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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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art seines Volkes gehört, bedeutsam und ehrwürdig ist, dem Gegenstand in
seiner ganzen Wichtigkeit nahe zu treten versuchen, vermögen doch wenig zu
thun, weil der bloße Stubengelehrte hier, wo es sich um die Praxis im emi¬
nentester Sinne handelt, eine ebenso lächerliche Figur spielen würde, wie der
vielberufene "lateinische Reiter" in der Manege oder auf dem freien Felde.

Wir freuen uns, neben den zahllosen andern Bereicherungen unseres
Wissens, die wir aus M. Jähns' schönem Buche gewonnen haben, auch den
Trost mit fort nehmen zu können, daß sich allerdings seit einiger Zeit eine
Wendung zum Bessern vollzieht. Auch hatte der Schaden noch nicht so tief
gefressen, daß dadurch die Leistungen unseres deutschen Pferdes in den großen
weltgeschichtlichen Aetionen. zu denen es in den letzten Kriegsstürmen berufen
war. irgendwie geschmälert worden wären. Auch hier wie überall, wo etwas
Gesundes und Tüchtiges in deutschen Lebensgestaltungen, mögen sie Namen
haben wie sie wollen, unter all dem confusen Wüste einer unklaren und ihrer
Ziele völlig unbewußten Gährungsperiode der deutschen Nation sich erhalten
oder herausgearbeitet hat, gebührt Preußen das hauptsächlichste Verdienst
daran. Preußen hat es verstanden, den Pferdetypus zu pflegen und zu ent¬
falten, der für alle practischen Bedürfnisse, die an die deutsche Nation im
Krieg und Frieden herangetreten sind, sich als der wahrhaft brauchbare und
insofern ächt nationale erwiesen hat. Dem preußischen Pferde gebührt daher
ein voller Antheil an dem Ruhme, den unsere deutsche Reiterei, freilich zunächst
noch populärer als "Cavallerie", sich in Hunderten von Gefechten und Schlach¬
ten im letzten Kriege wieder erworben hat, nachdem ihre Siegeskranze, die sie
aus dem siebenjährigen Kriege zuletzt heimgebracht hatte, schon bedenklich
welk geworden waren. Wir sind überzeugt, daß sie diese ihre Lorbeeren, die
sie gestern erworben, frisch zu bewahren sich bemühen und so bald wieder
einmal die Trompete gegen den Erbfeind oder die Erbfeinde ruft -- denn
wo wären wir nicht von Erbfeinden umlagert? -- sich ebenso herrliche neue
verdienen wird. Denn die deutsche "Cavallerie" wird, wie sie einst der
Schrecken der Römer und zu jeder Zeit, wo das deutsche Volk seiner selbst
bewußt blieb, allen andern Reitern und Neitervölkern, ebenso den halbthieri¬
schen Ungarn des 10. Jahrhunderts wie den ungarischen Husaren der schlesi-
schen Kriege, überlegen war, auch in allen zukünftigen Kriegen eine große
Aufgabe zu lösen haben, so daß auch hier die ewige "Dauer im Wechsel" sich
bewährt. Denn die abschätzigen Nergeleien doctrinärer Theoretiker, meist bla-
sirter Friedenssoldaten, können jetzt ebenso von der Theorie, wie von der
glänzendsten Praxis gänzlich widerlegt heißen. Alle Verbesserungen der Hinter¬
oder Vorderlader werden der deutschen Reiterei ihre kriegerische Kraft nicht
nehmen, falls sie nicht selbst an ihrem Beruf irre wird. Denn dieser ist ein
durch die Natur der Sache selbst gegründeter und insofern ein ewiger. ES


art seines Volkes gehört, bedeutsam und ehrwürdig ist, dem Gegenstand in
seiner ganzen Wichtigkeit nahe zu treten versuchen, vermögen doch wenig zu
thun, weil der bloße Stubengelehrte hier, wo es sich um die Praxis im emi¬
nentester Sinne handelt, eine ebenso lächerliche Figur spielen würde, wie der
vielberufene „lateinische Reiter" in der Manege oder auf dem freien Felde.

Wir freuen uns, neben den zahllosen andern Bereicherungen unseres
Wissens, die wir aus M. Jähns' schönem Buche gewonnen haben, auch den
Trost mit fort nehmen zu können, daß sich allerdings seit einiger Zeit eine
Wendung zum Bessern vollzieht. Auch hatte der Schaden noch nicht so tief
gefressen, daß dadurch die Leistungen unseres deutschen Pferdes in den großen
weltgeschichtlichen Aetionen. zu denen es in den letzten Kriegsstürmen berufen
war. irgendwie geschmälert worden wären. Auch hier wie überall, wo etwas
Gesundes und Tüchtiges in deutschen Lebensgestaltungen, mögen sie Namen
haben wie sie wollen, unter all dem confusen Wüste einer unklaren und ihrer
Ziele völlig unbewußten Gährungsperiode der deutschen Nation sich erhalten
oder herausgearbeitet hat, gebührt Preußen das hauptsächlichste Verdienst
daran. Preußen hat es verstanden, den Pferdetypus zu pflegen und zu ent¬
falten, der für alle practischen Bedürfnisse, die an die deutsche Nation im
Krieg und Frieden herangetreten sind, sich als der wahrhaft brauchbare und
insofern ächt nationale erwiesen hat. Dem preußischen Pferde gebührt daher
ein voller Antheil an dem Ruhme, den unsere deutsche Reiterei, freilich zunächst
noch populärer als „Cavallerie", sich in Hunderten von Gefechten und Schlach¬
ten im letzten Kriege wieder erworben hat, nachdem ihre Siegeskranze, die sie
aus dem siebenjährigen Kriege zuletzt heimgebracht hatte, schon bedenklich
welk geworden waren. Wir sind überzeugt, daß sie diese ihre Lorbeeren, die
sie gestern erworben, frisch zu bewahren sich bemühen und so bald wieder
einmal die Trompete gegen den Erbfeind oder die Erbfeinde ruft — denn
wo wären wir nicht von Erbfeinden umlagert? — sich ebenso herrliche neue
verdienen wird. Denn die deutsche „Cavallerie" wird, wie sie einst der
Schrecken der Römer und zu jeder Zeit, wo das deutsche Volk seiner selbst
bewußt blieb, allen andern Reitern und Neitervölkern, ebenso den halbthieri¬
schen Ungarn des 10. Jahrhunderts wie den ungarischen Husaren der schlesi-
schen Kriege, überlegen war, auch in allen zukünftigen Kriegen eine große
Aufgabe zu lösen haben, so daß auch hier die ewige „Dauer im Wechsel" sich
bewährt. Denn die abschätzigen Nergeleien doctrinärer Theoretiker, meist bla-
sirter Friedenssoldaten, können jetzt ebenso von der Theorie, wie von der
glänzendsten Praxis gänzlich widerlegt heißen. Alle Verbesserungen der Hinter¬
oder Vorderlader werden der deutschen Reiterei ihre kriegerische Kraft nicht
nehmen, falls sie nicht selbst an ihrem Beruf irre wird. Denn dieser ist ein
durch die Natur der Sache selbst gegründeter und insofern ein ewiger. ES


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[0424] art seines Volkes gehört, bedeutsam und ehrwürdig ist, dem Gegenstand in seiner ganzen Wichtigkeit nahe zu treten versuchen, vermögen doch wenig zu thun, weil der bloße Stubengelehrte hier, wo es sich um die Praxis im emi¬ nentester Sinne handelt, eine ebenso lächerliche Figur spielen würde, wie der vielberufene „lateinische Reiter" in der Manege oder auf dem freien Felde. Wir freuen uns, neben den zahllosen andern Bereicherungen unseres Wissens, die wir aus M. Jähns' schönem Buche gewonnen haben, auch den Trost mit fort nehmen zu können, daß sich allerdings seit einiger Zeit eine Wendung zum Bessern vollzieht. Auch hatte der Schaden noch nicht so tief gefressen, daß dadurch die Leistungen unseres deutschen Pferdes in den großen weltgeschichtlichen Aetionen. zu denen es in den letzten Kriegsstürmen berufen war. irgendwie geschmälert worden wären. Auch hier wie überall, wo etwas Gesundes und Tüchtiges in deutschen Lebensgestaltungen, mögen sie Namen haben wie sie wollen, unter all dem confusen Wüste einer unklaren und ihrer Ziele völlig unbewußten Gährungsperiode der deutschen Nation sich erhalten oder herausgearbeitet hat, gebührt Preußen das hauptsächlichste Verdienst daran. Preußen hat es verstanden, den Pferdetypus zu pflegen und zu ent¬ falten, der für alle practischen Bedürfnisse, die an die deutsche Nation im Krieg und Frieden herangetreten sind, sich als der wahrhaft brauchbare und insofern ächt nationale erwiesen hat. Dem preußischen Pferde gebührt daher ein voller Antheil an dem Ruhme, den unsere deutsche Reiterei, freilich zunächst noch populärer als „Cavallerie", sich in Hunderten von Gefechten und Schlach¬ ten im letzten Kriege wieder erworben hat, nachdem ihre Siegeskranze, die sie aus dem siebenjährigen Kriege zuletzt heimgebracht hatte, schon bedenklich welk geworden waren. Wir sind überzeugt, daß sie diese ihre Lorbeeren, die sie gestern erworben, frisch zu bewahren sich bemühen und so bald wieder einmal die Trompete gegen den Erbfeind oder die Erbfeinde ruft — denn wo wären wir nicht von Erbfeinden umlagert? — sich ebenso herrliche neue verdienen wird. Denn die deutsche „Cavallerie" wird, wie sie einst der Schrecken der Römer und zu jeder Zeit, wo das deutsche Volk seiner selbst bewußt blieb, allen andern Reitern und Neitervölkern, ebenso den halbthieri¬ schen Ungarn des 10. Jahrhunderts wie den ungarischen Husaren der schlesi- schen Kriege, überlegen war, auch in allen zukünftigen Kriegen eine große Aufgabe zu lösen haben, so daß auch hier die ewige „Dauer im Wechsel" sich bewährt. Denn die abschätzigen Nergeleien doctrinärer Theoretiker, meist bla- sirter Friedenssoldaten, können jetzt ebenso von der Theorie, wie von der glänzendsten Praxis gänzlich widerlegt heißen. Alle Verbesserungen der Hinter¬ oder Vorderlader werden der deutschen Reiterei ihre kriegerische Kraft nicht nehmen, falls sie nicht selbst an ihrem Beruf irre wird. Denn dieser ist ein durch die Natur der Sache selbst gegründeter und insofern ein ewiger. ES

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/424>, abgerufen am 22.07.2024.