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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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drahtrollen, die alle als Geld und Tauschmittel dienten, um Stanley und
seine aus 192 Menschen bestehende Karavane im Innern zu unterhalten.
Sechs Wochen verbrachte er in Bagamojo bis alles in Ordnung war; dann
nahmen die Pagasis ihre Bündel auf den Kopf, die Esel wurden gesattelt
und beladen, Stanley -- Bana Mkuba oder der große Herr genannt -- stieg
zu Pferde; der Kirangosi oder Führer entfaltete das amerikanische Banner
mit den Sternen und Streifen, die Aftare feuerten eine Salve ab -- und fort
ging es, dem Innern Afrikas zu.

Ehe wir aber dem reisenden Correspondenten weiter folgen und von
Unjanjembe, Udschidschi, Tanganjika u. s. w. reden --Namen, die manchem
Leser fürchterlich klingen -- wollen wir etwas orientirend geographisch ver¬
fahren und bitten den Leser eine Karte zur Hand zu nehmen. Die Insel
Sansibar, von wo die Expedition ausging, wird vom sechsten Grade südlicher
Breite geschnitten. Am Festlande ihr gegenüber, nur durch einen wenige
Meilen breiten Kanal getrennt, liegt Bagamojo, der Ausgangspunkt der
Karavanen nach dem Innern. Die Karavanenstraße führt gerade in west¬
licher Richtung nach einem Stapelplatz Namens Unjanjembe, der in gerader
Linie etwa 90 deutsche Meilen vom Meere entfernt ist. Hier haben die arabischen
Kaufleute Niederlagen von Elfenbein und Sclaven errichtet. Wieder weiter
westlich von Unjanjembe, etwa 80 deutsche Meilen von letzterem entfernt,
liegt der Handelsplatz Udschidschi am östlichen Ufer des großen Tanganjikasees.
Wenn die schwarzen Eingeborenen und ihre Häuptlinge in diesen Gegenden
nicht unter sich oder mit den Arabern in Krieg verwickelt sind, so ist die Straße
für eine größere Karavane ohne Gefahr zu passiren. Sind jedoch Fehden
ausgebrochen, wie zur Zeit als Stanley hier reiste, dann wird der Weg ge¬
fährlich und der Wanderer muß große Umwege machen. Keinenfalls aber ist
der Weg, der meist durch ebenes Land führt, schwierig zu finden. Fluthen
erscheinen als das einzige natürliche Hinderniß, und Führer bekommt man
überall. Die ganze Straße von Bagamojo nach Udschidschi ist so genau be¬
kannt wie die Chaussee von Leipzig nach Berlin und die Schwierigkeiten liegen
nur im Klima und den Eingeborenen. Zunächst hat der Europäer sich mit
dem Fieber abzufinden, von dem er bis zu seiner Ankunft in Udschidschi etwa
ein halbes Dutzend Anfälle zu überstehen hat. Auch seine Leute machen ihm
zu schaffen; sie desertiren, mentem, verlangen höhere Zahlung an Perlen und
Kupferdrath, als ausbedungen, oder sterben auch an der Cholera. Der
Mensch ist eben das schlechteste Transportmittel und in den in Rede stehenden
Regionen Afrikas ist aus verschiedenen Ursachen leider kein anderes verwend¬
bar. Am schlimmsten aber ist der Reisende daran, wenn ihm seine Vorräthe
ausgehen sollten; diese dienen als Tauschmittel, sind sein Geld und ohne dieses
ist auch im "idyllischen" Lande der Schwarzen gar nichts zu haben. Ein


drahtrollen, die alle als Geld und Tauschmittel dienten, um Stanley und
seine aus 192 Menschen bestehende Karavane im Innern zu unterhalten.
Sechs Wochen verbrachte er in Bagamojo bis alles in Ordnung war; dann
nahmen die Pagasis ihre Bündel auf den Kopf, die Esel wurden gesattelt
und beladen, Stanley — Bana Mkuba oder der große Herr genannt — stieg
zu Pferde; der Kirangosi oder Führer entfaltete das amerikanische Banner
mit den Sternen und Streifen, die Aftare feuerten eine Salve ab — und fort
ging es, dem Innern Afrikas zu.

Ehe wir aber dem reisenden Correspondenten weiter folgen und von
Unjanjembe, Udschidschi, Tanganjika u. s. w. reden —Namen, die manchem
Leser fürchterlich klingen — wollen wir etwas orientirend geographisch ver¬
fahren und bitten den Leser eine Karte zur Hand zu nehmen. Die Insel
Sansibar, von wo die Expedition ausging, wird vom sechsten Grade südlicher
Breite geschnitten. Am Festlande ihr gegenüber, nur durch einen wenige
Meilen breiten Kanal getrennt, liegt Bagamojo, der Ausgangspunkt der
Karavanen nach dem Innern. Die Karavanenstraße führt gerade in west¬
licher Richtung nach einem Stapelplatz Namens Unjanjembe, der in gerader
Linie etwa 90 deutsche Meilen vom Meere entfernt ist. Hier haben die arabischen
Kaufleute Niederlagen von Elfenbein und Sclaven errichtet. Wieder weiter
westlich von Unjanjembe, etwa 80 deutsche Meilen von letzterem entfernt,
liegt der Handelsplatz Udschidschi am östlichen Ufer des großen Tanganjikasees.
Wenn die schwarzen Eingeborenen und ihre Häuptlinge in diesen Gegenden
nicht unter sich oder mit den Arabern in Krieg verwickelt sind, so ist die Straße
für eine größere Karavane ohne Gefahr zu passiren. Sind jedoch Fehden
ausgebrochen, wie zur Zeit als Stanley hier reiste, dann wird der Weg ge¬
fährlich und der Wanderer muß große Umwege machen. Keinenfalls aber ist
der Weg, der meist durch ebenes Land führt, schwierig zu finden. Fluthen
erscheinen als das einzige natürliche Hinderniß, und Führer bekommt man
überall. Die ganze Straße von Bagamojo nach Udschidschi ist so genau be¬
kannt wie die Chaussee von Leipzig nach Berlin und die Schwierigkeiten liegen
nur im Klima und den Eingeborenen. Zunächst hat der Europäer sich mit
dem Fieber abzufinden, von dem er bis zu seiner Ankunft in Udschidschi etwa
ein halbes Dutzend Anfälle zu überstehen hat. Auch seine Leute machen ihm
zu schaffen; sie desertiren, mentem, verlangen höhere Zahlung an Perlen und
Kupferdrath, als ausbedungen, oder sterben auch an der Cholera. Der
Mensch ist eben das schlechteste Transportmittel und in den in Rede stehenden
Regionen Afrikas ist aus verschiedenen Ursachen leider kein anderes verwend¬
bar. Am schlimmsten aber ist der Reisende daran, wenn ihm seine Vorräthe
ausgehen sollten; diese dienen als Tauschmittel, sind sein Geld und ohne dieses
ist auch im „idyllischen" Lande der Schwarzen gar nichts zu haben. Ein


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[0472] drahtrollen, die alle als Geld und Tauschmittel dienten, um Stanley und seine aus 192 Menschen bestehende Karavane im Innern zu unterhalten. Sechs Wochen verbrachte er in Bagamojo bis alles in Ordnung war; dann nahmen die Pagasis ihre Bündel auf den Kopf, die Esel wurden gesattelt und beladen, Stanley — Bana Mkuba oder der große Herr genannt — stieg zu Pferde; der Kirangosi oder Führer entfaltete das amerikanische Banner mit den Sternen und Streifen, die Aftare feuerten eine Salve ab — und fort ging es, dem Innern Afrikas zu. Ehe wir aber dem reisenden Correspondenten weiter folgen und von Unjanjembe, Udschidschi, Tanganjika u. s. w. reden —Namen, die manchem Leser fürchterlich klingen — wollen wir etwas orientirend geographisch ver¬ fahren und bitten den Leser eine Karte zur Hand zu nehmen. Die Insel Sansibar, von wo die Expedition ausging, wird vom sechsten Grade südlicher Breite geschnitten. Am Festlande ihr gegenüber, nur durch einen wenige Meilen breiten Kanal getrennt, liegt Bagamojo, der Ausgangspunkt der Karavanen nach dem Innern. Die Karavanenstraße führt gerade in west¬ licher Richtung nach einem Stapelplatz Namens Unjanjembe, der in gerader Linie etwa 90 deutsche Meilen vom Meere entfernt ist. Hier haben die arabischen Kaufleute Niederlagen von Elfenbein und Sclaven errichtet. Wieder weiter westlich von Unjanjembe, etwa 80 deutsche Meilen von letzterem entfernt, liegt der Handelsplatz Udschidschi am östlichen Ufer des großen Tanganjikasees. Wenn die schwarzen Eingeborenen und ihre Häuptlinge in diesen Gegenden nicht unter sich oder mit den Arabern in Krieg verwickelt sind, so ist die Straße für eine größere Karavane ohne Gefahr zu passiren. Sind jedoch Fehden ausgebrochen, wie zur Zeit als Stanley hier reiste, dann wird der Weg ge¬ fährlich und der Wanderer muß große Umwege machen. Keinenfalls aber ist der Weg, der meist durch ebenes Land führt, schwierig zu finden. Fluthen erscheinen als das einzige natürliche Hinderniß, und Führer bekommt man überall. Die ganze Straße von Bagamojo nach Udschidschi ist so genau be¬ kannt wie die Chaussee von Leipzig nach Berlin und die Schwierigkeiten liegen nur im Klima und den Eingeborenen. Zunächst hat der Europäer sich mit dem Fieber abzufinden, von dem er bis zu seiner Ankunft in Udschidschi etwa ein halbes Dutzend Anfälle zu überstehen hat. Auch seine Leute machen ihm zu schaffen; sie desertiren, mentem, verlangen höhere Zahlung an Perlen und Kupferdrath, als ausbedungen, oder sterben auch an der Cholera. Der Mensch ist eben das schlechteste Transportmittel und in den in Rede stehenden Regionen Afrikas ist aus verschiedenen Ursachen leider kein anderes verwend¬ bar. Am schlimmsten aber ist der Reisende daran, wenn ihm seine Vorräthe ausgehen sollten; diese dienen als Tauschmittel, sind sein Geld und ohne dieses ist auch im „idyllischen" Lande der Schwarzen gar nichts zu haben. Ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/472>, abgerufen am 22.07.2024.