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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Menge anderer Schriftsteller der Gesellschaft Jesu, von denen wir hier nur
einige reden lassen.

Molina lehrt in seiner Schrift: "vo justitm ot, M-o": "Der Papst
kann, wenn ein übernatürlicher Zweck es.erheischt, die Könige absetzen und
ihrer Staaten berauben. Er kann auch in weltlichen Dingen ihr Wächter
sein, ihre Gesetze beseitigen und überhaupt unter den Christen gebieten, thun
und richten, was ihm für das allgemeine Wohl und den übernatürlichen
Zweck nützlich erscheint."

I. Gretzer sagt, was die Macht des Papstes betreffe, mit der er die
Könige und Fürsten bändige, so würden diese sie nicht für ungebührlich oder
vernunftswidrig halten, wenn sie nur ruhig und sorgfältig überlegten, was
die Pflicht des obersten Hirten der Seelen sei, und welche Befehle und Ver¬
heißungen Christus dem Petrus ertheilt habe.

JohannvonLugo behauptet: "Jesus Christus, der die Verkünder seines
Wortes aussendet, ist der oberste Fürst; seine Abgesandten können also die, welche
das Predigen hindern, kraft der in ihrer Sendung liegenden Gewalt beseitigen.
Ein ungläubiger Fürst, welcher in seinen Staaten die Predigt des Evangeliums
hindert, ist seinen Unterthanen schädlich. Die Kirche kann zur Vertheidigung dieser
Unterthanen einschreiten und die ihnen zugefügten Unbilden abwehren, indem
sie den Fürsten aufjedeWeise nöthigt, das Predigen der Glaubenslehre zu er¬
lauben. Jeder selbstständige Staat hat das Recht, Gesandte an andere Fürsten
zu Friedensunterhandlungen zu schicken. Werden diese belästigt oder miß-
handelt.so ist der Staat oder Fürst, der sie aussandte, befugt, sie zu vertheidigen
und nöthigenfalls sie auf passende Art zu rächen. Das gleiche Recht hat dem¬
nach die Kirche. Jeder Fürst, der sich der Verkündigung ihrer Lehre wider¬
setzt, (der deutsche Kaiser z. B., so könnten die Ordensbrüder des Autors jetzt
schließen, wenn er eine Lehrentscheidung des 1870 unfehlbar gewordenen Pon-
tifer, die ihm staatsgefährlich erscheint, nicht verkündigen ließe) ist in dieser
Beziehung ein Tyrann, und die Kirche kann ihn zwingen, von seinem Ver¬
fahren abzustehen. Der Papst übt als höchster Richter dieses Zwangsrecht
aus, wenn er gläubige Fürsten (z. B. die Bourbonen, wenn sie mit Hülfe
der heiligen Jungfrau den Thron Frankreichs wiederbestiegen hätten, in Be¬
treff Deutschlands, so könnten jene Ordensbrüder einzuschalten geneigt sein)
beauftragt, die Verkünder des Glaubens in den Ländern der Ungläubigen zu
beschützen und diejenigen zu zügeln, welche ihnen widerstehen."

Hurtado billigt diese Lehre, Er setzt hinzu, daß der Papst, zugleich
weltlicher Fürst, den Ungläubigen den Krieg erklären und sie damit über¬
ziehen könne, in welchem Falle die anderen Fürsten bei diesem Kriege nur
als seine Bevollmächtigten erscheinen.

Alphons Salmeron: "Der Papst hat Macht über die ganze von
Christen bewohnte Erde und über die weltlichen Fürsten, Könige und Obrig-


Menge anderer Schriftsteller der Gesellschaft Jesu, von denen wir hier nur
einige reden lassen.

Molina lehrt in seiner Schrift: „vo justitm ot, M-o": „Der Papst
kann, wenn ein übernatürlicher Zweck es.erheischt, die Könige absetzen und
ihrer Staaten berauben. Er kann auch in weltlichen Dingen ihr Wächter
sein, ihre Gesetze beseitigen und überhaupt unter den Christen gebieten, thun
und richten, was ihm für das allgemeine Wohl und den übernatürlichen
Zweck nützlich erscheint."

I. Gretzer sagt, was die Macht des Papstes betreffe, mit der er die
Könige und Fürsten bändige, so würden diese sie nicht für ungebührlich oder
vernunftswidrig halten, wenn sie nur ruhig und sorgfältig überlegten, was
die Pflicht des obersten Hirten der Seelen sei, und welche Befehle und Ver¬
heißungen Christus dem Petrus ertheilt habe.

JohannvonLugo behauptet: „Jesus Christus, der die Verkünder seines
Wortes aussendet, ist der oberste Fürst; seine Abgesandten können also die, welche
das Predigen hindern, kraft der in ihrer Sendung liegenden Gewalt beseitigen.
Ein ungläubiger Fürst, welcher in seinen Staaten die Predigt des Evangeliums
hindert, ist seinen Unterthanen schädlich. Die Kirche kann zur Vertheidigung dieser
Unterthanen einschreiten und die ihnen zugefügten Unbilden abwehren, indem
sie den Fürsten aufjedeWeise nöthigt, das Predigen der Glaubenslehre zu er¬
lauben. Jeder selbstständige Staat hat das Recht, Gesandte an andere Fürsten
zu Friedensunterhandlungen zu schicken. Werden diese belästigt oder miß-
handelt.so ist der Staat oder Fürst, der sie aussandte, befugt, sie zu vertheidigen
und nöthigenfalls sie auf passende Art zu rächen. Das gleiche Recht hat dem¬
nach die Kirche. Jeder Fürst, der sich der Verkündigung ihrer Lehre wider¬
setzt, (der deutsche Kaiser z. B., so könnten die Ordensbrüder des Autors jetzt
schließen, wenn er eine Lehrentscheidung des 1870 unfehlbar gewordenen Pon-
tifer, die ihm staatsgefährlich erscheint, nicht verkündigen ließe) ist in dieser
Beziehung ein Tyrann, und die Kirche kann ihn zwingen, von seinem Ver¬
fahren abzustehen. Der Papst übt als höchster Richter dieses Zwangsrecht
aus, wenn er gläubige Fürsten (z. B. die Bourbonen, wenn sie mit Hülfe
der heiligen Jungfrau den Thron Frankreichs wiederbestiegen hätten, in Be¬
treff Deutschlands, so könnten jene Ordensbrüder einzuschalten geneigt sein)
beauftragt, die Verkünder des Glaubens in den Ländern der Ungläubigen zu
beschützen und diejenigen zu zügeln, welche ihnen widerstehen."

Hurtado billigt diese Lehre, Er setzt hinzu, daß der Papst, zugleich
weltlicher Fürst, den Ungläubigen den Krieg erklären und sie damit über¬
ziehen könne, in welchem Falle die anderen Fürsten bei diesem Kriege nur
als seine Bevollmächtigten erscheinen.

Alphons Salmeron: „Der Papst hat Macht über die ganze von
Christen bewohnte Erde und über die weltlichen Fürsten, Könige und Obrig-


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[0379] Menge anderer Schriftsteller der Gesellschaft Jesu, von denen wir hier nur einige reden lassen. Molina lehrt in seiner Schrift: „vo justitm ot, M-o": „Der Papst kann, wenn ein übernatürlicher Zweck es.erheischt, die Könige absetzen und ihrer Staaten berauben. Er kann auch in weltlichen Dingen ihr Wächter sein, ihre Gesetze beseitigen und überhaupt unter den Christen gebieten, thun und richten, was ihm für das allgemeine Wohl und den übernatürlichen Zweck nützlich erscheint." I. Gretzer sagt, was die Macht des Papstes betreffe, mit der er die Könige und Fürsten bändige, so würden diese sie nicht für ungebührlich oder vernunftswidrig halten, wenn sie nur ruhig und sorgfältig überlegten, was die Pflicht des obersten Hirten der Seelen sei, und welche Befehle und Ver¬ heißungen Christus dem Petrus ertheilt habe. JohannvonLugo behauptet: „Jesus Christus, der die Verkünder seines Wortes aussendet, ist der oberste Fürst; seine Abgesandten können also die, welche das Predigen hindern, kraft der in ihrer Sendung liegenden Gewalt beseitigen. Ein ungläubiger Fürst, welcher in seinen Staaten die Predigt des Evangeliums hindert, ist seinen Unterthanen schädlich. Die Kirche kann zur Vertheidigung dieser Unterthanen einschreiten und die ihnen zugefügten Unbilden abwehren, indem sie den Fürsten aufjedeWeise nöthigt, das Predigen der Glaubenslehre zu er¬ lauben. Jeder selbstständige Staat hat das Recht, Gesandte an andere Fürsten zu Friedensunterhandlungen zu schicken. Werden diese belästigt oder miß- handelt.so ist der Staat oder Fürst, der sie aussandte, befugt, sie zu vertheidigen und nöthigenfalls sie auf passende Art zu rächen. Das gleiche Recht hat dem¬ nach die Kirche. Jeder Fürst, der sich der Verkündigung ihrer Lehre wider¬ setzt, (der deutsche Kaiser z. B., so könnten die Ordensbrüder des Autors jetzt schließen, wenn er eine Lehrentscheidung des 1870 unfehlbar gewordenen Pon- tifer, die ihm staatsgefährlich erscheint, nicht verkündigen ließe) ist in dieser Beziehung ein Tyrann, und die Kirche kann ihn zwingen, von seinem Ver¬ fahren abzustehen. Der Papst übt als höchster Richter dieses Zwangsrecht aus, wenn er gläubige Fürsten (z. B. die Bourbonen, wenn sie mit Hülfe der heiligen Jungfrau den Thron Frankreichs wiederbestiegen hätten, in Be¬ treff Deutschlands, so könnten jene Ordensbrüder einzuschalten geneigt sein) beauftragt, die Verkünder des Glaubens in den Ländern der Ungläubigen zu beschützen und diejenigen zu zügeln, welche ihnen widerstehen." Hurtado billigt diese Lehre, Er setzt hinzu, daß der Papst, zugleich weltlicher Fürst, den Ungläubigen den Krieg erklären und sie damit über¬ ziehen könne, in welchem Falle die anderen Fürsten bei diesem Kriege nur als seine Bevollmächtigten erscheinen. Alphons Salmeron: „Der Papst hat Macht über die ganze von Christen bewohnte Erde und über die weltlichen Fürsten, Könige und Obrig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/379>, abgerufen am 22.07.2024.