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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Die sächsischen Lande waren 1485 in zwei Massen getheilt, die kurfürst¬
liche und die herzogliche. Bei dieser Theilung war aber nicht alle und jede
Gemeinsamkeit zwischen den ernestinischen Kurfürsten und den albertinischen
Herzogen aufgehoben. Genug Anlaß zu Hader und Streit war geblieben.
Die territorialen Reibungen und nachbarlichen Fehden brachen nicht ab. Im
albertinischen Hause selbst war noch für einen jüngeren Prinzen ein Stück
Land abgezweigt, für Herzog Heinrich, den Bruder des Herzogs Georg von
Sachsen. Dieses Heinrich's, der sich mit einer mecklenburgischen Prinzessin
vermählt, Sohn war Moritz.

In jenes sehr durcheinander gemischte und ineinander verschlungene Netz
territorialen Kleinlebens in Sachsen und Thüringen war nun der große
religiöse und politische Gegensatz des 16ten Jahrhunderts hineingefahren.
Die Kurfürsten von Sachsen waren von Anfang an die politischen Führer der
Protestanten; unter ihrem Fittige entfaltete Luther seine reformatorischen
Principien und in ihren Landen baute er seine kirchlichen Anstalten aus.
Als der Kaiser und das officielle Reich die Reformation Luther's verworfen,
als die Unterdrückung der neuen religiösen Richtung und der neuen protestan¬
tischen Kirchen der kaiserlichen Politik zur Losung geworden, da wurde unter
Kursachsens und Hessens Leitung ein Bund der protestantischen Territorien
zur Vertheidigung eben sowohl ihrer landesherrlichen Autonomie als ihrer
evangelischen Landeskirchen geschlossen. Somit stand Kursachsen an der
Spitze des protestantischen Deutschland und der fürstlichen Opposition gegen
Karl V.

Die sächsischen Herzoge dagegen hatten sich dieser Partei nicht ange¬
schlossen. Ihr Stammherr Albert war einer der eifrigsten Anhänger Habs-
burgs gewesen: in habsburgischen Dienste hatte er militärische und politische
Lorbeeren errungen. Auch Herzog Georg gehörte dieser Richtung an. Er,
einer der kräftigsten Fürsten aus der älteren Generation der Reformations¬
zeit, war zugleich ein entschiedener und heftiger Gegner Luther's. Politisch
und kirchlich war er der geeignete Nebenbuhler seines kurfürstlichen Betters.
Die territoriale Eifersucht und Feindschaft erhielt in dem allgemeinen Gegensatz
neue Nahrung und willkommenen Anlaß. Reibungen konnten nicht aus¬
bleiben. Und sobald die katholische Tendenzpolitik des Kaisers auf feindliche
Schläge gegen die Protestanten sann, bot sich ihr als Helfer der katholische
Herzog von Sachsen, der mitten unter den Protestanten saß. Georg war
auf katholischer Seite der Mann der That, der selbst zur Action drängte:
winkte ihm bei einer solchen doch der Kurhut von Sachsen als Lohn seiner
Opfer für Kaiser und Kirche!

Der jüngere Bruder Georg's, Herzog Heinrich, dagegen hielt sich mehr zur
protestantischen, kursächsischen Seite: er ist zuletzt offen zur evangelischen Religion


Die sächsischen Lande waren 1485 in zwei Massen getheilt, die kurfürst¬
liche und die herzogliche. Bei dieser Theilung war aber nicht alle und jede
Gemeinsamkeit zwischen den ernestinischen Kurfürsten und den albertinischen
Herzogen aufgehoben. Genug Anlaß zu Hader und Streit war geblieben.
Die territorialen Reibungen und nachbarlichen Fehden brachen nicht ab. Im
albertinischen Hause selbst war noch für einen jüngeren Prinzen ein Stück
Land abgezweigt, für Herzog Heinrich, den Bruder des Herzogs Georg von
Sachsen. Dieses Heinrich's, der sich mit einer mecklenburgischen Prinzessin
vermählt, Sohn war Moritz.

In jenes sehr durcheinander gemischte und ineinander verschlungene Netz
territorialen Kleinlebens in Sachsen und Thüringen war nun der große
religiöse und politische Gegensatz des 16ten Jahrhunderts hineingefahren.
Die Kurfürsten von Sachsen waren von Anfang an die politischen Führer der
Protestanten; unter ihrem Fittige entfaltete Luther seine reformatorischen
Principien und in ihren Landen baute er seine kirchlichen Anstalten aus.
Als der Kaiser und das officielle Reich die Reformation Luther's verworfen,
als die Unterdrückung der neuen religiösen Richtung und der neuen protestan¬
tischen Kirchen der kaiserlichen Politik zur Losung geworden, da wurde unter
Kursachsens und Hessens Leitung ein Bund der protestantischen Territorien
zur Vertheidigung eben sowohl ihrer landesherrlichen Autonomie als ihrer
evangelischen Landeskirchen geschlossen. Somit stand Kursachsen an der
Spitze des protestantischen Deutschland und der fürstlichen Opposition gegen
Karl V.

Die sächsischen Herzoge dagegen hatten sich dieser Partei nicht ange¬
schlossen. Ihr Stammherr Albert war einer der eifrigsten Anhänger Habs-
burgs gewesen: in habsburgischen Dienste hatte er militärische und politische
Lorbeeren errungen. Auch Herzog Georg gehörte dieser Richtung an. Er,
einer der kräftigsten Fürsten aus der älteren Generation der Reformations¬
zeit, war zugleich ein entschiedener und heftiger Gegner Luther's. Politisch
und kirchlich war er der geeignete Nebenbuhler seines kurfürstlichen Betters.
Die territoriale Eifersucht und Feindschaft erhielt in dem allgemeinen Gegensatz
neue Nahrung und willkommenen Anlaß. Reibungen konnten nicht aus¬
bleiben. Und sobald die katholische Tendenzpolitik des Kaisers auf feindliche
Schläge gegen die Protestanten sann, bot sich ihr als Helfer der katholische
Herzog von Sachsen, der mitten unter den Protestanten saß. Georg war
auf katholischer Seite der Mann der That, der selbst zur Action drängte:
winkte ihm bei einer solchen doch der Kurhut von Sachsen als Lohn seiner
Opfer für Kaiser und Kirche!

Der jüngere Bruder Georg's, Herzog Heinrich, dagegen hielt sich mehr zur
protestantischen, kursächsischen Seite: er ist zuletzt offen zur evangelischen Religion


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[0453] Die sächsischen Lande waren 1485 in zwei Massen getheilt, die kurfürst¬ liche und die herzogliche. Bei dieser Theilung war aber nicht alle und jede Gemeinsamkeit zwischen den ernestinischen Kurfürsten und den albertinischen Herzogen aufgehoben. Genug Anlaß zu Hader und Streit war geblieben. Die territorialen Reibungen und nachbarlichen Fehden brachen nicht ab. Im albertinischen Hause selbst war noch für einen jüngeren Prinzen ein Stück Land abgezweigt, für Herzog Heinrich, den Bruder des Herzogs Georg von Sachsen. Dieses Heinrich's, der sich mit einer mecklenburgischen Prinzessin vermählt, Sohn war Moritz. In jenes sehr durcheinander gemischte und ineinander verschlungene Netz territorialen Kleinlebens in Sachsen und Thüringen war nun der große religiöse und politische Gegensatz des 16ten Jahrhunderts hineingefahren. Die Kurfürsten von Sachsen waren von Anfang an die politischen Führer der Protestanten; unter ihrem Fittige entfaltete Luther seine reformatorischen Principien und in ihren Landen baute er seine kirchlichen Anstalten aus. Als der Kaiser und das officielle Reich die Reformation Luther's verworfen, als die Unterdrückung der neuen religiösen Richtung und der neuen protestan¬ tischen Kirchen der kaiserlichen Politik zur Losung geworden, da wurde unter Kursachsens und Hessens Leitung ein Bund der protestantischen Territorien zur Vertheidigung eben sowohl ihrer landesherrlichen Autonomie als ihrer evangelischen Landeskirchen geschlossen. Somit stand Kursachsen an der Spitze des protestantischen Deutschland und der fürstlichen Opposition gegen Karl V. Die sächsischen Herzoge dagegen hatten sich dieser Partei nicht ange¬ schlossen. Ihr Stammherr Albert war einer der eifrigsten Anhänger Habs- burgs gewesen: in habsburgischen Dienste hatte er militärische und politische Lorbeeren errungen. Auch Herzog Georg gehörte dieser Richtung an. Er, einer der kräftigsten Fürsten aus der älteren Generation der Reformations¬ zeit, war zugleich ein entschiedener und heftiger Gegner Luther's. Politisch und kirchlich war er der geeignete Nebenbuhler seines kurfürstlichen Betters. Die territoriale Eifersucht und Feindschaft erhielt in dem allgemeinen Gegensatz neue Nahrung und willkommenen Anlaß. Reibungen konnten nicht aus¬ bleiben. Und sobald die katholische Tendenzpolitik des Kaisers auf feindliche Schläge gegen die Protestanten sann, bot sich ihr als Helfer der katholische Herzog von Sachsen, der mitten unter den Protestanten saß. Georg war auf katholischer Seite der Mann der That, der selbst zur Action drängte: winkte ihm bei einer solchen doch der Kurhut von Sachsen als Lohn seiner Opfer für Kaiser und Kirche! Der jüngere Bruder Georg's, Herzog Heinrich, dagegen hielt sich mehr zur protestantischen, kursächsischen Seite: er ist zuletzt offen zur evangelischen Religion

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/453>, abgerufen am 22.07.2024.