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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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theils in der Hand habe, theils Rußland gegenüber, anzustreben berech¬
tigt sei.

Im Abgeordnetenhause kam am 9. December das Gesetz wegen Abände¬
rung der Classensteuer und der Einkommensteuer zur ersten Berathung. Das
Resultat derselben war die Wahl,einer Commission zur Vorbereitung der
weiteren Berathung. Ich ziehe es daher vor / die Erläuterung des Gesetzent¬
wurfs bis zu den Verhandlungen der zweiten Berathung, in welcher das
Haus sich erst entscheiden wird, zu "ersparen. Aus der ersten Berathung ist
nur eine ausgezeichnete Rede des Abgeordneten Löwe hervorzuheben, worin
er namentlich die Nachtheile der Mahl- und Schlachtsteuer, von denen man
nicht schlimm genug denken kann, wiederum vor Augen stellte. Es ist das
sehr nöthig und verdienstlich. Denn bekanntlich wollte die Regierung in der
vorigen Session in Verbindung mit einer Reform der Classensteuer die Mahl-
und Schlachtsteuer aufheben. Die desfallsige Gesetzvorlage wurde aber verworfen,
weil viele Abgeordnete fanden, daß die Mahl- und Schlachtsteuer keinesfalls am
dringlichsten zu beseitigen und überhaupt garnicht so übel sei. In ihrem dies¬
maligen Entwurf hat sich nun die Regierung auf die Reform der Classensteuer und
einige nicht wesentliche Veränderungen der Einkommensteuer beschränkt. Es ist das
geschehen, weil eine Reform um so leichter der Vereitelung ausgesetzt wird, je mehr
sie auf verschiedenen Punkten gleichzeitig einsetzt. Doch ist Seitens eines Abgeord¬
neten ein Gesetzentwurf zur Beseitigung der Mahl- und Schlachtsteuer selbständig
eingebracht worden.

Das Herrenhaus erledigte am 10. December eine Gesetzvorlage über die
Ablösung der Reallasten in Schleswig-Holstein, auf die ich ihrer technischen
und lokalen Beschaffenheit wegen nicht näher eingehe.

Im Abgeordnetenhause stand am 11. December der Gesetzentwurf betreffend
die Ausstattung der Provineialverbände mit eigenen Fonds zur ersten Be¬
rathung. Auch hier wurde die Wahl einer Commission beschlossen, auch hier
verspare ich die Erläuterung bis zur Berichterstattung über die zweite ent¬
scheidende Berathung. Die Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. December
war einigen technischen Vorlagen gewidmet, unter denen hervorzuheben sind:
die Aufhebung des Jagdrechts in Hessen und Schleswig-Holstein, die Ge¬
währung von Wohnungsgeldern an die Staatsbeamten. --

In dieser Woche ist es eine Wohlthat für den Berichterstatter, daß er
das Eingehen auf wichtige Gegenstände der Landtagsverhandlungen mit Fug
sich auf einen späteren Zeitpunkt ersparen konnte, denn die allgemeine Auf¬
merksamkeit ist von einer ganz anderen Frage der inneren Politik vollständig
in Anspruch genommen. Seit Mitte der Woche verbreitete sich die Kunde,
die seitdem ihre Bestätigung gefunden hat, daß Fürst Bismarck den Vorsitz
im preußischen Staatsministerium niederlegen wolle. Mit Recht sieht die


theils in der Hand habe, theils Rußland gegenüber, anzustreben berech¬
tigt sei.

Im Abgeordnetenhause kam am 9. December das Gesetz wegen Abände¬
rung der Classensteuer und der Einkommensteuer zur ersten Berathung. Das
Resultat derselben war die Wahl,einer Commission zur Vorbereitung der
weiteren Berathung. Ich ziehe es daher vor / die Erläuterung des Gesetzent¬
wurfs bis zu den Verhandlungen der zweiten Berathung, in welcher das
Haus sich erst entscheiden wird, zu »ersparen. Aus der ersten Berathung ist
nur eine ausgezeichnete Rede des Abgeordneten Löwe hervorzuheben, worin
er namentlich die Nachtheile der Mahl- und Schlachtsteuer, von denen man
nicht schlimm genug denken kann, wiederum vor Augen stellte. Es ist das
sehr nöthig und verdienstlich. Denn bekanntlich wollte die Regierung in der
vorigen Session in Verbindung mit einer Reform der Classensteuer die Mahl-
und Schlachtsteuer aufheben. Die desfallsige Gesetzvorlage wurde aber verworfen,
weil viele Abgeordnete fanden, daß die Mahl- und Schlachtsteuer keinesfalls am
dringlichsten zu beseitigen und überhaupt garnicht so übel sei. In ihrem dies¬
maligen Entwurf hat sich nun die Regierung auf die Reform der Classensteuer und
einige nicht wesentliche Veränderungen der Einkommensteuer beschränkt. Es ist das
geschehen, weil eine Reform um so leichter der Vereitelung ausgesetzt wird, je mehr
sie auf verschiedenen Punkten gleichzeitig einsetzt. Doch ist Seitens eines Abgeord¬
neten ein Gesetzentwurf zur Beseitigung der Mahl- und Schlachtsteuer selbständig
eingebracht worden.

Das Herrenhaus erledigte am 10. December eine Gesetzvorlage über die
Ablösung der Reallasten in Schleswig-Holstein, auf die ich ihrer technischen
und lokalen Beschaffenheit wegen nicht näher eingehe.

Im Abgeordnetenhause stand am 11. December der Gesetzentwurf betreffend
die Ausstattung der Provineialverbände mit eigenen Fonds zur ersten Be¬
rathung. Auch hier wurde die Wahl einer Commission beschlossen, auch hier
verspare ich die Erläuterung bis zur Berichterstattung über die zweite ent¬
scheidende Berathung. Die Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. December
war einigen technischen Vorlagen gewidmet, unter denen hervorzuheben sind:
die Aufhebung des Jagdrechts in Hessen und Schleswig-Holstein, die Ge¬
währung von Wohnungsgeldern an die Staatsbeamten. —

In dieser Woche ist es eine Wohlthat für den Berichterstatter, daß er
das Eingehen auf wichtige Gegenstände der Landtagsverhandlungen mit Fug
sich auf einen späteren Zeitpunkt ersparen konnte, denn die allgemeine Auf¬
merksamkeit ist von einer ganz anderen Frage der inneren Politik vollständig
in Anspruch genommen. Seit Mitte der Woche verbreitete sich die Kunde,
die seitdem ihre Bestätigung gefunden hat, daß Fürst Bismarck den Vorsitz
im preußischen Staatsministerium niederlegen wolle. Mit Recht sieht die


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[0519] theils in der Hand habe, theils Rußland gegenüber, anzustreben berech¬ tigt sei. Im Abgeordnetenhause kam am 9. December das Gesetz wegen Abände¬ rung der Classensteuer und der Einkommensteuer zur ersten Berathung. Das Resultat derselben war die Wahl,einer Commission zur Vorbereitung der weiteren Berathung. Ich ziehe es daher vor / die Erläuterung des Gesetzent¬ wurfs bis zu den Verhandlungen der zweiten Berathung, in welcher das Haus sich erst entscheiden wird, zu »ersparen. Aus der ersten Berathung ist nur eine ausgezeichnete Rede des Abgeordneten Löwe hervorzuheben, worin er namentlich die Nachtheile der Mahl- und Schlachtsteuer, von denen man nicht schlimm genug denken kann, wiederum vor Augen stellte. Es ist das sehr nöthig und verdienstlich. Denn bekanntlich wollte die Regierung in der vorigen Session in Verbindung mit einer Reform der Classensteuer die Mahl- und Schlachtsteuer aufheben. Die desfallsige Gesetzvorlage wurde aber verworfen, weil viele Abgeordnete fanden, daß die Mahl- und Schlachtsteuer keinesfalls am dringlichsten zu beseitigen und überhaupt garnicht so übel sei. In ihrem dies¬ maligen Entwurf hat sich nun die Regierung auf die Reform der Classensteuer und einige nicht wesentliche Veränderungen der Einkommensteuer beschränkt. Es ist das geschehen, weil eine Reform um so leichter der Vereitelung ausgesetzt wird, je mehr sie auf verschiedenen Punkten gleichzeitig einsetzt. Doch ist Seitens eines Abgeord¬ neten ein Gesetzentwurf zur Beseitigung der Mahl- und Schlachtsteuer selbständig eingebracht worden. Das Herrenhaus erledigte am 10. December eine Gesetzvorlage über die Ablösung der Reallasten in Schleswig-Holstein, auf die ich ihrer technischen und lokalen Beschaffenheit wegen nicht näher eingehe. Im Abgeordnetenhause stand am 11. December der Gesetzentwurf betreffend die Ausstattung der Provineialverbände mit eigenen Fonds zur ersten Be¬ rathung. Auch hier wurde die Wahl einer Commission beschlossen, auch hier verspare ich die Erläuterung bis zur Berichterstattung über die zweite ent¬ scheidende Berathung. Die Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. December war einigen technischen Vorlagen gewidmet, unter denen hervorzuheben sind: die Aufhebung des Jagdrechts in Hessen und Schleswig-Holstein, die Ge¬ währung von Wohnungsgeldern an die Staatsbeamten. — In dieser Woche ist es eine Wohlthat für den Berichterstatter, daß er das Eingehen auf wichtige Gegenstände der Landtagsverhandlungen mit Fug sich auf einen späteren Zeitpunkt ersparen konnte, denn die allgemeine Auf¬ merksamkeit ist von einer ganz anderen Frage der inneren Politik vollständig in Anspruch genommen. Seit Mitte der Woche verbreitete sich die Kunde, die seitdem ihre Bestätigung gefunden hat, daß Fürst Bismarck den Vorsitz im preußischen Staatsministerium niederlegen wolle. Mit Recht sieht die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/519>, abgerufen am 22.07.2024.