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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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auffand" ist ein mächtig dickes Buch und auf der braunen Decke mit einer
Goldvignette geziert, die uns die Scene vorführt, wie Livingstone und Stanley
sich in Udschidschi treffen. Wenn man den etliche Pfund schweren Band in
der Hand wiegt, so kann man seine Bewunderung dem Verfasser nicht ver¬
sagen, der erst Anfang August in Europa eintraf, seitdem Dutzende und
Dutzende von Zeitungsartikeln schrieb, bei zahllosen Versammlungen und
Zweckessen als Redner auftrat, England und Schottland bereiste -- und Anfangs
November einen reich illustrirten, mit Karten versehenen Band von 720 Seiten
fix und fertig dem staunenden Publikum vorlegt. Das mache ihm jemand
einmal nach! Wir brauchen wohl kaum zu bemerken, daß ein solches Werk
nothwendigerweise Spuren der Flüchtigkeit trägt; doch wollen wir über diese
hinwegsehen und dafür das prächtige Erzählertalent, die erstaunliche Frische,
den Fleiß bei der Zusammenstellung der Arbeit, den Muth und die Selbst-
verläugnung des Verfassers hervorheben, der seine halb ritterliche, halb geschäft¬
liche, immerhin lebensgefährliche Sendung mit so großem Geschick durchgeführt.

Das Buch beginnt mit der bekannten Geschichte, wie Herr Bennett, der
Eigenthümer des "New-York Herald", im Grand Hotel zu Paris eine mitter¬
nächtliche Unterhaltung mit Stanley hat und ihn beauftragt, den Orient
und Afrika zu bereisen. Sein Auftrag lautet zu besuchen und zu schildern:
den Khedive und Suezcanal, Sir Samuel Baker und den Nil, Jerusalem,
den Sultan und Konstantinopel, die Krim, den Kaukasus, das kaspische
Meer, Persepolis, Bagdad, Persien und Indien; endlich soll er Livingstone
in Jnnerafrika suchen. Gewiß ein Auftrag, wie er noch keinem Reporter er¬
theilt wurde! Aber Stanley sagte?es und reiste ab. Das ereignete sich im
Oktober 1869, und im Januar 1871 bereits, also nach fünf Viertel Jahren,
hatte er auf der Nilinsel Philae ein Duell zwischen dem Hauptingenieur
Baker's und "einem tollen Franzosen" verhindert, er war in der Grabkirche
gewesen, hatte mit dem Gesandten der Vereinigten Staaten die Moscheen Stam-
buls besucht, auf den Wällen Sebastopols gestanden, mit dem Civilgouverneur
des Kaukasus in Tiflis dinirt, in der russischen Gesandtschaft zu Teheran
gewohnt, seinen Namen auf die Ruinen von Persepolis geschrieben, war durch
Persien nach Indien gereist und von Bombay über die Insel Mauritius
nach Sansibar an der ostafrikanischen Küste. Das ist eine Leistung; keine
Frage. Wie Stanley schildert, davon möge die nachstehende Beschreibung des
großen Handelsemporiums Sansibar einen Begriff geben. "Ich schlenderte
durch die Stadt. Ich empfange den Eindruck enger, winkliger Gassen, wei߬
getünchter Häuser, mörtelgepflasterter Straßen in den sauberen Quartieren;
ich sehe Alkoven zu beiden Seiten, vor denen rothbeturbante Banianen sitzen,


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soll Lo. 1872, kreis 21 öd. -- 7 IKIr. - Lsrim bei ^.Stör K vomp. kreis 2--3 1'Iilr.

auffand" ist ein mächtig dickes Buch und auf der braunen Decke mit einer
Goldvignette geziert, die uns die Scene vorführt, wie Livingstone und Stanley
sich in Udschidschi treffen. Wenn man den etliche Pfund schweren Band in
der Hand wiegt, so kann man seine Bewunderung dem Verfasser nicht ver¬
sagen, der erst Anfang August in Europa eintraf, seitdem Dutzende und
Dutzende von Zeitungsartikeln schrieb, bei zahllosen Versammlungen und
Zweckessen als Redner auftrat, England und Schottland bereiste — und Anfangs
November einen reich illustrirten, mit Karten versehenen Band von 720 Seiten
fix und fertig dem staunenden Publikum vorlegt. Das mache ihm jemand
einmal nach! Wir brauchen wohl kaum zu bemerken, daß ein solches Werk
nothwendigerweise Spuren der Flüchtigkeit trägt; doch wollen wir über diese
hinwegsehen und dafür das prächtige Erzählertalent, die erstaunliche Frische,
den Fleiß bei der Zusammenstellung der Arbeit, den Muth und die Selbst-
verläugnung des Verfassers hervorheben, der seine halb ritterliche, halb geschäft¬
liche, immerhin lebensgefährliche Sendung mit so großem Geschick durchgeführt.

Das Buch beginnt mit der bekannten Geschichte, wie Herr Bennett, der
Eigenthümer des „New-York Herald", im Grand Hotel zu Paris eine mitter¬
nächtliche Unterhaltung mit Stanley hat und ihn beauftragt, den Orient
und Afrika zu bereisen. Sein Auftrag lautet zu besuchen und zu schildern:
den Khedive und Suezcanal, Sir Samuel Baker und den Nil, Jerusalem,
den Sultan und Konstantinopel, die Krim, den Kaukasus, das kaspische
Meer, Persepolis, Bagdad, Persien und Indien; endlich soll er Livingstone
in Jnnerafrika suchen. Gewiß ein Auftrag, wie er noch keinem Reporter er¬
theilt wurde! Aber Stanley sagte?es und reiste ab. Das ereignete sich im
Oktober 1869, und im Januar 1871 bereits, also nach fünf Viertel Jahren,
hatte er auf der Nilinsel Philae ein Duell zwischen dem Hauptingenieur
Baker's und „einem tollen Franzosen" verhindert, er war in der Grabkirche
gewesen, hatte mit dem Gesandten der Vereinigten Staaten die Moscheen Stam-
buls besucht, auf den Wällen Sebastopols gestanden, mit dem Civilgouverneur
des Kaukasus in Tiflis dinirt, in der russischen Gesandtschaft zu Teheran
gewohnt, seinen Namen auf die Ruinen von Persepolis geschrieben, war durch
Persien nach Indien gereist und von Bombay über die Insel Mauritius
nach Sansibar an der ostafrikanischen Küste. Das ist eine Leistung; keine
Frage. Wie Stanley schildert, davon möge die nachstehende Beschreibung des
großen Handelsemporiums Sansibar einen Begriff geben. „Ich schlenderte
durch die Stadt. Ich empfange den Eindruck enger, winkliger Gassen, wei߬
getünchter Häuser, mörtelgepflasterter Straßen in den sauberen Quartieren;
ich sehe Alkoven zu beiden Seiten, vor denen rothbeturbante Banianen sitzen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/470>, abgerufen am 22.07.2024.