von Blau, Einreibung
^ Pfeffer mit starkem Weingeist und ^ Essig ausgezogen und mit Rosmarin-
und Lavendelgeist parfumirt. Preis 1 Thaler, Werth kaum 6 Silbergroschen."
„Lebensschmiere von Unterseen, angeblichen Kreisphysiker, auch magnetische
Oelessenz von Egelkraut genannt — Mohnöl mit einigen Tropfen Thymian-
öl, vielleicht auch etwas Petroleum und Kampher. Kostet Is Silbergroschen
und hat einen Werth von höchstens 15 Pfennigen."

Nicht anders als mit den genannten Mitteln verhält es sich mit einer
Menge von innerlich anzuwendenden Stärkungsmitteln, denen wir in den
Annoncenspalten der Zeitungen fast täglich begegnen. Der „Wundersaft"
von Koch, auch als „concentrirter Nahrungssaft" empfohlen, ist einfacher
Rettigsyrup; die Melasse de la Cochinchina von Warton gemeiner Zucker-
syrup. der Zcchnsyrup von Delabarre. der angeblich bei Kindern den Durch¬
bruch der Zähne erleichtert, gewöhnlicher Safransyrup, den der Charlatan,
der ihn aufschreit, für weniger als 2 Silbergroschen herstellt, während er
sich ihn mit dem Dreißigfachen bezahlen läßt. Die Revalenta arabica von
du Barry, jetzt auch als Revaleseiere ausgeboten, die in Schwindsuchtsfällen
und vielen andern Gebrechen Mirakel verrichtet haben soll, ist ein gelbliches
Pulver aus einem Gemisch von Linsen-, Erbsen- und Bohnenmehl, welches
ungefähr zehnmal so viel kostet als es werth ist. Maizena, „das unüber¬
trefflichste aller Nahrungsmittel", erwies sich bei der Untersuchung als ein¬
faches Mehl von weißen Maiskörnern. Das Hoff'sche Kraftbrustmalz besteht
aus gepulvertem und mit Anisol versetzten Gerstenmalz; das Racahout des
Arabes aus Cacao, Zucker. Gewürz und Reismehl. Das gegen Verschlei-
umng der Luftwege lebhaft empfohlene Pectorin ist ein Gemeng aus Choco-
lade, Zucker und Gummi arabicum, u. f. w.

Wir können von den 550 Quacksalber-Mittelchen , die Richter analysirt.
nur noch ein paar recht charakteristische mittheilen. Die Gichtpillen von Lar-
tigun sind gepulverter Herbstzeitlosen-Samen, mit etwas Zucker und Schleim,
ihr Werth mag für die Schachtel 2 Silbergroschen betragen, der Preis der
Schachtel aber ist 10 Francs, also das vierzigfache. Das Epilepsie-Mittel
von Arnim entlarvt sich bei der Prüfung als alte Brotwürfel mit Schwefel-
leber und Birkentheer getränkt, das Epilepsie-Pulver von Wepler als ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/107>, abgerufen am 25.08.2024.