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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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eine drohende Haltung an. -- Es ist oftmals und mit sehr guten Gründen
behauptet worden, daß dieser so spät hervortretende bewaffnete Widerstand
gegen den Staatsstreich nicht spontan, sondern erst in Folge der Anstrengungen
bonapartistischer agsnts provoe^eurs entstanden sei. Die Partei des Präsi¬
denten habe eines blutigen Sieges bedurft. Seit Stunden, ja seit Tagen
standen die Soldaten auf dem Pflaster: ließen die Pariser sie so stehen, als
wenn es weiter nichts wäre, so drohte die Verschwörung lächerlich zu werden,
und an diesem Umstände hätte sie noch nachträglich scheitern können. Aus
dieser Furcht heraus soll man in den schweigenden Massen geschürt und sie
zum Widerstande gereizt haben. Was gegen diese sonst sehr wahrscheinliche
Annahme spricht, ist der Umstand, daß es ausschließlich ein Theil der Bour¬
geoisie war, der die Waffen ergriff. Die unteren Classen sahen, eingedenk der
Junischlacht dem Kampfe ohne Sympathie, ja mit hämischer Schadenfreude
zu, und diese Spaltung des Volkes von Paris gab den Bonapartisten von
vorn herein gewonnenes Spiel. Nachmittags schritt General Magnam zum
Angriff. Es war ein kurzer, aber blutiger Kampf. Die Truppen, angefeuert
durch starke Getränke und Geldspenden, gingen gegen die verhaßte Emeute
mit Wuth vor und gaben nirgends Pardon. Noch vor Abend waren sie
überall Sieger.

Napoleon erwies sich dankbar gegen das Heer. Schon am 5. December erließ
ereinDecret, wonach die Kämpfe im Innern als Feldzüge gerechnet
werden sollten, und seitdem figurirte in den Armeelisten der 4. December als
LamxaZns as ?aris. Zur Unterstützung für alte Militärs wurde ein Credit
von 2 Millionen eröffnet; der active Cadre der Generäle und des General¬
stabs wurde in seinem früheren Umfange wieder hergestellt, ebenso die Zahl
der im Mai 1848 reducirten Militärdivisioncn; auf den Fahnen wurde der
Hahn durch den Adler ersetzt, und der Prinz-Präsident, in dessen Hände die
durch das Plebiscit sanctionirte Verfassung vom 14. Januar 18S2 den Ober¬
befehl über die Land- und Seemacht legte, bezog die Tuilerien.

Als dann durch Decret vom 22. Jan. 1852 die Güter der Familie Or¬
leans eingezogen wurden, ward ein namhafter Theil dieses ungeheueren Ver¬
mögens der Dotation der Ehrenlegion zugewiesen, um als Renten für
die Ritter derselben oder als Ausstattung der neugeschaffenen mit einem Jahrge¬
halt von 100 Franken verbundenen Militärmedaille verwendet zu werden.
Den alten Soldaten des ersten Kaiserreichs wurde dieAuszahlung von Jahrgeldern
versprochen, welche die Nationalversammlung kurz vor ihrer Auflösung verweigert
hatte, und der Armee eine allgemeine Erhöhung des Soldes in Aus¬
sicht gestellt. Außerdem fand ein sehr ausgedehntes Avancement statt und
ein großer Theil der Sessel in dem neu geschaffenen reich dotirter Senate,
fast ein Drittel, wurde hohen Officieren zugesprochen. -- Am 10. Mai endlich


Grenzboten IV. 1872. 7

eine drohende Haltung an. — Es ist oftmals und mit sehr guten Gründen
behauptet worden, daß dieser so spät hervortretende bewaffnete Widerstand
gegen den Staatsstreich nicht spontan, sondern erst in Folge der Anstrengungen
bonapartistischer agsnts provoe^eurs entstanden sei. Die Partei des Präsi¬
denten habe eines blutigen Sieges bedurft. Seit Stunden, ja seit Tagen
standen die Soldaten auf dem Pflaster: ließen die Pariser sie so stehen, als
wenn es weiter nichts wäre, so drohte die Verschwörung lächerlich zu werden,
und an diesem Umstände hätte sie noch nachträglich scheitern können. Aus
dieser Furcht heraus soll man in den schweigenden Massen geschürt und sie
zum Widerstande gereizt haben. Was gegen diese sonst sehr wahrscheinliche
Annahme spricht, ist der Umstand, daß es ausschließlich ein Theil der Bour¬
geoisie war, der die Waffen ergriff. Die unteren Classen sahen, eingedenk der
Junischlacht dem Kampfe ohne Sympathie, ja mit hämischer Schadenfreude
zu, und diese Spaltung des Volkes von Paris gab den Bonapartisten von
vorn herein gewonnenes Spiel. Nachmittags schritt General Magnam zum
Angriff. Es war ein kurzer, aber blutiger Kampf. Die Truppen, angefeuert
durch starke Getränke und Geldspenden, gingen gegen die verhaßte Emeute
mit Wuth vor und gaben nirgends Pardon. Noch vor Abend waren sie
überall Sieger.

Napoleon erwies sich dankbar gegen das Heer. Schon am 5. December erließ
ereinDecret, wonach die Kämpfe im Innern als Feldzüge gerechnet
werden sollten, und seitdem figurirte in den Armeelisten der 4. December als
LamxaZns as ?aris. Zur Unterstützung für alte Militärs wurde ein Credit
von 2 Millionen eröffnet; der active Cadre der Generäle und des General¬
stabs wurde in seinem früheren Umfange wieder hergestellt, ebenso die Zahl
der im Mai 1848 reducirten Militärdivisioncn; auf den Fahnen wurde der
Hahn durch den Adler ersetzt, und der Prinz-Präsident, in dessen Hände die
durch das Plebiscit sanctionirte Verfassung vom 14. Januar 18S2 den Ober¬
befehl über die Land- und Seemacht legte, bezog die Tuilerien.

Als dann durch Decret vom 22. Jan. 1852 die Güter der Familie Or¬
leans eingezogen wurden, ward ein namhafter Theil dieses ungeheueren Ver¬
mögens der Dotation der Ehrenlegion zugewiesen, um als Renten für
die Ritter derselben oder als Ausstattung der neugeschaffenen mit einem Jahrge¬
halt von 100 Franken verbundenen Militärmedaille verwendet zu werden.
Den alten Soldaten des ersten Kaiserreichs wurde dieAuszahlung von Jahrgeldern
versprochen, welche die Nationalversammlung kurz vor ihrer Auflösung verweigert
hatte, und der Armee eine allgemeine Erhöhung des Soldes in Aus¬
sicht gestellt. Außerdem fand ein sehr ausgedehntes Avancement statt und
ein großer Theil der Sessel in dem neu geschaffenen reich dotirter Senate,
fast ein Drittel, wurde hohen Officieren zugesprochen. — Am 10. Mai endlich


Grenzboten IV. 1872. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/57>, abgerufen am 22.07.2024.