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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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bei sich in Innsbruck zu politischen Conferenzen: da kam die Botschaft, mit
feindlichem Heere sei er im Anzug.

Ganz plötzlich war die Erhebung geschehen. Ueberraschend, verwirrend,
niederschmetternd sielen die ersten Schläge. Nach Tirol wälzte sich in stürmischer
Eile der Kriegszug, den Kaiser persönlich zu treffen. Karl hatte so gut wie
nichts entgegenzustellen. Ob irgend welcher Widerstand geleistet werden könne,
hing von Ferdinand ab. Und Ferdinand rieth zur Unterhandlung. zu Con¬
cessionen. Im Auftrage seines Bruders hatte er mit Moritz eine Besprechung
in Linz; sie endete mit einer Vertagung auf S Wochen, nach welcher Frist
eine- größere Versammlung entscheiden sollte. Diese 5 Wochen hatten die
Protestanten also die Hand frei zu militärischen Thaten. Moritz warf sich
auf Tirol. Die Klause wurde erstürmt, die tirolische Landesregierung zog von
den Pässen ihre Soldaten zurück: Ferdinand wollte sein Land nicht neuer
Gefahr aussetzen, um seines Bruders Person zu schützen. In der Hinsicht
stimmte das Ergebniß genau zu Moritz' Berechnung. Mitten in der Nacht
mußte Karl fliehen. Mit genauer Noth gelang seine persönliche Rettung.
Es ist der Todesstoß für Karl's Politik, von dem er sich nicht wieder voll¬
ständig erholt hat.

Ich trete in das Detail der Verhandlungen des Sommers 1552 nicht
ein. Dem widerstrebenden Kaiser wurde von Ferdinand und von der Ma¬
jorität der am Kriege nicht betheiligten Fürsten im sog. Passauer Still¬
stande die Concession abgerungen, welche die Duldung der protestantischen
Kirchen, die Aufhebung der Resultate von 1548 bedeutete.

Dafür verzichtete der Fürstenbund auf territoriale Veränderungen in
Deutschland. Dem Franzosen wurde gleichzeitig begreiflich gemacht, daß die
bewilligte Annexion der lothringischen Bisthümer ihm im rheinischen Elsaß keine
Ermächtigungen ertheilt habe.

Das Resultat von 1552 ist vorzüglich das Werk des Kurfürsten Moritz.
Wenn er vor wenigen Jahren mitgeholfen, die spanisch-katholische Politik des
Kaisers zur bestimmenden Macht über Deutschland zu erheben -- so war eS
jeht sein Werk vor allen, daß Karl's Tendenzen aus Deutschland herausge¬
schlagen wurden. Die officielle Anerkennung und Duldung der protestantischen
Kirchen ist sein Verdienst.

Was er also erbaut hatte, war er nun zu schützen und zu erhalten bereit.
Unruhige Elemente waren noch genug vorhanden. Sein Kriegsgenosse von
1552 Markgraf Albrecht war nicht durch den Frieden zufriedengestellt. Der
Kaiser selbst wühlte und intriguirte. den Boden des Passauer Vertrages wieder
zu erschüttern. Allem traten die beiden entgegen, welche sich 1552 verständigt
hatten, -- Ferdinand und Moritz. Schon im Jahre 1553 hatte Moritz zum
Schutze des Friedens wieder zu schlagen. Gegen Markgraf Albrecht mußte


bei sich in Innsbruck zu politischen Conferenzen: da kam die Botschaft, mit
feindlichem Heere sei er im Anzug.

Ganz plötzlich war die Erhebung geschehen. Ueberraschend, verwirrend,
niederschmetternd sielen die ersten Schläge. Nach Tirol wälzte sich in stürmischer
Eile der Kriegszug, den Kaiser persönlich zu treffen. Karl hatte so gut wie
nichts entgegenzustellen. Ob irgend welcher Widerstand geleistet werden könne,
hing von Ferdinand ab. Und Ferdinand rieth zur Unterhandlung. zu Con¬
cessionen. Im Auftrage seines Bruders hatte er mit Moritz eine Besprechung
in Linz; sie endete mit einer Vertagung auf S Wochen, nach welcher Frist
eine- größere Versammlung entscheiden sollte. Diese 5 Wochen hatten die
Protestanten also die Hand frei zu militärischen Thaten. Moritz warf sich
auf Tirol. Die Klause wurde erstürmt, die tirolische Landesregierung zog von
den Pässen ihre Soldaten zurück: Ferdinand wollte sein Land nicht neuer
Gefahr aussetzen, um seines Bruders Person zu schützen. In der Hinsicht
stimmte das Ergebniß genau zu Moritz' Berechnung. Mitten in der Nacht
mußte Karl fliehen. Mit genauer Noth gelang seine persönliche Rettung.
Es ist der Todesstoß für Karl's Politik, von dem er sich nicht wieder voll¬
ständig erholt hat.

Ich trete in das Detail der Verhandlungen des Sommers 1552 nicht
ein. Dem widerstrebenden Kaiser wurde von Ferdinand und von der Ma¬
jorität der am Kriege nicht betheiligten Fürsten im sog. Passauer Still¬
stande die Concession abgerungen, welche die Duldung der protestantischen
Kirchen, die Aufhebung der Resultate von 1548 bedeutete.

Dafür verzichtete der Fürstenbund auf territoriale Veränderungen in
Deutschland. Dem Franzosen wurde gleichzeitig begreiflich gemacht, daß die
bewilligte Annexion der lothringischen Bisthümer ihm im rheinischen Elsaß keine
Ermächtigungen ertheilt habe.

Das Resultat von 1552 ist vorzüglich das Werk des Kurfürsten Moritz.
Wenn er vor wenigen Jahren mitgeholfen, die spanisch-katholische Politik des
Kaisers zur bestimmenden Macht über Deutschland zu erheben — so war eS
jeht sein Werk vor allen, daß Karl's Tendenzen aus Deutschland herausge¬
schlagen wurden. Die officielle Anerkennung und Duldung der protestantischen
Kirchen ist sein Verdienst.

Was er also erbaut hatte, war er nun zu schützen und zu erhalten bereit.
Unruhige Elemente waren noch genug vorhanden. Sein Kriegsgenosse von
1552 Markgraf Albrecht war nicht durch den Frieden zufriedengestellt. Der
Kaiser selbst wühlte und intriguirte. den Boden des Passauer Vertrages wieder
zu erschüttern. Allem traten die beiden entgegen, welche sich 1552 verständigt
hatten, — Ferdinand und Moritz. Schon im Jahre 1553 hatte Moritz zum
Schutze des Friedens wieder zu schlagen. Gegen Markgraf Albrecht mußte


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[0468] bei sich in Innsbruck zu politischen Conferenzen: da kam die Botschaft, mit feindlichem Heere sei er im Anzug. Ganz plötzlich war die Erhebung geschehen. Ueberraschend, verwirrend, niederschmetternd sielen die ersten Schläge. Nach Tirol wälzte sich in stürmischer Eile der Kriegszug, den Kaiser persönlich zu treffen. Karl hatte so gut wie nichts entgegenzustellen. Ob irgend welcher Widerstand geleistet werden könne, hing von Ferdinand ab. Und Ferdinand rieth zur Unterhandlung. zu Con¬ cessionen. Im Auftrage seines Bruders hatte er mit Moritz eine Besprechung in Linz; sie endete mit einer Vertagung auf S Wochen, nach welcher Frist eine- größere Versammlung entscheiden sollte. Diese 5 Wochen hatten die Protestanten also die Hand frei zu militärischen Thaten. Moritz warf sich auf Tirol. Die Klause wurde erstürmt, die tirolische Landesregierung zog von den Pässen ihre Soldaten zurück: Ferdinand wollte sein Land nicht neuer Gefahr aussetzen, um seines Bruders Person zu schützen. In der Hinsicht stimmte das Ergebniß genau zu Moritz' Berechnung. Mitten in der Nacht mußte Karl fliehen. Mit genauer Noth gelang seine persönliche Rettung. Es ist der Todesstoß für Karl's Politik, von dem er sich nicht wieder voll¬ ständig erholt hat. Ich trete in das Detail der Verhandlungen des Sommers 1552 nicht ein. Dem widerstrebenden Kaiser wurde von Ferdinand und von der Ma¬ jorität der am Kriege nicht betheiligten Fürsten im sog. Passauer Still¬ stande die Concession abgerungen, welche die Duldung der protestantischen Kirchen, die Aufhebung der Resultate von 1548 bedeutete. Dafür verzichtete der Fürstenbund auf territoriale Veränderungen in Deutschland. Dem Franzosen wurde gleichzeitig begreiflich gemacht, daß die bewilligte Annexion der lothringischen Bisthümer ihm im rheinischen Elsaß keine Ermächtigungen ertheilt habe. Das Resultat von 1552 ist vorzüglich das Werk des Kurfürsten Moritz. Wenn er vor wenigen Jahren mitgeholfen, die spanisch-katholische Politik des Kaisers zur bestimmenden Macht über Deutschland zu erheben — so war eS jeht sein Werk vor allen, daß Karl's Tendenzen aus Deutschland herausge¬ schlagen wurden. Die officielle Anerkennung und Duldung der protestantischen Kirchen ist sein Verdienst. Was er also erbaut hatte, war er nun zu schützen und zu erhalten bereit. Unruhige Elemente waren noch genug vorhanden. Sein Kriegsgenosse von 1552 Markgraf Albrecht war nicht durch den Frieden zufriedengestellt. Der Kaiser selbst wühlte und intriguirte. den Boden des Passauer Vertrages wieder zu erschüttern. Allem traten die beiden entgegen, welche sich 1552 verständigt hatten, — Ferdinand und Moritz. Schon im Jahre 1553 hatte Moritz zum Schutze des Friedens wieder zu schlagen. Gegen Markgraf Albrecht mußte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/468>, abgerufen am 22.07.2024.