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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Armee. Das Contingent zerfiel ja in zwei poi-lions, von denen nur die erste
wirklich zur Truppe einberufen (appol") wurde, während die andere als
Krümper jene flüchtige Ausbildung erhielt, die, auf 6 Monate im Lauf von
3 Jahren vertheilt, sie befähigen sollte, als Reserve verwendet zu werden.
Wenn die beiden Portionen zu gleichen Theilen angenommen wurden, so
mußte man doch wenigstens 37,000 Mann frisches Blut in die eigentliche
Armee bringen; aber selbst das war nicht der Fall. Bei der großen Ver¬
schwendung in allen Verwaltungszweigen und vor Allem im Kriegsministerium
reichte nämlich das Jahresbudget von 100 Millionen Thalern nicht aus, um
die Armee auf dem nomineller Friedensstande von 400,000 Mann zu halten.
Ihre Effectivstärke war selten über 3V0, meist nur 330 Tausend Mann. Nun
befanden sich aber mindestens 123,000 Nengage's und mit Einschluß der Ver¬
waltungsstellvertreter, der Freiwilligen, welche Officiere werden wollten, der
Officiere, Gensdarmen, Fremdentruppen u. s. w. 240,000 Berufssoldaten im
Heer. Neben ihnen war also nur noch für 100,000 Mann Raum und dieser
Raum wurde durch 7 Jahrgänge von je nur 23,000 Mann ausgefüllt, von
denen sogar die ältesten noch beurlaubt werden mußten. -- 23,000 Mann!
Der Kriegsminister Niet hat es selbst vor dem gesetzgebenden Körper zuge¬
standen, daß diese geringe Zahl das eigentliche Jahrescontingent von Frank¬
reich war.

Die Einziehung der Recruten zu den Fahnen (also en routs) geschah
meist erst im Herbst des ersten Dienstjahres, so daß sich dadurch die Dienst¬
zeit schon um ^ Jahr, also auf 6'//. Jahr herabminderte. In noch höherem
Grade fand dies aber in der Folge (wenn nicht kriegerische Verhältnisse ein¬
traten) durch Beurlaubung statt. Nachdem der Conscrit, nämlich der
Rest des ersten und das ganze zweite, dritte und vierte Jahr bei der Fahne
gestanden, wurde er für das halbe fünfte und dann meist für drei viertel des
sechsten Jahres beurlaubt (cong'6 as six moi") und nachdem er dann noch
wiederdrei Monate bei der Truppe gewesen, fand seine Entlassung auf unbestimmte
Zeit (en eong"; tvmpoi'kirv r6nouv(zia.bis) statt. Thatsächlich befand sich
der Ausgehobene der Premier" xortion also nur 4 Jahre bei der Fahne, der
der clöuxiölinz porticin, der Krümper, während dreier Jahre im Ganzen nur
(i Monat. Die Zahl dieser Krümper blieb übrigens weit unter dem ur¬
sprünglichen Ansatz zurück. Wenn nur 23,000 Mann jährlich in das stehende
Heer eingereiht wurden, so hätte die clczuxiöino Portion jedesmals 52,000
Mann umfassen sollen; sie hat diese Höhe aber niemals auch nur entfernt
erreicht. Im Jahre 1861 wurden 33,200 als Krümper ausgebildet, und größer
dürfte die Zahl kaum je geworden sein.

Nach dem Kriegs etat vom November 186V stellten sich (abgesehen von


Armee. Das Contingent zerfiel ja in zwei poi-lions, von denen nur die erste
wirklich zur Truppe einberufen (appol«) wurde, während die andere als
Krümper jene flüchtige Ausbildung erhielt, die, auf 6 Monate im Lauf von
3 Jahren vertheilt, sie befähigen sollte, als Reserve verwendet zu werden.
Wenn die beiden Portionen zu gleichen Theilen angenommen wurden, so
mußte man doch wenigstens 37,000 Mann frisches Blut in die eigentliche
Armee bringen; aber selbst das war nicht der Fall. Bei der großen Ver¬
schwendung in allen Verwaltungszweigen und vor Allem im Kriegsministerium
reichte nämlich das Jahresbudget von 100 Millionen Thalern nicht aus, um
die Armee auf dem nomineller Friedensstande von 400,000 Mann zu halten.
Ihre Effectivstärke war selten über 3V0, meist nur 330 Tausend Mann. Nun
befanden sich aber mindestens 123,000 Nengage's und mit Einschluß der Ver¬
waltungsstellvertreter, der Freiwilligen, welche Officiere werden wollten, der
Officiere, Gensdarmen, Fremdentruppen u. s. w. 240,000 Berufssoldaten im
Heer. Neben ihnen war also nur noch für 100,000 Mann Raum und dieser
Raum wurde durch 7 Jahrgänge von je nur 23,000 Mann ausgefüllt, von
denen sogar die ältesten noch beurlaubt werden mußten. — 23,000 Mann!
Der Kriegsminister Niet hat es selbst vor dem gesetzgebenden Körper zuge¬
standen, daß diese geringe Zahl das eigentliche Jahrescontingent von Frank¬
reich war.

Die Einziehung der Recruten zu den Fahnen (also en routs) geschah
meist erst im Herbst des ersten Dienstjahres, so daß sich dadurch die Dienst¬
zeit schon um ^ Jahr, also auf 6'//. Jahr herabminderte. In noch höherem
Grade fand dies aber in der Folge (wenn nicht kriegerische Verhältnisse ein¬
traten) durch Beurlaubung statt. Nachdem der Conscrit, nämlich der
Rest des ersten und das ganze zweite, dritte und vierte Jahr bei der Fahne
gestanden, wurde er für das halbe fünfte und dann meist für drei viertel des
sechsten Jahres beurlaubt (cong'6 as six moi») und nachdem er dann noch
wiederdrei Monate bei der Truppe gewesen, fand seine Entlassung auf unbestimmte
Zeit (en eong«; tvmpoi'kirv r6nouv(zia.bis) statt. Thatsächlich befand sich
der Ausgehobene der Premier» xortion also nur 4 Jahre bei der Fahne, der
der clöuxiölinz porticin, der Krümper, während dreier Jahre im Ganzen nur
(i Monat. Die Zahl dieser Krümper blieb übrigens weit unter dem ur¬
sprünglichen Ansatz zurück. Wenn nur 23,000 Mann jährlich in das stehende
Heer eingereiht wurden, so hätte die clczuxiöino Portion jedesmals 52,000
Mann umfassen sollen; sie hat diese Höhe aber niemals auch nur entfernt
erreicht. Im Jahre 1861 wurden 33,200 als Krümper ausgebildet, und größer
dürfte die Zahl kaum je geworden sein.

Nach dem Kriegs etat vom November 186V stellten sich (abgesehen von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/98>, abgerufen am 22.07.2024.