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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Lage und wie sollte man den offenen Rebellen jetzt strafen? Bunsen vertrat
die schärfste Maßregel. Auch auf seinen Rath erfolgte die Verhaftung und
Wegführung Droste's. Nun aber entsprach es sofort dem Character dieser
Rathgeber, daß man einlenkte; nachdem man den Bischof tödtlich beleidigt,
hatte man diese That in Rom zu erläutern resp, zu rechtfertigen. Dazu
machte sich Bunsen wieder auf den Weg. Unterwegs besprach er sich auch
mit Metternich: die ganze Ueberlegenheit Metternich's über den diplomatischen
Dilettanten zeigt uns Bunsen's eigener Bericht; selbst eine Blöße thatsächlich
falsche Informationen zu besitzen wußte der österreichische Staatskanzler so zu
verdecken, daß er Bunsen ganz gewaltig imponirte. Und nun erfolgte die
erste persönliche Demüthigung Bunsen's. Trotz der fulminanten Kriegser¬
klärung des Papstthums gegen Preußen am 10. Dezember 1837 ließ er sich
zu begütigenden Vorstellungen verführen; er glaubte immer noch eine Aus¬
söhnung der Gegensätze anbahnen zu können. Persönlich war seine Stellung
unhaltbar geworden, er erhielt die erbetene Entlassung, -- für.ihn mußte dies
Resultat eintreten, ebenso wenn man energisch weitergehen, als wenn man
nachgiebig einlenken wollte. Es ist bekannt, wie von da ab immer offenkundiger
die Principlosigkeit in Berlin Platz griff, wie man von einer Position zur
anderen zurückging, bis zuletzt der unstaatliche Sinn des neuen Königs Fried¬
rich Wilhelm's IV., dessen unheilvoller Einfluß als Kronprinz schon manches
verschuldet, die Niederlage vor der Curie untersiegelte. Auch zu diesen letzten
Entschlüssen war Bunsen herbeigezogen worden. Wohl war er bemüht ge¬
wesen, das nackte Msr xgeeavi zu hindern, der factischen Nachgiebigkeit hatte
er zugestimmt. Wie man einmal diese Dinge behandelt und verfahren hatte,
durfte man froh sein ohne neuen öffentlichen Schimpf davonzukommen.

Fassen wir unser Urtheil zusammen. Bunsen's Antheil an dem Conflicte
des preußischen Staates mit der römischen Curie giebt ihm nicht das Recht
des staatsmännischen Lorbeers. Wir verkennen nicht, daß er einer verbrei¬
teten Anschauung huldigte, wenn er das Einvernehmen mit dem Papstthums,
die Cooperation clericaler Tendenzen mit der preußischen Verwaltung anstrebte.
Wir heben ausdrücklich noch einmal hervor, daß aus seinen Aufzeichnungen
sich manche Aeußerungen beibringen lassen, welche von seiner theoretischen Ein¬
sicht in die Natur des Jesuitismus Zeugniß ablegen. Aber alles das mildert
doch nur wenig das Schlußurtheil, daß seine Methode der practischen Behand¬
lung dieser schwierigen Dinge die preußischen Interessen nicht wenig geschädigt
hat. Gerade bei entscheidenden Momenten dieser Geschichte sehen wir, wie
sein dilettantisches Ungeschick, seine optimistische Einbildungskraft das Fehl¬
schlagen der Verhandlungen herbeigeführt oder wenigstens erleichtert hat. Auf
uns wenigstens hat die aufmerksame Lecture seiner Biographie immer stärker
den Eindruck gemacht, wie wenig Bunsen gerade für die diplomatische Seite


Lage und wie sollte man den offenen Rebellen jetzt strafen? Bunsen vertrat
die schärfste Maßregel. Auch auf seinen Rath erfolgte die Verhaftung und
Wegführung Droste's. Nun aber entsprach es sofort dem Character dieser
Rathgeber, daß man einlenkte; nachdem man den Bischof tödtlich beleidigt,
hatte man diese That in Rom zu erläutern resp, zu rechtfertigen. Dazu
machte sich Bunsen wieder auf den Weg. Unterwegs besprach er sich auch
mit Metternich: die ganze Ueberlegenheit Metternich's über den diplomatischen
Dilettanten zeigt uns Bunsen's eigener Bericht; selbst eine Blöße thatsächlich
falsche Informationen zu besitzen wußte der österreichische Staatskanzler so zu
verdecken, daß er Bunsen ganz gewaltig imponirte. Und nun erfolgte die
erste persönliche Demüthigung Bunsen's. Trotz der fulminanten Kriegser¬
klärung des Papstthums gegen Preußen am 10. Dezember 1837 ließ er sich
zu begütigenden Vorstellungen verführen; er glaubte immer noch eine Aus¬
söhnung der Gegensätze anbahnen zu können. Persönlich war seine Stellung
unhaltbar geworden, er erhielt die erbetene Entlassung, — für.ihn mußte dies
Resultat eintreten, ebenso wenn man energisch weitergehen, als wenn man
nachgiebig einlenken wollte. Es ist bekannt, wie von da ab immer offenkundiger
die Principlosigkeit in Berlin Platz griff, wie man von einer Position zur
anderen zurückging, bis zuletzt der unstaatliche Sinn des neuen Königs Fried¬
rich Wilhelm's IV., dessen unheilvoller Einfluß als Kronprinz schon manches
verschuldet, die Niederlage vor der Curie untersiegelte. Auch zu diesen letzten
Entschlüssen war Bunsen herbeigezogen worden. Wohl war er bemüht ge¬
wesen, das nackte Msr xgeeavi zu hindern, der factischen Nachgiebigkeit hatte
er zugestimmt. Wie man einmal diese Dinge behandelt und verfahren hatte,
durfte man froh sein ohne neuen öffentlichen Schimpf davonzukommen.

Fassen wir unser Urtheil zusammen. Bunsen's Antheil an dem Conflicte
des preußischen Staates mit der römischen Curie giebt ihm nicht das Recht
des staatsmännischen Lorbeers. Wir verkennen nicht, daß er einer verbrei¬
teten Anschauung huldigte, wenn er das Einvernehmen mit dem Papstthums,
die Cooperation clericaler Tendenzen mit der preußischen Verwaltung anstrebte.
Wir heben ausdrücklich noch einmal hervor, daß aus seinen Aufzeichnungen
sich manche Aeußerungen beibringen lassen, welche von seiner theoretischen Ein¬
sicht in die Natur des Jesuitismus Zeugniß ablegen. Aber alles das mildert
doch nur wenig das Schlußurtheil, daß seine Methode der practischen Behand¬
lung dieser schwierigen Dinge die preußischen Interessen nicht wenig geschädigt
hat. Gerade bei entscheidenden Momenten dieser Geschichte sehen wir, wie
sein dilettantisches Ungeschick, seine optimistische Einbildungskraft das Fehl¬
schlagen der Verhandlungen herbeigeführt oder wenigstens erleichtert hat. Auf
uns wenigstens hat die aufmerksame Lecture seiner Biographie immer stärker
den Eindruck gemacht, wie wenig Bunsen gerade für die diplomatische Seite


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/95>, abgerufen am 22.07.2024.