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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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er seinen getreuen Freund, den Landeshauptmann Dr. C. Rapp in die
innsbrucker Hofburg um mit ihm abzumachen, "wie die Comödie zu Ende zu
spielen sei." Denn die Jesuiten wünschten die Umgehung des Handgelöbnisses,
die Regierung die Vermeidung eines Skandals bei Schließung des Landtags.

Die Sitzung vom 13. war zur Abwickelung der großen Action bestimmt.
Sie ließ sich sehr friedlich an. Wie im tiefsten Frieden wurden einige Unter¬
stützungsgesuche erledigt, eine Eisenbahn durch das Overtnnthal einstimmig
befürwortet, ein Gesetz gegen den Vogelfang und betreffs der Vertilgung schäd¬
licher Insekten angenommen. Selbst die nun folgenden Wahlen für die
fünf Reichsrathssitze nahm die "Rechtspartei" diesmal nach der weisen Anord¬
nung des Bischofs von Briren ohne Vorbehalt vor und gab ihren passiven
Widerstand gegen die Decemberverfassung nur dadurch zu erkennen, daß sie
mit Zweidrittel Mehrheit lauter Individuen zu Reichsräthen erkor, deren
Nichterscheinen im Reichsrath nicht dem leichtesten Zweifel unterlag. Während
der letzten Abstimmung war der Statthalter eingetreten, um noch vor Schluß
der Sitzung den ministeriellen Bescheid kundzugeben. Er erklärte im Namen
der Regierung, daß dem Landtage nur die Entscheidung über die Zulassung
von gewählten Abgeordneten zustehe, nicht aber jene von Virilstimmen,
namentlich nicht die Prüfung über die Art und Weise der Bestellung des
Rektors. Deshalb lehne die Regierung die Beantwortung der Jnterpellation
ab, und überweise die Verantwortung für alle nachtheiligen Folgen den Inter¬
pellanten. Schließlich forderte er den Landeshauptmann auf, pflichtmäßig dem
Rektor das Handgelöbniß an Eidesstatt abzunehmen. So weit entsprach er
vollkommen seiner Instruction. Alles folgende hingegen beruhte auf seinem
eigenen Belieben und der mit dem Landeshauptmann getroffenen Verabredung.
Um die weitere Ausführung des ministeriellen Auftrages nämlich zu verhindern
verlangte nun im geheimen Einverständnisse mit dem Statthalter jenes vor¬
laute Mitglied der Jesuitenpartei, den Schluß der Sitzung, um die so eben
bekannt gewordene Mittheilung in gebührende Erwägung zu ziehen. Der
Landeshauptmann ließ sofort abstimmen, und die clericale Mehrheit erklärte
sich natürlich für den Antrag. In der Tagesordnung für die nächste Sitzung
am folgenden Morgen fehlte wiederum die Abnahme des Handgelöbnisses.
Aber es kam gar nicht mehr zu jener Sitzung, das Schriftstück, das dem Trotze
der Jesuiten gegen die Regierung die Krone aufsetzt, war schon bereit.

Am 14. früh versammelten sich im Sorbitenkloster beim Bischof von
Brixen sämmtliche Mitglieder der Jesuitenpartei, und unterzeichneten daselbst
die Eingabe an den Landeshauptmann, worin sie erklärten, mit Berufung
auf ihre Jnterpellation und die darauf ertheilte Antwort, den weiteren
Sitzungen des Landtags, an denen Herr Professor Dr. Ullmann theilnehme,
fern zu bleiben. Kurz nach Behändigung dieser Zuschrift, fand sich der


er seinen getreuen Freund, den Landeshauptmann Dr. C. Rapp in die
innsbrucker Hofburg um mit ihm abzumachen, „wie die Comödie zu Ende zu
spielen sei." Denn die Jesuiten wünschten die Umgehung des Handgelöbnisses,
die Regierung die Vermeidung eines Skandals bei Schließung des Landtags.

Die Sitzung vom 13. war zur Abwickelung der großen Action bestimmt.
Sie ließ sich sehr friedlich an. Wie im tiefsten Frieden wurden einige Unter¬
stützungsgesuche erledigt, eine Eisenbahn durch das Overtnnthal einstimmig
befürwortet, ein Gesetz gegen den Vogelfang und betreffs der Vertilgung schäd¬
licher Insekten angenommen. Selbst die nun folgenden Wahlen für die
fünf Reichsrathssitze nahm die „Rechtspartei" diesmal nach der weisen Anord¬
nung des Bischofs von Briren ohne Vorbehalt vor und gab ihren passiven
Widerstand gegen die Decemberverfassung nur dadurch zu erkennen, daß sie
mit Zweidrittel Mehrheit lauter Individuen zu Reichsräthen erkor, deren
Nichterscheinen im Reichsrath nicht dem leichtesten Zweifel unterlag. Während
der letzten Abstimmung war der Statthalter eingetreten, um noch vor Schluß
der Sitzung den ministeriellen Bescheid kundzugeben. Er erklärte im Namen
der Regierung, daß dem Landtage nur die Entscheidung über die Zulassung
von gewählten Abgeordneten zustehe, nicht aber jene von Virilstimmen,
namentlich nicht die Prüfung über die Art und Weise der Bestellung des
Rektors. Deshalb lehne die Regierung die Beantwortung der Jnterpellation
ab, und überweise die Verantwortung für alle nachtheiligen Folgen den Inter¬
pellanten. Schließlich forderte er den Landeshauptmann auf, pflichtmäßig dem
Rektor das Handgelöbniß an Eidesstatt abzunehmen. So weit entsprach er
vollkommen seiner Instruction. Alles folgende hingegen beruhte auf seinem
eigenen Belieben und der mit dem Landeshauptmann getroffenen Verabredung.
Um die weitere Ausführung des ministeriellen Auftrages nämlich zu verhindern
verlangte nun im geheimen Einverständnisse mit dem Statthalter jenes vor¬
laute Mitglied der Jesuitenpartei, den Schluß der Sitzung, um die so eben
bekannt gewordene Mittheilung in gebührende Erwägung zu ziehen. Der
Landeshauptmann ließ sofort abstimmen, und die clericale Mehrheit erklärte
sich natürlich für den Antrag. In der Tagesordnung für die nächste Sitzung
am folgenden Morgen fehlte wiederum die Abnahme des Handgelöbnisses.
Aber es kam gar nicht mehr zu jener Sitzung, das Schriftstück, das dem Trotze
der Jesuiten gegen die Regierung die Krone aufsetzt, war schon bereit.

Am 14. früh versammelten sich im Sorbitenkloster beim Bischof von
Brixen sämmtliche Mitglieder der Jesuitenpartei, und unterzeichneten daselbst
die Eingabe an den Landeshauptmann, worin sie erklärten, mit Berufung
auf ihre Jnterpellation und die darauf ertheilte Antwort, den weiteren
Sitzungen des Landtags, an denen Herr Professor Dr. Ullmann theilnehme,
fern zu bleiben. Kurz nach Behändigung dieser Zuschrift, fand sich der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/478>, abgerufen am 22.07.2024.