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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Der Gegensatz, der zwischen jenen und den Anhängern des Reiches be¬
steht, bildet sich überhaupt immer unversöhnlicher heraus, -- wenn nur die
Regierung dies endlich begreifen und völlig auf die eine Seite treten möchte,
anstatt mit beiden zu laviren, Das letztere ist leider bei Vollzug des Jesuiten¬
gesetzes geschehen, worin sich Bayern seiner nationalen Pflichten nicht völlig
bewußt war. Auch hier dürfen wir bekannte Thatsachen voraussetzen. Man
weiß allgemein, daß die einzige aber auch die centrale Niederlassung jener
schwarzen Garde in Regensburg bestand, wo sie Bischof Senestrey unter seinen
besonderen Schutz nahm. Die Mehrzahl derselben war angesichts der bevor¬
stehenden Ereignisse freiwillig davongegangen, aber drei von ihnen blieben
hartnäckig zurück: Pater Ehrensberger, der durch sein Heimathrecht gedeckt ist;
Graf Fugger, welcher als Standesherr sein universelles Dominik in Anspruch
nahm; und Pater Löffler, der einfach die Prätension erhob, daß seine hohen
Verbindungen ihn schützen sollten. Er fungirt nämlich als Hausprälat und
Erzieher bei der Erbprinzessin von Taxis, die sich ganz der jesuitischen Richtung
ergeben hat.

Es wäre wünschenswert!) gewesen, daß die Regierung gegen jene beiden
letzteren Herrn kräftiger vorgegangen wäre als sie dies that. Denn die Rechts¬
frage lag so klar, daß sie in drei bis vier Schlußfolgerungen zu erschöpfen
ist und überdies würde es dem Ansehen der Regierung nur entsprochen haben,
wenn sie auf eine so lange ventilirte Frage ihre Antwort sofort ertheilt hätte.
Denn es liegt ja auf flacher Hand, daß das ursprüngliche Recht der Standes¬
herrn ihren Aufenthalt in Deutschland nach Belieben zu wählen erloschen ist,
seitdem dies "Privilegium" durch die Freizügigkeit erlosch. Daß die Reichs¬
verfassung der Bundesakte und die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen,
wird wohl Niemand in Abrede stellen, und da das Reich die Jesuiten ver¬
bannt hat, so ist die Berufung auf die bayrische Verfassung ganz unzulässig.
Selbst wenn die Freizügigkeit der Standesherren übrigens noch das "Vor¬
recht" wäre, das sie war, so stünde im vorliegenden Falle nicht die Eigen¬
schaft des Standesherrn, sondern die des Jesuiten in erster Reihe und die
Nachtheile, welche die letztere mit sich bringt, könnten nicht durch die Vortheile
ausgeschlossen werden, die mit der ersteren verknüpft sind.

So liegt das materielle Recht in dieser Frage, aber anstatt sich darauf
zu stützen, betrat die Regierung den langen Weg der Formalien; von
der Kreisbehörde ging man an das Cultusministerium, von diesem an das
Ministerium des Innern und von da wieder hinab zur Kreisregierung. Es
war ein Lürculus vitiosus, zwar richtig vom Gesichtspunkte der administrativen
Competenz, aber doch fehlerhaft darin, daß die Regierung gleichzeitig Woche
um Woche consumirte und damit den Schein gewann, als wolle sie die Sache
verzögern, als wisse sie in einem so wichtigen Falle nicht recht, was sie machen


Der Gegensatz, der zwischen jenen und den Anhängern des Reiches be¬
steht, bildet sich überhaupt immer unversöhnlicher heraus, — wenn nur die
Regierung dies endlich begreifen und völlig auf die eine Seite treten möchte,
anstatt mit beiden zu laviren, Das letztere ist leider bei Vollzug des Jesuiten¬
gesetzes geschehen, worin sich Bayern seiner nationalen Pflichten nicht völlig
bewußt war. Auch hier dürfen wir bekannte Thatsachen voraussetzen. Man
weiß allgemein, daß die einzige aber auch die centrale Niederlassung jener
schwarzen Garde in Regensburg bestand, wo sie Bischof Senestrey unter seinen
besonderen Schutz nahm. Die Mehrzahl derselben war angesichts der bevor¬
stehenden Ereignisse freiwillig davongegangen, aber drei von ihnen blieben
hartnäckig zurück: Pater Ehrensberger, der durch sein Heimathrecht gedeckt ist;
Graf Fugger, welcher als Standesherr sein universelles Dominik in Anspruch
nahm; und Pater Löffler, der einfach die Prätension erhob, daß seine hohen
Verbindungen ihn schützen sollten. Er fungirt nämlich als Hausprälat und
Erzieher bei der Erbprinzessin von Taxis, die sich ganz der jesuitischen Richtung
ergeben hat.

Es wäre wünschenswert!) gewesen, daß die Regierung gegen jene beiden
letzteren Herrn kräftiger vorgegangen wäre als sie dies that. Denn die Rechts¬
frage lag so klar, daß sie in drei bis vier Schlußfolgerungen zu erschöpfen
ist und überdies würde es dem Ansehen der Regierung nur entsprochen haben,
wenn sie auf eine so lange ventilirte Frage ihre Antwort sofort ertheilt hätte.
Denn es liegt ja auf flacher Hand, daß das ursprüngliche Recht der Standes¬
herrn ihren Aufenthalt in Deutschland nach Belieben zu wählen erloschen ist,
seitdem dies „Privilegium" durch die Freizügigkeit erlosch. Daß die Reichs¬
verfassung der Bundesakte und die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen,
wird wohl Niemand in Abrede stellen, und da das Reich die Jesuiten ver¬
bannt hat, so ist die Berufung auf die bayrische Verfassung ganz unzulässig.
Selbst wenn die Freizügigkeit der Standesherren übrigens noch das „Vor¬
recht" wäre, das sie war, so stünde im vorliegenden Falle nicht die Eigen¬
schaft des Standesherrn, sondern die des Jesuiten in erster Reihe und die
Nachtheile, welche die letztere mit sich bringt, könnten nicht durch die Vortheile
ausgeschlossen werden, die mit der ersteren verknüpft sind.

So liegt das materielle Recht in dieser Frage, aber anstatt sich darauf
zu stützen, betrat die Regierung den langen Weg der Formalien; von
der Kreisbehörde ging man an das Cultusministerium, von diesem an das
Ministerium des Innern und von da wieder hinab zur Kreisregierung. Es
war ein Lürculus vitiosus, zwar richtig vom Gesichtspunkte der administrativen
Competenz, aber doch fehlerhaft darin, daß die Regierung gleichzeitig Woche
um Woche consumirte und damit den Schein gewann, als wolle sie die Sache
verzögern, als wisse sie in einem so wichtigen Falle nicht recht, was sie machen


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[0398] Der Gegensatz, der zwischen jenen und den Anhängern des Reiches be¬ steht, bildet sich überhaupt immer unversöhnlicher heraus, — wenn nur die Regierung dies endlich begreifen und völlig auf die eine Seite treten möchte, anstatt mit beiden zu laviren, Das letztere ist leider bei Vollzug des Jesuiten¬ gesetzes geschehen, worin sich Bayern seiner nationalen Pflichten nicht völlig bewußt war. Auch hier dürfen wir bekannte Thatsachen voraussetzen. Man weiß allgemein, daß die einzige aber auch die centrale Niederlassung jener schwarzen Garde in Regensburg bestand, wo sie Bischof Senestrey unter seinen besonderen Schutz nahm. Die Mehrzahl derselben war angesichts der bevor¬ stehenden Ereignisse freiwillig davongegangen, aber drei von ihnen blieben hartnäckig zurück: Pater Ehrensberger, der durch sein Heimathrecht gedeckt ist; Graf Fugger, welcher als Standesherr sein universelles Dominik in Anspruch nahm; und Pater Löffler, der einfach die Prätension erhob, daß seine hohen Verbindungen ihn schützen sollten. Er fungirt nämlich als Hausprälat und Erzieher bei der Erbprinzessin von Taxis, die sich ganz der jesuitischen Richtung ergeben hat. Es wäre wünschenswert!) gewesen, daß die Regierung gegen jene beiden letzteren Herrn kräftiger vorgegangen wäre als sie dies that. Denn die Rechts¬ frage lag so klar, daß sie in drei bis vier Schlußfolgerungen zu erschöpfen ist und überdies würde es dem Ansehen der Regierung nur entsprochen haben, wenn sie auf eine so lange ventilirte Frage ihre Antwort sofort ertheilt hätte. Denn es liegt ja auf flacher Hand, daß das ursprüngliche Recht der Standes¬ herrn ihren Aufenthalt in Deutschland nach Belieben zu wählen erloschen ist, seitdem dies „Privilegium" durch die Freizügigkeit erlosch. Daß die Reichs¬ verfassung der Bundesakte und die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen, wird wohl Niemand in Abrede stellen, und da das Reich die Jesuiten ver¬ bannt hat, so ist die Berufung auf die bayrische Verfassung ganz unzulässig. Selbst wenn die Freizügigkeit der Standesherren übrigens noch das „Vor¬ recht" wäre, das sie war, so stünde im vorliegenden Falle nicht die Eigen¬ schaft des Standesherrn, sondern die des Jesuiten in erster Reihe und die Nachtheile, welche die letztere mit sich bringt, könnten nicht durch die Vortheile ausgeschlossen werden, die mit der ersteren verknüpft sind. So liegt das materielle Recht in dieser Frage, aber anstatt sich darauf zu stützen, betrat die Regierung den langen Weg der Formalien; von der Kreisbehörde ging man an das Cultusministerium, von diesem an das Ministerium des Innern und von da wieder hinab zur Kreisregierung. Es war ein Lürculus vitiosus, zwar richtig vom Gesichtspunkte der administrativen Competenz, aber doch fehlerhaft darin, daß die Regierung gleichzeitig Woche um Woche consumirte und damit den Schein gewann, als wolle sie die Sache verzögern, als wisse sie in einem so wichtigen Falle nicht recht, was sie machen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/398>, abgerufen am 04.07.2024.