Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.in diesen Orten hat, kann, wenn er über die Bedeutung ihrer Namen jemals Ueberhaupt haben nur drei andre Thiere sich so massenhaft zur Namen¬ Unsere jetzigen Familiennamen zeigen freilich eine große Zahl von Be¬ in diesen Orten hat, kann, wenn er über die Bedeutung ihrer Namen jemals Ueberhaupt haben nur drei andre Thiere sich so massenhaft zur Namen¬ Unsere jetzigen Familiennamen zeigen freilich eine große Zahl von Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128873"/> <p xml:id="ID_1345" prev="#ID_1344"> in diesen Orten hat, kann, wenn er über die Bedeutung ihrer Namen jemals<lb/> nachdenken sollte, was er wahrscheinlich nie thut, so wenig wie über die Ety¬<lb/> mologie und Geschichte seines eigenen Namen Michel oder Hans, sich das Räthsel<lb/> höchstens nur aus der Bibel Luther's oder aus dem Gesangbuch lösen, worin<lb/> noch das Roß seinen Ehrenvorzug vor Pferd behauptet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1346"> Ueberhaupt haben nur drei andre Thiere sich so massenhaft zur Namen¬<lb/> gebung unseres Alterthums geeignet erwiesen, wie das edelste Hausthier. Es<lb/> sind die drei furchtbarsten und insofern vornehmsten ungezähnten und un¬<lb/> zähmbaren Herrscher der Wildniß, der Bär und Wolf von den Vierfüßlern,<lb/> der Adler, d. h. von der älteren Sprache gewöhnlich in der einfachen Form<lb/> Ar, Am oder Arndt verwendet, von den Bewohnern der Lüfte. Diese drei dienen<lb/> auch, was noch bemerkenswerther ist, in überschwänglicher Fülle zu Namen<lb/> der Menschen und Beinamen der Götter, niemals aber ist diese höchste Ehre<lb/> einem der Namen des Rosses zu Theil geworden. Doch wohl, weil es trotz<lb/> seiner adeligen Stellung, die es den andern thierischen Hausgenossen gegenüber<lb/> stets von der fernsten Urzeit bis auf den heutigen Tag behauptet, immer nur<lb/> ein Hausthier, ein Knecht des Menschen war, wogegen sich jene dem Menschen<lb/> an sich feindlichen Gesellen eben dadurch als überlegen und insofern als von<lb/> noch reinerem oder vornehmeren Blute erweisen. Unsere Volksseele steht hier<lb/> unter der Macht einer ganz andren Stimmung als z. B. die griechische. Das<lb/> griechische Philippos (Pferde- oder Roßlieb), Hippokrares (Roßgewaltiger) und<lb/> Hunderte ähnlicher Bildungen haben auf deutschem Boden keine Parallelen.<lb/> Höchstens das mythische Heroenpaar, Hengist und Horsa, könnte zur Noth<lb/> damit verglichen werden, in denen das heilige Stammessymbol der Sachsen,<lb/> das springende weiße Roß, gleichsam menschlich substanziirt erscheint. Denn<lb/> alle die mit Mare oder Mar zusammengesetzten Namen, von dem ältesten<lb/> streng geschichtlichen Maroboduus an, werden mit dem altdeutschen Stamme<lb/> Mar, d. h. doch wohl Mars. der später allerdings gewöhnlich mit verhärtetem<lb/> Endeonsonant als Mark auftritt, nichts zu thun haben, selbst wenn dieses<lb/> Stammwort ursprünglich der deutschen Sprache angehört, und nicht, wie die<lb/> jetzt überwiegende, uns jedoch unrichtig scheinende Meinung ist, erst aus dem<lb/> Keltischen importirt sein sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1347" next="#ID_1348"> Unsere jetzigen Familiennamen zeigen freilich eine große Zahl von Be¬<lb/> ziehungen auf Namen des Rosses. Dieses Wort selbst ist häufig genug als<lb/> solcher gebraucht — Pferd so viel wir wissen, niemals. Noch mehr Zusammen¬<lb/> setzungen oder Ableitungen davon, wie Roßberg, Roßkranz, Roßtäuscher oder<lb/> wunderlich verballhornt — deutscher, Roßmäßler (soviel wie Pagenstecher, Ro߬<lb/> schlächter, eigentlich der Roßfleisch (Maß) zur Benutzung bringt) Noßhirt,<lb/> Rößler:c>, ebenso von Mars, wie Mähr, Marheinecke, Mahrzahn ze,, und<lb/> den andern Pserdenamen. Aber sie sind alle keine nomina im altrömischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0419]
in diesen Orten hat, kann, wenn er über die Bedeutung ihrer Namen jemals
nachdenken sollte, was er wahrscheinlich nie thut, so wenig wie über die Ety¬
mologie und Geschichte seines eigenen Namen Michel oder Hans, sich das Räthsel
höchstens nur aus der Bibel Luther's oder aus dem Gesangbuch lösen, worin
noch das Roß seinen Ehrenvorzug vor Pferd behauptet.
Ueberhaupt haben nur drei andre Thiere sich so massenhaft zur Namen¬
gebung unseres Alterthums geeignet erwiesen, wie das edelste Hausthier. Es
sind die drei furchtbarsten und insofern vornehmsten ungezähnten und un¬
zähmbaren Herrscher der Wildniß, der Bär und Wolf von den Vierfüßlern,
der Adler, d. h. von der älteren Sprache gewöhnlich in der einfachen Form
Ar, Am oder Arndt verwendet, von den Bewohnern der Lüfte. Diese drei dienen
auch, was noch bemerkenswerther ist, in überschwänglicher Fülle zu Namen
der Menschen und Beinamen der Götter, niemals aber ist diese höchste Ehre
einem der Namen des Rosses zu Theil geworden. Doch wohl, weil es trotz
seiner adeligen Stellung, die es den andern thierischen Hausgenossen gegenüber
stets von der fernsten Urzeit bis auf den heutigen Tag behauptet, immer nur
ein Hausthier, ein Knecht des Menschen war, wogegen sich jene dem Menschen
an sich feindlichen Gesellen eben dadurch als überlegen und insofern als von
noch reinerem oder vornehmeren Blute erweisen. Unsere Volksseele steht hier
unter der Macht einer ganz andren Stimmung als z. B. die griechische. Das
griechische Philippos (Pferde- oder Roßlieb), Hippokrares (Roßgewaltiger) und
Hunderte ähnlicher Bildungen haben auf deutschem Boden keine Parallelen.
Höchstens das mythische Heroenpaar, Hengist und Horsa, könnte zur Noth
damit verglichen werden, in denen das heilige Stammessymbol der Sachsen,
das springende weiße Roß, gleichsam menschlich substanziirt erscheint. Denn
alle die mit Mare oder Mar zusammengesetzten Namen, von dem ältesten
streng geschichtlichen Maroboduus an, werden mit dem altdeutschen Stamme
Mar, d. h. doch wohl Mars. der später allerdings gewöhnlich mit verhärtetem
Endeonsonant als Mark auftritt, nichts zu thun haben, selbst wenn dieses
Stammwort ursprünglich der deutschen Sprache angehört, und nicht, wie die
jetzt überwiegende, uns jedoch unrichtig scheinende Meinung ist, erst aus dem
Keltischen importirt sein sollte.
Unsere jetzigen Familiennamen zeigen freilich eine große Zahl von Be¬
ziehungen auf Namen des Rosses. Dieses Wort selbst ist häufig genug als
solcher gebraucht — Pferd so viel wir wissen, niemals. Noch mehr Zusammen¬
setzungen oder Ableitungen davon, wie Roßberg, Roßkranz, Roßtäuscher oder
wunderlich verballhornt — deutscher, Roßmäßler (soviel wie Pagenstecher, Ro߬
schlächter, eigentlich der Roßfleisch (Maß) zur Benutzung bringt) Noßhirt,
Rößler:c>, ebenso von Mars, wie Mähr, Marheinecke, Mahrzahn ze,, und
den andern Pserdenamen. Aber sie sind alle keine nomina im altrömischen
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