Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.Statthalter beim Landeshauptmann ein, und übergab ihm als Antwort Jeder andere Statthalter hätte für dieses Vorgehen seine Entlassung er¬ Vom preußischen Landtag. Am 30. November hat der König die Ernennungen von 24 Pairs voll¬ Statthalter beim Landeshauptmann ein, und übergab ihm als Antwort Jeder andere Statthalter hätte für dieses Vorgehen seine Entlassung er¬ Vom preußischen Landtag. Am 30. November hat der König die Ernennungen von 24 Pairs voll¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128933"/> <p xml:id="ID_1562" prev="#ID_1561"> Statthalter beim Landeshauptmann ein, und übergab ihm als Antwort<lb/> darauf die Mittheilung: „daß der tiroler Landtag wegen Verweigerung der<lb/> nach §. 6 der Geschäftsordnung obliegenden Pflichterfüllung und dadurch<lb/> herbeigeführten Beschlußunfähigkeit über besonderen allerhöchsten Auftrag (!)<lb/> geschlossen ist." Sollte das Gesetz aufrecht erhalten und die Würde der Re¬<lb/> gierung gewahrt werden, so mußte vor allem auf Abnahme des Handgelöb¬<lb/> nisses bestanden, und die Interpellanten durch den Landeshauptmann oder<lb/> dessen liberalen Stellvertreter gedemüthigt werden. Statt dessen ersparte Graf<lb/> Taafe dem Landeshauptmann die wohlverdiente Beschämung und bot den<lb/> Jesuiten Gelegenheit, die Sitzungen des Landtags durch Clubbeschluß aufzu¬<lb/> heben und die Durchführung des Gesetzes zu hindern. Der Sieg stand daher<lb/> auf ihrer Seite, er war die Prämie ihres Trotzes, und die hinkende Antwort<lb/> des Statthalters enthielt nur ein Geständniß der ministeriellen Schwäche.</p><lb/> <p xml:id="ID_1563"> Jeder andere Statthalter hätte für dieses Vorgehen seine Entlassung er¬<lb/> halten, Graf Taafe aber sitzt nun auf seinem Posten fester als je. Er gilt an<lb/> maßgebender Stelle als der einzig mögliche Regierungsvertreter für Tirol,<lb/> und wenn einmal wieder die Fundamentalartikel zum Zuge kommen, als der<lb/> künftige Präsident des Ministerrathes. Seine Beziehungen zu hohen Personen<lb/> entheben ihn jeder Verantwortlichkeit, und zarte Frauenhände sind bemüht<lb/> sie noch enger zu knüpfen. Die schlechte Lösung der Aufgabe, die ihm übertragen<lb/> war, dient ihm nur zu neuer Empfehlung bei jener höheren Macht, die wie<lb/> aus den Wolken Oesterreichs Geschicke lenkt. Für das gegenwärtige Ministe¬<lb/> rium aber ist dieser Vorgang ein neuer Beweis, daß die Wahlreform seine<lb/> Lebensfrage ist. In ihr liegt die Grundbedingung des Fortbestandes, die<lb/> Bürgschaft der Verfassung.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Vom preußischen Landtag.</head><lb/> <p xml:id="ID_1564" next="#ID_1565"> Am 30. November hat der König die Ernennungen von 24 Pairs voll¬<lb/> zogen. Wie verlautet, waren 25 Berufungen beabsichtigt. Die Zahl ist nicht<lb/> erreicht worden, weil der Staatsminister Freiherr v. d. Heydt aus Gesund¬<lb/> heitsrücksichten die Berufung abgelehnt hat. Offieiell ist die Liste der neuen<lb/> Ernennungen erst in der Sitzung des Herrenhauses vom S. December bekannt<lb/> geworden, wo der Präsident Graf Stolberg dieselbe verlas. Die meisten<lb/> Namen indeß, sowie die Zahl derselben, waren seit Anfang der Woche bekannt,<lb/> wo den Ernannten ihre Berufungen zugestellt wurden. Es ist auffallend, mit<lb/> welcher Enttäuschung die Ernennungen in einem großen Theil der Presse aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Statthalter beim Landeshauptmann ein, und übergab ihm als Antwort
darauf die Mittheilung: „daß der tiroler Landtag wegen Verweigerung der
nach §. 6 der Geschäftsordnung obliegenden Pflichterfüllung und dadurch
herbeigeführten Beschlußunfähigkeit über besonderen allerhöchsten Auftrag (!)
geschlossen ist." Sollte das Gesetz aufrecht erhalten und die Würde der Re¬
gierung gewahrt werden, so mußte vor allem auf Abnahme des Handgelöb¬
nisses bestanden, und die Interpellanten durch den Landeshauptmann oder
dessen liberalen Stellvertreter gedemüthigt werden. Statt dessen ersparte Graf
Taafe dem Landeshauptmann die wohlverdiente Beschämung und bot den
Jesuiten Gelegenheit, die Sitzungen des Landtags durch Clubbeschluß aufzu¬
heben und die Durchführung des Gesetzes zu hindern. Der Sieg stand daher
auf ihrer Seite, er war die Prämie ihres Trotzes, und die hinkende Antwort
des Statthalters enthielt nur ein Geständniß der ministeriellen Schwäche.
Jeder andere Statthalter hätte für dieses Vorgehen seine Entlassung er¬
halten, Graf Taafe aber sitzt nun auf seinem Posten fester als je. Er gilt an
maßgebender Stelle als der einzig mögliche Regierungsvertreter für Tirol,
und wenn einmal wieder die Fundamentalartikel zum Zuge kommen, als der
künftige Präsident des Ministerrathes. Seine Beziehungen zu hohen Personen
entheben ihn jeder Verantwortlichkeit, und zarte Frauenhände sind bemüht
sie noch enger zu knüpfen. Die schlechte Lösung der Aufgabe, die ihm übertragen
war, dient ihm nur zu neuer Empfehlung bei jener höheren Macht, die wie
aus den Wolken Oesterreichs Geschicke lenkt. Für das gegenwärtige Ministe¬
rium aber ist dieser Vorgang ein neuer Beweis, daß die Wahlreform seine
Lebensfrage ist. In ihr liegt die Grundbedingung des Fortbestandes, die
Bürgschaft der Verfassung.
Vom preußischen Landtag.
Am 30. November hat der König die Ernennungen von 24 Pairs voll¬
zogen. Wie verlautet, waren 25 Berufungen beabsichtigt. Die Zahl ist nicht
erreicht worden, weil der Staatsminister Freiherr v. d. Heydt aus Gesund¬
heitsrücksichten die Berufung abgelehnt hat. Offieiell ist die Liste der neuen
Ernennungen erst in der Sitzung des Herrenhauses vom S. December bekannt
geworden, wo der Präsident Graf Stolberg dieselbe verlas. Die meisten
Namen indeß, sowie die Zahl derselben, waren seit Anfang der Woche bekannt,
wo den Ernannten ihre Berufungen zugestellt wurden. Es ist auffallend, mit
welcher Enttäuschung die Ernennungen in einem großen Theil der Presse aus-
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