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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Flinten bewaffnet. Zu Mfuto, einem verpallisadirten Handelsposten drei
Tagereisen westlich von Unjanjembe, ward eine große Revue abgehalten; dann
zog man in den Kampf. Stanley stellte 60 Mann und ließ den Rest seiner
Leute und sein Gepäck in Mfuto zurück. Anfangs ging alles gut; ein ver¬
schanztes Dorf des Häuptlings Mirambo ward mit Sturm genommen und
zwei Tage später schnitt man einem seiner Chefs, den man gefangen nahm,
"die Kehle ab, wie einem Schaf oder einer Ziege". Einer der Araber, sont
Ben Sayd, zog dann mit S00 Mann gegen Wiljankura, Mirambo's Haupt¬
festung, während Stanley, siebergeschüttelt, in seinem Zelte bei der Haupt¬
macht zurückblieb. Es dauerte nicht lange, so gerieth das Lager in fürchter¬
liche Aufregung, ungünstige Nachrichten trafen ein: Wiljankura war durch
sont Ben Sayd erstürmt worden, dann aber waren die Araber in einen
Hinterhalt gerathen und von Mirambo massakrirt worden. Man hielt Kriegs¬
rath und zog auf Mfuto zurück, wo Stanley's Leute zitternd und zagend sich
zusammenfanden. Mit wenigen Ausnahmen schildert er sie als eine feige,
großmäulige "Niggerrotte". Wie Stanley nun mit der geschlagenen Armee
nach Unjanjembe retirirte, wie Mirambo einen Sturm auf die Stadt versuchte
und dieser abgeschlagen wurde, wie er sich entschloß, einen weiten Umweg zu
nehmen, um Mirambo und seine Armee zu umgehen, wie er endlich nach
Ueberwindung zahlloser Schwierigkeiten am 20. September nach Udschidschi
aufbrechen konnte -- das Alles wird höchst effectvoll erzählt und muß im
Buche selbst nachgelesen werden.

Die Geschichte des Marsches von Unjanjembe nach Udschidschi ist eine
Reihenfolge von Fieberanfällen, Desertionen, Unterhandlungen wegen zu hoher
Wegzölle, von Gefahren und Abenteuern mannigfaltiger Art. Der 3. November
war ein bemerkenswerther Tag für Stanley. "Gegen 10 Uhr Vormittags
erschien aus der Richtung von Udschidschi her eine Karavane von achtzig
Waguhha (Bewohner Uguhhas). Wir fragten nach Neuigkeiten und hörten,
daß gerade ein weißer Mann von Manjuema her in Udschidschi angelangt
sei. Das überraschte uns alle. Ein weißer Mann? fragte ich. -- Ja, ein
weißer Mann, lautete die Antwort. -- Wie ist er gekleidet? -- Gleich dem
Herrn, antworteten sie, auf mich zeigend. -- Ist er jung oder alt? -- Er ist
alt, und hat weiße Haare im Gesicht und ist krank. -- Wo kommt er her?
^ Aus einem sehr fernen Lande jenseit Uguhha, Manjuema genannt. --
So; und er hält sich jetzt in Udschidschi auf? -- Ja, wir sahen ihn noch vor
acht Tagen. -- Glaubt ihr, daß wir ihn dort noch treffen werden? -- "Sigun,"
wir wissen es nicht. -- War er schon je zuvor in Udschidschi? -- Gewiß, er
brach vor langer Zeit von dort aus auf."

Nun war Stanley sicher, in wenigen Tagereisen mußte er Livingstone
treffen; er eilte Tag und Nacht vorwärts und sah endlich am 10. November


Flinten bewaffnet. Zu Mfuto, einem verpallisadirten Handelsposten drei
Tagereisen westlich von Unjanjembe, ward eine große Revue abgehalten; dann
zog man in den Kampf. Stanley stellte 60 Mann und ließ den Rest seiner
Leute und sein Gepäck in Mfuto zurück. Anfangs ging alles gut; ein ver¬
schanztes Dorf des Häuptlings Mirambo ward mit Sturm genommen und
zwei Tage später schnitt man einem seiner Chefs, den man gefangen nahm,
„die Kehle ab, wie einem Schaf oder einer Ziege". Einer der Araber, sont
Ben Sayd, zog dann mit S00 Mann gegen Wiljankura, Mirambo's Haupt¬
festung, während Stanley, siebergeschüttelt, in seinem Zelte bei der Haupt¬
macht zurückblieb. Es dauerte nicht lange, so gerieth das Lager in fürchter¬
liche Aufregung, ungünstige Nachrichten trafen ein: Wiljankura war durch
sont Ben Sayd erstürmt worden, dann aber waren die Araber in einen
Hinterhalt gerathen und von Mirambo massakrirt worden. Man hielt Kriegs¬
rath und zog auf Mfuto zurück, wo Stanley's Leute zitternd und zagend sich
zusammenfanden. Mit wenigen Ausnahmen schildert er sie als eine feige,
großmäulige „Niggerrotte". Wie Stanley nun mit der geschlagenen Armee
nach Unjanjembe retirirte, wie Mirambo einen Sturm auf die Stadt versuchte
und dieser abgeschlagen wurde, wie er sich entschloß, einen weiten Umweg zu
nehmen, um Mirambo und seine Armee zu umgehen, wie er endlich nach
Ueberwindung zahlloser Schwierigkeiten am 20. September nach Udschidschi
aufbrechen konnte — das Alles wird höchst effectvoll erzählt und muß im
Buche selbst nachgelesen werden.

Die Geschichte des Marsches von Unjanjembe nach Udschidschi ist eine
Reihenfolge von Fieberanfällen, Desertionen, Unterhandlungen wegen zu hoher
Wegzölle, von Gefahren und Abenteuern mannigfaltiger Art. Der 3. November
war ein bemerkenswerther Tag für Stanley. „Gegen 10 Uhr Vormittags
erschien aus der Richtung von Udschidschi her eine Karavane von achtzig
Waguhha (Bewohner Uguhhas). Wir fragten nach Neuigkeiten und hörten,
daß gerade ein weißer Mann von Manjuema her in Udschidschi angelangt
sei. Das überraschte uns alle. Ein weißer Mann? fragte ich. — Ja, ein
weißer Mann, lautete die Antwort. — Wie ist er gekleidet? — Gleich dem
Herrn, antworteten sie, auf mich zeigend. — Ist er jung oder alt? — Er ist
alt, und hat weiße Haare im Gesicht und ist krank. — Wo kommt er her?
^ Aus einem sehr fernen Lande jenseit Uguhha, Manjuema genannt. —
So; und er hält sich jetzt in Udschidschi auf? — Ja, wir sahen ihn noch vor
acht Tagen. — Glaubt ihr, daß wir ihn dort noch treffen werden? — „Sigun,"
wir wissen es nicht. -- War er schon je zuvor in Udschidschi? — Gewiß, er
brach vor langer Zeit von dort aus auf."

Nun war Stanley sicher, in wenigen Tagereisen mußte er Livingstone
treffen; er eilte Tag und Nacht vorwärts und sah endlich am 10. November


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[0506] Flinten bewaffnet. Zu Mfuto, einem verpallisadirten Handelsposten drei Tagereisen westlich von Unjanjembe, ward eine große Revue abgehalten; dann zog man in den Kampf. Stanley stellte 60 Mann und ließ den Rest seiner Leute und sein Gepäck in Mfuto zurück. Anfangs ging alles gut; ein ver¬ schanztes Dorf des Häuptlings Mirambo ward mit Sturm genommen und zwei Tage später schnitt man einem seiner Chefs, den man gefangen nahm, „die Kehle ab, wie einem Schaf oder einer Ziege". Einer der Araber, sont Ben Sayd, zog dann mit S00 Mann gegen Wiljankura, Mirambo's Haupt¬ festung, während Stanley, siebergeschüttelt, in seinem Zelte bei der Haupt¬ macht zurückblieb. Es dauerte nicht lange, so gerieth das Lager in fürchter¬ liche Aufregung, ungünstige Nachrichten trafen ein: Wiljankura war durch sont Ben Sayd erstürmt worden, dann aber waren die Araber in einen Hinterhalt gerathen und von Mirambo massakrirt worden. Man hielt Kriegs¬ rath und zog auf Mfuto zurück, wo Stanley's Leute zitternd und zagend sich zusammenfanden. Mit wenigen Ausnahmen schildert er sie als eine feige, großmäulige „Niggerrotte". Wie Stanley nun mit der geschlagenen Armee nach Unjanjembe retirirte, wie Mirambo einen Sturm auf die Stadt versuchte und dieser abgeschlagen wurde, wie er sich entschloß, einen weiten Umweg zu nehmen, um Mirambo und seine Armee zu umgehen, wie er endlich nach Ueberwindung zahlloser Schwierigkeiten am 20. September nach Udschidschi aufbrechen konnte — das Alles wird höchst effectvoll erzählt und muß im Buche selbst nachgelesen werden. Die Geschichte des Marsches von Unjanjembe nach Udschidschi ist eine Reihenfolge von Fieberanfällen, Desertionen, Unterhandlungen wegen zu hoher Wegzölle, von Gefahren und Abenteuern mannigfaltiger Art. Der 3. November war ein bemerkenswerther Tag für Stanley. „Gegen 10 Uhr Vormittags erschien aus der Richtung von Udschidschi her eine Karavane von achtzig Waguhha (Bewohner Uguhhas). Wir fragten nach Neuigkeiten und hörten, daß gerade ein weißer Mann von Manjuema her in Udschidschi angelangt sei. Das überraschte uns alle. Ein weißer Mann? fragte ich. — Ja, ein weißer Mann, lautete die Antwort. — Wie ist er gekleidet? — Gleich dem Herrn, antworteten sie, auf mich zeigend. — Ist er jung oder alt? — Er ist alt, und hat weiße Haare im Gesicht und ist krank. — Wo kommt er her? ^ Aus einem sehr fernen Lande jenseit Uguhha, Manjuema genannt. — So; und er hält sich jetzt in Udschidschi auf? — Ja, wir sahen ihn noch vor acht Tagen. — Glaubt ihr, daß wir ihn dort noch treffen werden? — „Sigun," wir wissen es nicht. -- War er schon je zuvor in Udschidschi? — Gewiß, er brach vor langer Zeit von dort aus auf." Nun war Stanley sicher, in wenigen Tagereisen mußte er Livingstone treffen; er eilte Tag und Nacht vorwärts und sah endlich am 10. November

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/506>, abgerufen am 04.07.2024.