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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Hieraus ist zunächst zu ersehen, daß nach der unmaßgeblichen Ansicht
dieser edeln Herren und lieben Freunde, Hannover keineswegs eine preußische
Provinz, sondern ein "Land" ist, wie Sachsen und Mecklenburg, und daß
die "Landesgebiete" unter dem Triumvirat der Herren v, Plüskow, v. Bern-
storff und von der Planitz stehen. Der alte Komödien-Dichter Terenz, welcher
ein sehr frecher Mensch war, würde vielleicht statt "Triumvirat" den aus dem
altrömischen Gottesdienst bekannten Opfer-Ausdruck "Suovetaurilium" ge¬
braucht haben. Wir thun dies nicht, sondern beugen unser Haupt in Ehr¬
furcht vor der erbländischen Credit-Vereins-Weisheit, Wir erlauben uns, zu
selbiger nur folgende eben so bescheidene, als wohlmeinende Randglosse zu
machen. Zunächst ist es erfreulich zu vernehmen, daß jene Herren, welche ja
zum Theil recht wohlhabend sind, mit ihren Mitteln doch sparsam zu Werk
gehen. Die ganze vornehme Gesellschaft weiß nicht mehr aufzubringen, als
300--400 Thaler per Jahr; und Das ist allerdings zu wenig, um das
"Deutsche Reich" über den Haufen zu rennen, wenn überhaupt, was ich be¬
zweifle, so heroische Absichten zu Grunde liegen sollten.

Der vormalige deutsche Bund und die Bundesversammlung in Frankfurt
am Main, welche letztere in guten Dingen fo wenig und in schlechten so viel
geleistet hat -- namentlich in, politischen Ketzergerichten -- würde in einem
solchen Verein sofort "subversive" Tendenzen gewittert und die Urheber und
Mitglieder desselben den Gerichten überliefert haben, zum Zwecke der Verur¬
teilung zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthaus. -- Hat man ja doch
damals den harmlosesten Sterblichen, der zugleich einer unserer größten Dichter
ist -- ich meine Fritz Reuter -- zum Tode verurtheilt und ihn dann seine
ganze Jugend auf einer Festung vertrauern lassen, bloß deßhalb, weil er als
Student ein schwarz-roth-goldenes Bändlein getragen und einer "Burschen¬
schaft" angehörte. -- Heut zu Tage, zur Zeit der "Militär-Dictatur" und
des "Säbelregimentes" ist man menschlicher. Man lacht darüber, wie die
"armen Ritter" ihre Pfennige zusammenschießen, um Maculatur drucken zu
lassen; und wenn man Neigung hätte, sie zu verurtheilen, so wäre es doch
nur dazu , die Schriften des Herrn Konstantin Frantz zu lesen. Was letzteren
anlangt, so ist endlich, das große Räthsel gelöst, auf wessen Kosten seine un¬
sterblichen Werke edirt werden. Denn von dem Verleger behauptete man
schon lange, er sei, um mit dem Fürsten Bismarck zu sprechen, si bete"
um auf seine eigene Gefahr und Kosten diesen Verlag zu übernehmen.

Es ist ja sehr begreiflich, daß gewisse Junker sich in der frischen, freien
Luft des deutschen Reiches sehr unbehaglich fühlen und Alles aufbieten, ihre
Herrenhäuser, Ritter-Kurier und sonstige Maikäfer-Schachteln intact zu halten.
Aber daß sie sich dazu solcher Mittel bedienen, daß sie von Pastor Grote


Hieraus ist zunächst zu ersehen, daß nach der unmaßgeblichen Ansicht
dieser edeln Herren und lieben Freunde, Hannover keineswegs eine preußische
Provinz, sondern ein „Land" ist, wie Sachsen und Mecklenburg, und daß
die „Landesgebiete" unter dem Triumvirat der Herren v, Plüskow, v. Bern-
storff und von der Planitz stehen. Der alte Komödien-Dichter Terenz, welcher
ein sehr frecher Mensch war, würde vielleicht statt „Triumvirat" den aus dem
altrömischen Gottesdienst bekannten Opfer-Ausdruck „Suovetaurilium" ge¬
braucht haben. Wir thun dies nicht, sondern beugen unser Haupt in Ehr¬
furcht vor der erbländischen Credit-Vereins-Weisheit, Wir erlauben uns, zu
selbiger nur folgende eben so bescheidene, als wohlmeinende Randglosse zu
machen. Zunächst ist es erfreulich zu vernehmen, daß jene Herren, welche ja
zum Theil recht wohlhabend sind, mit ihren Mitteln doch sparsam zu Werk
gehen. Die ganze vornehme Gesellschaft weiß nicht mehr aufzubringen, als
300—400 Thaler per Jahr; und Das ist allerdings zu wenig, um das
„Deutsche Reich" über den Haufen zu rennen, wenn überhaupt, was ich be¬
zweifle, so heroische Absichten zu Grunde liegen sollten.

Der vormalige deutsche Bund und die Bundesversammlung in Frankfurt
am Main, welche letztere in guten Dingen fo wenig und in schlechten so viel
geleistet hat — namentlich in, politischen Ketzergerichten — würde in einem
solchen Verein sofort „subversive" Tendenzen gewittert und die Urheber und
Mitglieder desselben den Gerichten überliefert haben, zum Zwecke der Verur¬
teilung zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthaus. — Hat man ja doch
damals den harmlosesten Sterblichen, der zugleich einer unserer größten Dichter
ist — ich meine Fritz Reuter — zum Tode verurtheilt und ihn dann seine
ganze Jugend auf einer Festung vertrauern lassen, bloß deßhalb, weil er als
Student ein schwarz-roth-goldenes Bändlein getragen und einer „Burschen¬
schaft" angehörte. — Heut zu Tage, zur Zeit der „Militär-Dictatur" und
des „Säbelregimentes" ist man menschlicher. Man lacht darüber, wie die
„armen Ritter" ihre Pfennige zusammenschießen, um Maculatur drucken zu
lassen; und wenn man Neigung hätte, sie zu verurtheilen, so wäre es doch
nur dazu , die Schriften des Herrn Konstantin Frantz zu lesen. Was letzteren
anlangt, so ist endlich, das große Räthsel gelöst, auf wessen Kosten seine un¬
sterblichen Werke edirt werden. Denn von dem Verleger behauptete man
schon lange, er sei, um mit dem Fürsten Bismarck zu sprechen, si bete"
um auf seine eigene Gefahr und Kosten diesen Verlag zu übernehmen.

Es ist ja sehr begreiflich, daß gewisse Junker sich in der frischen, freien
Luft des deutschen Reiches sehr unbehaglich fühlen und Alles aufbieten, ihre
Herrenhäuser, Ritter-Kurier und sonstige Maikäfer-Schachteln intact zu halten.
Aber daß sie sich dazu solcher Mittel bedienen, daß sie von Pastor Grote


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[0515] Hieraus ist zunächst zu ersehen, daß nach der unmaßgeblichen Ansicht dieser edeln Herren und lieben Freunde, Hannover keineswegs eine preußische Provinz, sondern ein „Land" ist, wie Sachsen und Mecklenburg, und daß die „Landesgebiete" unter dem Triumvirat der Herren v, Plüskow, v. Bern- storff und von der Planitz stehen. Der alte Komödien-Dichter Terenz, welcher ein sehr frecher Mensch war, würde vielleicht statt „Triumvirat" den aus dem altrömischen Gottesdienst bekannten Opfer-Ausdruck „Suovetaurilium" ge¬ braucht haben. Wir thun dies nicht, sondern beugen unser Haupt in Ehr¬ furcht vor der erbländischen Credit-Vereins-Weisheit, Wir erlauben uns, zu selbiger nur folgende eben so bescheidene, als wohlmeinende Randglosse zu machen. Zunächst ist es erfreulich zu vernehmen, daß jene Herren, welche ja zum Theil recht wohlhabend sind, mit ihren Mitteln doch sparsam zu Werk gehen. Die ganze vornehme Gesellschaft weiß nicht mehr aufzubringen, als 300—400 Thaler per Jahr; und Das ist allerdings zu wenig, um das „Deutsche Reich" über den Haufen zu rennen, wenn überhaupt, was ich be¬ zweifle, so heroische Absichten zu Grunde liegen sollten. Der vormalige deutsche Bund und die Bundesversammlung in Frankfurt am Main, welche letztere in guten Dingen fo wenig und in schlechten so viel geleistet hat — namentlich in, politischen Ketzergerichten — würde in einem solchen Verein sofort „subversive" Tendenzen gewittert und die Urheber und Mitglieder desselben den Gerichten überliefert haben, zum Zwecke der Verur¬ teilung zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthaus. — Hat man ja doch damals den harmlosesten Sterblichen, der zugleich einer unserer größten Dichter ist — ich meine Fritz Reuter — zum Tode verurtheilt und ihn dann seine ganze Jugend auf einer Festung vertrauern lassen, bloß deßhalb, weil er als Student ein schwarz-roth-goldenes Bändlein getragen und einer „Burschen¬ schaft" angehörte. — Heut zu Tage, zur Zeit der „Militär-Dictatur" und des „Säbelregimentes" ist man menschlicher. Man lacht darüber, wie die „armen Ritter" ihre Pfennige zusammenschießen, um Maculatur drucken zu lassen; und wenn man Neigung hätte, sie zu verurtheilen, so wäre es doch nur dazu , die Schriften des Herrn Konstantin Frantz zu lesen. Was letzteren anlangt, so ist endlich, das große Räthsel gelöst, auf wessen Kosten seine un¬ sterblichen Werke edirt werden. Denn von dem Verleger behauptete man schon lange, er sei, um mit dem Fürsten Bismarck zu sprechen, si bete" um auf seine eigene Gefahr und Kosten diesen Verlag zu übernehmen. Es ist ja sehr begreiflich, daß gewisse Junker sich in der frischen, freien Luft des deutschen Reiches sehr unbehaglich fühlen und Alles aufbieten, ihre Herrenhäuser, Ritter-Kurier und sonstige Maikäfer-Schachteln intact zu halten. Aber daß sie sich dazu solcher Mittel bedienen, daß sie von Pastor Grote

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/515>, abgerufen am 22.07.2024.