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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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^ Wir sehen, auch bei dem Dienstvertrage mit dem Kaiser, war die nicht
unbedingte Unterwerfung unter den Katholicismus, war eine verklausulirte
Erhaltung des protestantischen Zustandes von Moritz durchgesetzt worden.
Es kam darauf an, ob er bei der späteren Erörterung auf seinem "Scheine"
auch gegen den siegreichen Kaiser beharren würde.

Zunächst belaste er die politischen Früchte seines Thuns ein. Im
Sommer 1546 brach endlich der Protestantenkrieg Karl's V. aus. Die Heere
der Schmalkaldener manoeuvrirten im Süden gegen den Kaiser: ihrer Ueber¬
macht hielt Karl Stand und kam nach und nach in den Vortheil. Da fiel
Moritz den Protestanten in den Rücken. Er drang ins Kurfürstenthum
Sachsen ein, er eroberte und besetzte das Land. Schnell wendeten sich die
Heere des Bundes, ihr Heimathsland zu retten. Moritz mußte weichen.
Aber schon zog der Kaiser heran und brachte die Sache zur Entscheidung.
Auf der Lochauer Heute bei Mühlberg wurden die Protestanten bis zur
Vernichtung geschlagen, der Kurfürst selbst gefangen. Der Landgraf zog sich
zurück. Das Land Sachsen kam nach und nach in die Gewalt der Sieger.
Moritz empfing seinen ausgedungenen Lohn.

Er wurde Kurfürst von Sachsen. Aber von den Ländern, welche die
Ernesttner bis dahin besessen hatten, mußte er ein gutes Theil wieder ihnen
zurückgeben, mehr als ihm lieb und bequem war. Anfangs gedachte er sogar
sie unter seine Oberhoheit zu bringen, sie zu apanagiren wie er es seinem
Bruder gethan, aber er setzte dies nicht durch. Bei den Verhandlungen stieß
Moritz auf den Widerspruch des Kaisers. Karl glaubte auch gegen Moritz
sich eines Gegenpartes versichern zu müssen: eine ihm feindlich gesinnte
fürstliche Vetterschaft, die zwischen seinen Territorien selbständig saß, sollte
Moritz auf den Dienst passen: jedenfalls war sie in ihrem Rachedurste in
jedem Augenblicke, falls Karl des Rückschlages bedürfte, zur Niederhaltung
oder Verkleinerung des neuen Kurfürsten zu gebrauchen. Jahre lang schleppte
sich dieser Zustand hin. dessen Druck Moritz aufs empfindlichste fühlte. Es
war einer der Wermuthstropfen, welche Karl sofort seinem Diener in den
Siegestrank mischte.

Den hessischen Schwiegervater hatte Moritz mit dem Kaiser auszusöhnen
unternommen. Der Landgraf unterwarf sich, er ergab sich "zu Gnade und Un¬
gnade" in die Hand des Kaisers. Und nur die Versicherung war dagegen
gewährt, daß das "nicht zu körperlicher Strafe und nicht zu beständigem Ge¬
fängniß" führen sollte. Aber wider sein Erwarten und wider die Meinung
der Unterhändler, des neuen sächsischen und des brandenburgischen Kurfürsten,
wurde Philipp gefangen gehalten. Eine große Unachtsamkeit und Unvor¬
sichtigkeit bei dem Abschluß der Kapitulation hatten sich die beiden Fürsten
zu Schulden kommen lassen. Sie hatten geglaubt überhaupt Freiheit vom


^ Wir sehen, auch bei dem Dienstvertrage mit dem Kaiser, war die nicht
unbedingte Unterwerfung unter den Katholicismus, war eine verklausulirte
Erhaltung des protestantischen Zustandes von Moritz durchgesetzt worden.
Es kam darauf an, ob er bei der späteren Erörterung auf seinem „Scheine"
auch gegen den siegreichen Kaiser beharren würde.

Zunächst belaste er die politischen Früchte seines Thuns ein. Im
Sommer 1546 brach endlich der Protestantenkrieg Karl's V. aus. Die Heere
der Schmalkaldener manoeuvrirten im Süden gegen den Kaiser: ihrer Ueber¬
macht hielt Karl Stand und kam nach und nach in den Vortheil. Da fiel
Moritz den Protestanten in den Rücken. Er drang ins Kurfürstenthum
Sachsen ein, er eroberte und besetzte das Land. Schnell wendeten sich die
Heere des Bundes, ihr Heimathsland zu retten. Moritz mußte weichen.
Aber schon zog der Kaiser heran und brachte die Sache zur Entscheidung.
Auf der Lochauer Heute bei Mühlberg wurden die Protestanten bis zur
Vernichtung geschlagen, der Kurfürst selbst gefangen. Der Landgraf zog sich
zurück. Das Land Sachsen kam nach und nach in die Gewalt der Sieger.
Moritz empfing seinen ausgedungenen Lohn.

Er wurde Kurfürst von Sachsen. Aber von den Ländern, welche die
Ernesttner bis dahin besessen hatten, mußte er ein gutes Theil wieder ihnen
zurückgeben, mehr als ihm lieb und bequem war. Anfangs gedachte er sogar
sie unter seine Oberhoheit zu bringen, sie zu apanagiren wie er es seinem
Bruder gethan, aber er setzte dies nicht durch. Bei den Verhandlungen stieß
Moritz auf den Widerspruch des Kaisers. Karl glaubte auch gegen Moritz
sich eines Gegenpartes versichern zu müssen: eine ihm feindlich gesinnte
fürstliche Vetterschaft, die zwischen seinen Territorien selbständig saß, sollte
Moritz auf den Dienst passen: jedenfalls war sie in ihrem Rachedurste in
jedem Augenblicke, falls Karl des Rückschlages bedürfte, zur Niederhaltung
oder Verkleinerung des neuen Kurfürsten zu gebrauchen. Jahre lang schleppte
sich dieser Zustand hin. dessen Druck Moritz aufs empfindlichste fühlte. Es
war einer der Wermuthstropfen, welche Karl sofort seinem Diener in den
Siegestrank mischte.

Den hessischen Schwiegervater hatte Moritz mit dem Kaiser auszusöhnen
unternommen. Der Landgraf unterwarf sich, er ergab sich „zu Gnade und Un¬
gnade" in die Hand des Kaisers. Und nur die Versicherung war dagegen
gewährt, daß das „nicht zu körperlicher Strafe und nicht zu beständigem Ge¬
fängniß" führen sollte. Aber wider sein Erwarten und wider die Meinung
der Unterhändler, des neuen sächsischen und des brandenburgischen Kurfürsten,
wurde Philipp gefangen gehalten. Eine große Unachtsamkeit und Unvor¬
sichtigkeit bei dem Abschluß der Kapitulation hatten sich die beiden Fürsten
zu Schulden kommen lassen. Sie hatten geglaubt überhaupt Freiheit vom


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[0459] ^ Wir sehen, auch bei dem Dienstvertrage mit dem Kaiser, war die nicht unbedingte Unterwerfung unter den Katholicismus, war eine verklausulirte Erhaltung des protestantischen Zustandes von Moritz durchgesetzt worden. Es kam darauf an, ob er bei der späteren Erörterung auf seinem „Scheine" auch gegen den siegreichen Kaiser beharren würde. Zunächst belaste er die politischen Früchte seines Thuns ein. Im Sommer 1546 brach endlich der Protestantenkrieg Karl's V. aus. Die Heere der Schmalkaldener manoeuvrirten im Süden gegen den Kaiser: ihrer Ueber¬ macht hielt Karl Stand und kam nach und nach in den Vortheil. Da fiel Moritz den Protestanten in den Rücken. Er drang ins Kurfürstenthum Sachsen ein, er eroberte und besetzte das Land. Schnell wendeten sich die Heere des Bundes, ihr Heimathsland zu retten. Moritz mußte weichen. Aber schon zog der Kaiser heran und brachte die Sache zur Entscheidung. Auf der Lochauer Heute bei Mühlberg wurden die Protestanten bis zur Vernichtung geschlagen, der Kurfürst selbst gefangen. Der Landgraf zog sich zurück. Das Land Sachsen kam nach und nach in die Gewalt der Sieger. Moritz empfing seinen ausgedungenen Lohn. Er wurde Kurfürst von Sachsen. Aber von den Ländern, welche die Ernesttner bis dahin besessen hatten, mußte er ein gutes Theil wieder ihnen zurückgeben, mehr als ihm lieb und bequem war. Anfangs gedachte er sogar sie unter seine Oberhoheit zu bringen, sie zu apanagiren wie er es seinem Bruder gethan, aber er setzte dies nicht durch. Bei den Verhandlungen stieß Moritz auf den Widerspruch des Kaisers. Karl glaubte auch gegen Moritz sich eines Gegenpartes versichern zu müssen: eine ihm feindlich gesinnte fürstliche Vetterschaft, die zwischen seinen Territorien selbständig saß, sollte Moritz auf den Dienst passen: jedenfalls war sie in ihrem Rachedurste in jedem Augenblicke, falls Karl des Rückschlages bedürfte, zur Niederhaltung oder Verkleinerung des neuen Kurfürsten zu gebrauchen. Jahre lang schleppte sich dieser Zustand hin. dessen Druck Moritz aufs empfindlichste fühlte. Es war einer der Wermuthstropfen, welche Karl sofort seinem Diener in den Siegestrank mischte. Den hessischen Schwiegervater hatte Moritz mit dem Kaiser auszusöhnen unternommen. Der Landgraf unterwarf sich, er ergab sich „zu Gnade und Un¬ gnade" in die Hand des Kaisers. Und nur die Versicherung war dagegen gewährt, daß das „nicht zu körperlicher Strafe und nicht zu beständigem Ge¬ fängniß" führen sollte. Aber wider sein Erwarten und wider die Meinung der Unterhändler, des neuen sächsischen und des brandenburgischen Kurfürsten, wurde Philipp gefangen gehalten. Eine große Unachtsamkeit und Unvor¬ sichtigkeit bei dem Abschluß der Kapitulation hatten sich die beiden Fürsten zu Schulden kommen lassen. Sie hatten geglaubt überhaupt Freiheit vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/459>, abgerufen am 22.07.2024.