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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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und Lumpenausfuhr-Zölle, müßten gleichzeitig getroffen werden. Ein geringer
Meinungsstreit entstand bei der Zollreformfrage nur über die Näthlichkeit der
Forderung von Aequivalenten Seitens des Zollvereins. Ein Redner bean¬
tragte, als ein Aequivalent von England, dem man die Aufhebung des Roh¬
eisenzolls nicht schenken dürfe, die Ermäßigung des englischen Spirituszolls
zu fordern, ein solcher Congreßbeschluß werde im ganzen Osten die lebhafteste
Zustimmung finden. Man entgegnete mit Recht, daß eine Frage der innern
Zollreform von dem Zustandekommen eines internationalen Vertrags nicht
abhängig gemacht werden dürfe und daß England obendrein augenblicklich
kein Interesse an der Aufhebung der deutschen Eisenzölle habe, da es kaum
seinen eigenen Eisenbedarf decken könne. Nach diesen sachgemäßen Auseinan¬
dersetzungen vereinigt sich der Congreß einstimmig zu folgendem Beschlusse:
"Die gegenwärtige Lage unserer Wirthschaftsverhältnisse verlangt die unge¬
säumte Wiederaufnahme und Fortführung der vom Zollparlament begonnenen
Zolltarifreform durch die gesetzgebenden Factoren des deutschen Reiches bis das
Ziel dieser Reform, und zwar 1) die consequente Beseitigung des Schutzsystems,
2) die Zurückführung des Tarifs auf wenige nach finanziellen Rücksichten
ausgewählte Positionen ganz erreicht sein wird. Am dringendsten nothwendig
ist die Aufhebung der Eisenzölle, der Einfuhrzölle auf Chemikalien und des
Lumpen-Ausfuhr-Zolls."

Mit gleicher Uebereinstimmung bekundete der 'volkswirtschaftliche Congreß
in Danzig sein lebhaftes Interesse an der Hebung der deutschen Strom -
und Canalschifffahrt, indem er unter Anhörung der Klagen der deut¬
schen Stromschiffe nach kurzer Debatte beschloß: "Der Congreß spricht wieder¬
holt sein Bedauern über die großen Schäden aus, welche durch ungenügende
Fürsorge für die Verhältnisse der Binnenschifffahrt, insbesondere für die Ver¬
besserung des Zustandes der bestehenden Wasserstraßen und Errichtung von
neuen Canälen dem Volkswohlstande fortdauernd zugefügt werden. Als ein
geeigneter Schritt zur Abhülfe wird empfohlen, daß für die einzelnen Strom¬
gebiete besondere Wasserbaudirectionen errichtet werden, wie solche für die
preußische Eldstrccke durch Errichtung einer Elbstrombaudirection mit Erfolg
angebahnt ist."

Die drei übrigen auf dem Danziger Congresse verhandelten Fragen: Die
Bankfrage, die Schulgeldfrage und die Eiscnbahnfrage führten zu keinem solchen
Resultate, wie die Debatte über die Arbeiterhülfscassen. Da wir schon einen
großen Raum dieser Zeitschrift beansprucht haben, müssen wir es einer
andern Feder überlassen, über diese Fragen eingehender zu berichten
und wollen die Ergebnisse der Debatte nur in kurzen Worten zusammen¬
fassen. -

In der Schulgeldfrage wurden drei verschiedene Standpuncte geltend


und Lumpenausfuhr-Zölle, müßten gleichzeitig getroffen werden. Ein geringer
Meinungsstreit entstand bei der Zollreformfrage nur über die Näthlichkeit der
Forderung von Aequivalenten Seitens des Zollvereins. Ein Redner bean¬
tragte, als ein Aequivalent von England, dem man die Aufhebung des Roh¬
eisenzolls nicht schenken dürfe, die Ermäßigung des englischen Spirituszolls
zu fordern, ein solcher Congreßbeschluß werde im ganzen Osten die lebhafteste
Zustimmung finden. Man entgegnete mit Recht, daß eine Frage der innern
Zollreform von dem Zustandekommen eines internationalen Vertrags nicht
abhängig gemacht werden dürfe und daß England obendrein augenblicklich
kein Interesse an der Aufhebung der deutschen Eisenzölle habe, da es kaum
seinen eigenen Eisenbedarf decken könne. Nach diesen sachgemäßen Auseinan¬
dersetzungen vereinigt sich der Congreß einstimmig zu folgendem Beschlusse:
„Die gegenwärtige Lage unserer Wirthschaftsverhältnisse verlangt die unge¬
säumte Wiederaufnahme und Fortführung der vom Zollparlament begonnenen
Zolltarifreform durch die gesetzgebenden Factoren des deutschen Reiches bis das
Ziel dieser Reform, und zwar 1) die consequente Beseitigung des Schutzsystems,
2) die Zurückführung des Tarifs auf wenige nach finanziellen Rücksichten
ausgewählte Positionen ganz erreicht sein wird. Am dringendsten nothwendig
ist die Aufhebung der Eisenzölle, der Einfuhrzölle auf Chemikalien und des
Lumpen-Ausfuhr-Zolls."

Mit gleicher Uebereinstimmung bekundete der 'volkswirtschaftliche Congreß
in Danzig sein lebhaftes Interesse an der Hebung der deutschen Strom -
und Canalschifffahrt, indem er unter Anhörung der Klagen der deut¬
schen Stromschiffe nach kurzer Debatte beschloß: „Der Congreß spricht wieder¬
holt sein Bedauern über die großen Schäden aus, welche durch ungenügende
Fürsorge für die Verhältnisse der Binnenschifffahrt, insbesondere für die Ver¬
besserung des Zustandes der bestehenden Wasserstraßen und Errichtung von
neuen Canälen dem Volkswohlstande fortdauernd zugefügt werden. Als ein
geeigneter Schritt zur Abhülfe wird empfohlen, daß für die einzelnen Strom¬
gebiete besondere Wasserbaudirectionen errichtet werden, wie solche für die
preußische Eldstrccke durch Errichtung einer Elbstrombaudirection mit Erfolg
angebahnt ist."

Die drei übrigen auf dem Danziger Congresse verhandelten Fragen: Die
Bankfrage, die Schulgeldfrage und die Eiscnbahnfrage führten zu keinem solchen
Resultate, wie die Debatte über die Arbeiterhülfscassen. Da wir schon einen
großen Raum dieser Zeitschrift beansprucht haben, müssen wir es einer
andern Feder überlassen, über diese Fragen eingehender zu berichten
und wollen die Ergebnisse der Debatte nur in kurzen Worten zusammen¬
fassen. -

In der Schulgeldfrage wurden drei verschiedene Standpuncte geltend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/78>, abgerufen am 22.07.2024.