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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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hatte große Schwierigkeiten; denn in der modernen Gesellschaft, wo das
bürgerliche Leben so viel mehr Gewinn und Annehmlichkeiten bietet als das
militärische, entschließen sich tüchtige Menschen nur schwer zur Diensterneue¬
rung, wenn man ihnen nicht bedeutende Vortheile verspricht. Um diese gewähren,
um aus dem Militärdienste einen Beruf machen zu können, an dessen Ende
der Krieger ein Ruhegehalt fände, groß genug, um seinen Bedürfnissen zu ge¬
nügen, bedürfte es bedeutender Summen, und solche waren nur dann zu be¬
schaffen, wenn der Staat den Handel mit Stellvertretern übernahm. Dieser
wurde ihm durch das Gesetz von 186S (mit Ausnahme des Tausches zwischen
Verwandten) zugesprochen. In Folge dieses Gesetzes mußte jeder junge Mann
sich schon vor der Loosung darüber entscheiden, ob er sich freilaufen wolle
oder nicht. Ersteren Falles zahlte er eine jährlich von der Regierung festzu¬
stellende Summe (in friedlichen Zeiten, z, B. in den sechziger Jahren, meist
2600 Francs) in die Dotation scasse der Armee ein. Dadurch war
er von jeder Dienstpflicht, auch für den Fall der Desertion
seines Stellvertreters, völlig frei; denn es gab nun keine bestimmten
Stellvertreter mehr für bestimmte Personen, vielmehr wurde der Freigekaufte
in Folge seiner Zahlung auf die Rekrutenquote seines Bezirks angerechnet. --
Da früher diejenigen, welche sich freigeloost hatten, auch keines Vertreters be¬
durften, jetzt aber alle diejenigen, welche nicht dienen wollten, sich freizukausen
hatten, so war die Zahl dieser tZxomZrss natürlich weit größer als die der
früher Vertretenen, und die Dotationscasse machte ein gutes Geschäft. Den
Ausfall an Menschen, der dabei entstand, deckte die Regierung theils durch
das Einstellen gewordener Mannschaft (euAg.Z<zg)*) oder, und dieß schien
eben das Wünschenswerteste, durch Capitulation ausgedienter Soldaten
(röNMZ6s). Diesen Leuten flössen nun die von den Vertretern eingezahlten
Summen zu und zwar unter dem Namen einer "prime" (Handgeld) und
einer "ranks x^e" d. h. höherer Besoldung. Der Wiedereintritt auf volle
sieben Jahre berechtigte zu einer Prämie von 2200 Franken und einer täg¬
lichen Soldzulage von 10 Centimes, bei Wiederanwerbungen auf kürzere Zeit
zahlte die Casse einen Preis von 310 Franken für jedes Jahr der übernom¬
menen Verpflichtung und die gleiche ng,nes Nach 14 vollendeten Dienst¬
jahren wurde die Zulage auf 20 Centimes täglich gesteigert, für das Neu-
Engagement aber keine Prämie mehr bezahlt. Bis zum Jahre 1864 wurde
die eine Hälfte der primo beim Eingehen der Capitulation, die andere beim



') Alljährlich erließen seitdem, unter gehöriger Erläuterung der zu erlangenden Vortheile
die Präfecten in allen Gemeinden amtliche Aufforderungen zum freiwilligen Eintritt militär-
sreier, oder wie der amtliche Ausdruck lautete, solcher Leute, "die dem Gesetze genügt haben"
(und unverheirathet sind.) Die auf diese Weise eingestellten jungen Leute hießen l^mMy-i-no
"ilministiAtifs.

hatte große Schwierigkeiten; denn in der modernen Gesellschaft, wo das
bürgerliche Leben so viel mehr Gewinn und Annehmlichkeiten bietet als das
militärische, entschließen sich tüchtige Menschen nur schwer zur Diensterneue¬
rung, wenn man ihnen nicht bedeutende Vortheile verspricht. Um diese gewähren,
um aus dem Militärdienste einen Beruf machen zu können, an dessen Ende
der Krieger ein Ruhegehalt fände, groß genug, um seinen Bedürfnissen zu ge¬
nügen, bedürfte es bedeutender Summen, und solche waren nur dann zu be¬
schaffen, wenn der Staat den Handel mit Stellvertretern übernahm. Dieser
wurde ihm durch das Gesetz von 186S (mit Ausnahme des Tausches zwischen
Verwandten) zugesprochen. In Folge dieses Gesetzes mußte jeder junge Mann
sich schon vor der Loosung darüber entscheiden, ob er sich freilaufen wolle
oder nicht. Ersteren Falles zahlte er eine jährlich von der Regierung festzu¬
stellende Summe (in friedlichen Zeiten, z, B. in den sechziger Jahren, meist
2600 Francs) in die Dotation scasse der Armee ein. Dadurch war
er von jeder Dienstpflicht, auch für den Fall der Desertion
seines Stellvertreters, völlig frei; denn es gab nun keine bestimmten
Stellvertreter mehr für bestimmte Personen, vielmehr wurde der Freigekaufte
in Folge seiner Zahlung auf die Rekrutenquote seines Bezirks angerechnet. —
Da früher diejenigen, welche sich freigeloost hatten, auch keines Vertreters be¬
durften, jetzt aber alle diejenigen, welche nicht dienen wollten, sich freizukausen
hatten, so war die Zahl dieser tZxomZrss natürlich weit größer als die der
früher Vertretenen, und die Dotationscasse machte ein gutes Geschäft. Den
Ausfall an Menschen, der dabei entstand, deckte die Regierung theils durch
das Einstellen gewordener Mannschaft (euAg.Z<zg)*) oder, und dieß schien
eben das Wünschenswerteste, durch Capitulation ausgedienter Soldaten
(röNMZ6s). Diesen Leuten flössen nun die von den Vertretern eingezahlten
Summen zu und zwar unter dem Namen einer „prime" (Handgeld) und
einer „ranks x^e" d. h. höherer Besoldung. Der Wiedereintritt auf volle
sieben Jahre berechtigte zu einer Prämie von 2200 Franken und einer täg¬
lichen Soldzulage von 10 Centimes, bei Wiederanwerbungen auf kürzere Zeit
zahlte die Casse einen Preis von 310 Franken für jedes Jahr der übernom¬
menen Verpflichtung und die gleiche ng,nes Nach 14 vollendeten Dienst¬
jahren wurde die Zulage auf 20 Centimes täglich gesteigert, für das Neu-
Engagement aber keine Prämie mehr bezahlt. Bis zum Jahre 1864 wurde
die eine Hälfte der primo beim Eingehen der Capitulation, die andere beim



') Alljährlich erließen seitdem, unter gehöriger Erläuterung der zu erlangenden Vortheile
die Präfecten in allen Gemeinden amtliche Aufforderungen zum freiwilligen Eintritt militär-
sreier, oder wie der amtliche Ausdruck lautete, solcher Leute, „die dem Gesetze genügt haben"
(und unverheirathet sind.) Die auf diese Weise eingestellten jungen Leute hießen l^mMy-i-no
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/64>, abgerufen am 22.07.2024.