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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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je im vierten Jahre, einem Jesuiten übertragen werden. Da mit derselben
Würde auch ein Sitz im tiroler Landtag verbunden ist, ergab sich schon
wiederholt, daß die Vertretung der Wissenschaft daselbst einem Jünger Loyola's
zufiel. Gegen diese höchst eigenthümliche Einrichtung, wodurch die Männer
der Finsterniß zu Wortführern des Lichtes bestellt wurden, legten, angesichts
der Heuer wiederkehrenden Zwangswahl eines Jesuiten, die Professoren der
drei weltlichen Fakultäten schon um letzte Ostern beim Unterrichtsminister
Verwahrung ein. Herr v. Stremayr fand sich hierauf veranlaßt, in einer
Verordnung vom 26. Juni auszusprechen, daß der Rektor der Innsbrucks
Universität bis auf Weiteres nur von den weltlichen Fakultäten zu wählen sei.
Dieser Erlaß und die Rektorwahl, die in Folge desselben auf Dr. Ullmann,
einen Professor der juristischen Fakultät, fiel, griff den Affiliirten der Jesuiten
tief ins Herz, namentlich dem fanatischen Ignaz Giovanelli, dem Führer
der verfassungsfeindlichen jesuitischen Clique im Landtag. Da ein bloßer Protest
die von der Regierung bereits genehmigte Rektorwahl nicht umstoßen und dem
weltlichen Rektor den Eintritt in den Landtag nicht verwehren konnte, ver¬
faßte er eine Jnterpellation, in welcher er die ministerielle Verordnung als
einen "Gewaltakt", eine "Verletzung der heiligsten religiösen Gefühle des
Landes", einen "Eingriff in die Rechte des Landtags" und eine "tiefe Krän¬
kung der eigenen Ehre seiner Mitglieder" bezeichnete. Daran knüpfte sich die
Anfrage: "Ist die hohe Regierung gesonnen, das ungesetzliche Borgehen, in¬
sofern dadurch der tirolische Landtag getroffen wird, gut zu machen, und in
welcher Weise?" Zugleich erklärten die Unterzeichner dieser Jnterpellation,
daß sie zwar während der nächsten acht Tage noch an den Landtagssitzungen
theilnehmen, jedoch wenn eine "genügende" Erklärung während dieser Frist
nicht erfolgt wäre, oder dem Professor Ullmann das (beim Eintritts vorge¬
schriebene) Handgelöbniß abgenommen würde, von den weiteren Sitzungen, an
denen sich dieser Professor betheilige, wegbleiben würden. Da zur Beschlu߬
fähigkeit des Landtags die Anwesenheit von wenigstens 36 Mitgliedern erfor¬
derlich ist, und beim Ausbleiben vieler Wälschtiroler die gewöhnliche Zahl sich
auf höchstens 52 (statt auf statutarisch 68) erstreckt, so lag in dieser Erklärung
der 30 jesuitischen Interpellanten zugleich die Drohung, den Landtag zu schlie¬
ßen, falls ihnen die Regierung nicht zu Willen wäre. Daß sich diese so tief er¬
niedrigen werde, glaubten sie selbst nicht und stützten hierauf ihren Plan.
Denn wenn der Landtag beschlußunfähig wurde, so war auch den Wahlen
für die im Reichsrathe erledigten fünf Sitze, und den in Aussicht stehenden
Verhandlungen über Tchulfragen und Landwehr ausgewichen, und damit das
Programm der "Rechtspartei", so weit es sich dem passiven Widerstand gegen
die Neichsrathsbeschickung und alle Reichsgesetze in Schul- und Wehrsachen
zur Aufgabe machte, glänzend erfüllt.


je im vierten Jahre, einem Jesuiten übertragen werden. Da mit derselben
Würde auch ein Sitz im tiroler Landtag verbunden ist, ergab sich schon
wiederholt, daß die Vertretung der Wissenschaft daselbst einem Jünger Loyola's
zufiel. Gegen diese höchst eigenthümliche Einrichtung, wodurch die Männer
der Finsterniß zu Wortführern des Lichtes bestellt wurden, legten, angesichts
der Heuer wiederkehrenden Zwangswahl eines Jesuiten, die Professoren der
drei weltlichen Fakultäten schon um letzte Ostern beim Unterrichtsminister
Verwahrung ein. Herr v. Stremayr fand sich hierauf veranlaßt, in einer
Verordnung vom 26. Juni auszusprechen, daß der Rektor der Innsbrucks
Universität bis auf Weiteres nur von den weltlichen Fakultäten zu wählen sei.
Dieser Erlaß und die Rektorwahl, die in Folge desselben auf Dr. Ullmann,
einen Professor der juristischen Fakultät, fiel, griff den Affiliirten der Jesuiten
tief ins Herz, namentlich dem fanatischen Ignaz Giovanelli, dem Führer
der verfassungsfeindlichen jesuitischen Clique im Landtag. Da ein bloßer Protest
die von der Regierung bereits genehmigte Rektorwahl nicht umstoßen und dem
weltlichen Rektor den Eintritt in den Landtag nicht verwehren konnte, ver¬
faßte er eine Jnterpellation, in welcher er die ministerielle Verordnung als
einen „Gewaltakt", eine „Verletzung der heiligsten religiösen Gefühle des
Landes", einen „Eingriff in die Rechte des Landtags" und eine „tiefe Krän¬
kung der eigenen Ehre seiner Mitglieder" bezeichnete. Daran knüpfte sich die
Anfrage: „Ist die hohe Regierung gesonnen, das ungesetzliche Borgehen, in¬
sofern dadurch der tirolische Landtag getroffen wird, gut zu machen, und in
welcher Weise?" Zugleich erklärten die Unterzeichner dieser Jnterpellation,
daß sie zwar während der nächsten acht Tage noch an den Landtagssitzungen
theilnehmen, jedoch wenn eine „genügende" Erklärung während dieser Frist
nicht erfolgt wäre, oder dem Professor Ullmann das (beim Eintritts vorge¬
schriebene) Handgelöbniß abgenommen würde, von den weiteren Sitzungen, an
denen sich dieser Professor betheilige, wegbleiben würden. Da zur Beschlu߬
fähigkeit des Landtags die Anwesenheit von wenigstens 36 Mitgliedern erfor¬
derlich ist, und beim Ausbleiben vieler Wälschtiroler die gewöhnliche Zahl sich
auf höchstens 52 (statt auf statutarisch 68) erstreckt, so lag in dieser Erklärung
der 30 jesuitischen Interpellanten zugleich die Drohung, den Landtag zu schlie¬
ßen, falls ihnen die Regierung nicht zu Willen wäre. Daß sich diese so tief er¬
niedrigen werde, glaubten sie selbst nicht und stützten hierauf ihren Plan.
Denn wenn der Landtag beschlußunfähig wurde, so war auch den Wahlen
für die im Reichsrathe erledigten fünf Sitze, und den in Aussicht stehenden
Verhandlungen über Tchulfragen und Landwehr ausgewichen, und damit das
Programm der „Rechtspartei", so weit es sich dem passiven Widerstand gegen
die Neichsrathsbeschickung und alle Reichsgesetze in Schul- und Wehrsachen
zur Aufgabe machte, glänzend erfüllt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/476>, abgerufen am 22.07.2024.